Vorschläge zur Verstetigung in der Entwicklung von Landes- und Kommunalfinanzen

„Kein Schutz vor Willkür“, „Unsere Städte und Gemeinden stehen vor dem finanziellen Ruin“, „Kommunaler Finanzausgleich als Reservekasse des Landes“ sind Schlagzeilen, mit denen die CDU-Landtagsfraktion den Umgang der Landesregierung mit den Kommunen gegeißelt hat. Unter der Überschrift „Kommunen am Tropf“ hatte die Fraktion am 30. Januar 2008 zu einer Pressekonferenz eingeladen und noch für 2008 eine Aufstockung der Schlüsselzuweisungen um 85 Mio. Euro gefordert. Nach Aussagen der Opposition „plündert“ das Land den kommunalen Finanzausgleich jährlich um 250 Mio. Euro.

Vorwürfe dieser Art kommen insbesondere auch von den kommunalen Spitzenverbänden, wenn auch etwas moderater vorgetragen. So forderte der Landkreistag bei seiner jüngsten Tagung in Daun für die Landkreise höhere Landeszuweisungen. Entsprechende Auseinandersetzungen werden – wie alle Jahre wieder – sich auch in den jährlichen Haushaltsberatungen der Kommunalparlamente landab, landauf wiederholen.

Es soll nicht Aufgabe dieses Beitrages sein, den Wahrheitsgehalt solcher Äußerungen zu prüfen, sondern eine Anregung zu geben, was bei der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen noch berücksichtigt werden könnte, ohne dass es zu dem jährlich sich wiederholeden Gezetere bei der Aufteilung der Finanzen kommt. Bei der gegenwärtigen Finanzmarktkrise und dem sich abzeichnenden Wirtschaftsabschwung wird es umso wichtiger, dass Land und Kommunen als Schicksalsgemeinschaft in einem Boot sitzen. Insbesondere geht es auch aktuell darum, durch entsprechende Maßnahmen die kommunalen Eigenanteile für die anstehenden Konjunkturpakete zu erhöhen, um die durch die Kommunalaufsicht zu genehmigenden Kreditlimits auszuweiten.

Als Tatsache muss jedoch festgehalten werden, dass innerhalb der kommunalen Familie eine nicht mehr zu akzeptierende Schieflage der Landkreise entstanden ist, wenn 20 von 24 Kreishaushalten unausgeglichen sind, und die Kassenkredite sich in Richtung einer Milliarde Euro bewegen. Auch hier könnten die im folgenden geschilderten Grundsätze Abhilfe schaffen.

Ein Beispiel hierfür könnte der Freistaat Sachsen geben, der nicht nur in der Pisa-Studie an der Spitze der Bundesländer steht, sondern auch einen beispielhaften kommunalen Finanzausgleich geschaffen hat. Sachsen hat in sein Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich Grundsätze aufgenommen, die dem in Rheinland-Pfalz üblichen jährlichen Geknatsche weitestgehend die Luft raus genommen haben. Diskussionen, wie hierzulande geführt, finden dort so nicht mehr statt. Erstaunlich ist hierbei, dass in Rheinland-Pfalz trotz eines „Beistandspaktes“, den das Land mit seinen kommunalen Gebietskörperschaften in 2003 geschlossen und in Erweiterung dazu ab 2007 einen „Stabilisierungsfonds“ ins Leben gerufen hat, die Streitereien um die Finanzverteilung offenkundig kein Ende finden. Dies fällt umso mehr auf, als nach hartem Ringen das Land im 2004 per Verfassungsänderung das strikte „Konnexitätsprinzip“ (wer bestellt, der bezahlt) eingeführt hat und hierzu auch ein Ausführungsgesetz ergangen ist.

Einige grundsätzliche Aussagen zum Kommunalen Finanzausgleich vorweg, ohne die Thematik wissenschaftlich erörtern zu müssen. An einem bisschen Fachchinesisch wird man jedoch nicht vorbei kommen.

Jedes föderalistisch aufgebaute Staatswesen wie  die Bundesrepublik muss als Grundlage für die gesetzliche Zuweisung von Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Ebenen zunächst die Verteilung der Aufgaben regeln. Der Reglungsbedarf umfasst dabei die Aufgabenverteilung zwischen unterschiedlichen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände) als auch zwischen den rechtlich gleichrangigen kommunalen Gebietskörperschaften. Was viele nicht wissen: Die Gemeinden bilden nach dem Grundgesetz keine dritte staatliche Ebene, sondern sind Teile ihrer jeweiligen Länder. Deshalb geht es bei der Lektüre des Grundgesetzes fast immer um den sogenannten „erweiterten Länderbegriff“ (Land + kommunale Gebietskörperschaft). Das hat zum Beispiel zur Folge, dass zwischen dem Bund und den Kommunen keine direkten Finanzbeziehungen bestehen. Die vielfältigen Finanzzuweisungen des Bundes zur Erfüllung kommunaler Aufgaben gehen deshalb zunächst auf die Einnahmeseite des Landeshaushaltes, wo sie dann in der Regel um eigene Landesmittel aufgestockt zu 100 % als Ausgaben des Landeshaushaltes erscheinen. Die Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen bleibt somit landesinternen Regelungen überlassen. Hierbei ist indes das im Grundgesetz verankerte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände zu beachten. 1994 wurde das Grundgesetz um den Satz erweitert, dass die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst.

Der Kommunale Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen ist deshalb notwendig, weil sich zwischen der Fülle der von den Kommunen wahrzunehmenden Aufgaben und damit verbundenen Ausgaben einerseits und ihrer einnahmemäßigen Ausstattung Welten auftun. So werden die Kommunen derzeit am Steuerkuchen nur mit 11 % beteiligt, haben aber 70 % der gesamtstaatlichen öffentlichen Investitionen zu tragen. Aufgaben sollen möglichst im Sinne der Daseinsfürsorge und Bürgernähe vor Ort wahrgenommen werden, die großen Geldströme hingegen werden oben in den Trichter hineingeschüttet, also bei Bund und Ländern. Eine Regelung, dass die Einnahmeverteilung der Aufgabenverteilung zumindest ein Stück mehr folgt als es derzeit der Fall ist, wäre durchaus möglich, ist aber aus Gründen der „Staatslenkungskunst“ auch nicht gewünscht. So sind die Gemeinden von Anfang an in die Bittstellerfunktion gezwungen, was sich insbesondere bei der Beantragung „zweckgebundener Zuweisungen“ deutlich macht, wo Antrags-, Bewilligungs- und Kontrollbürokratien oft ihre Blüten treiben. Dies gilt im Besonderen für Bagatellzuweisungen, bei denen der Verwaltungsaufwand oft mehr ausmacht als die Zuweisung selbst. Bei den zweckgebundenen Finanzzuweisungen regiert das System des „Goldenen Zügels“. Im Gegensatz dazu stehen die „Allgemeinen Finanzzuweisungen“, die bürokratiearm als allgemeine Deckungsmittel den ureigenen Einnahmen der Kommunen, was Selbstverwaltungsfreundlichkeit angeht, in nichts nachstehen.

An dieser Stelle kann nicht verschwiegen werden, dass auch die Abgeordneten insbesondere der jeweiligen Regierungsparteien den zweckgebundenen Finanzzuweisungen nicht abgeneigt gegenüber stehen. Wer kennt nicht die Zeitungsberichte, die immer wie folgt beginnen:

„Wie das Ministerium X der/dem Abgeordneten Y mitgeteilt hat, werden der Kommune Z für den Bau einer Turnhalle / Kläranlage / Mehrzweckhalle pp. eine Zuweisung von ? Euro gewährt.“

Welche Partei gerade regiert, spielt in diesem Zusammenhang übrigens keine Rolle. In diesen Zusammenhang passt auch die Glosse, dass meist vor Landtagswahlen in den einschlägigen Fachgeschäften keine Spaten mehr vorhanden sind, weil alle Minister und Staatssekretäre tagtäglich unterwegs sind, um zusammen mit den örtlichen Abgeordneten, Landräten und Verbandsbürgermeistern presse- und werbewirksam die berühmten ersten Spatenstiche für oft jahrelang danach Wirklichkeit werdende kommunale Investitionsvorhaben zu setzen. Dabei werden über das Eingehen von Verpflichtungsermächtigungen die Haushaltsplanungen künftiger Jahre oft über Gebühr eingeengt. Auch dies ist Ausfluss des „Goldenen Zügels“.

Das Missverhältnis der kommunalen Aufgabenfülle zu den Einnahmen der Kommunen macht schon die Landesverfassung von 1947 überdeutlich, wenn sie formuliert: „Das Land hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden auch die zur Erfüllung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege eines Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern.“ Hier wird deutlich, dass die Kommunen nicht nur das Geld des Landes benötigen, um die ihnen vom Staat übertragenen Aufgaben zu finanzieren, sondern dieser Hilfe auch bedürfen hinsichtlich der Finanzierung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben. Das Grundgesetz wiederum zwingt die Länder dazu, dass sie ihre kommunalen Gebietskörperschaften am Aufkommen der „Gemeinschaftsteuern“ (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) beteiligen müssen (= obligatorischer kommunaler Finanzausgleich). Darüber hinaus können die Bundesländer ihre Kommunen auch an anderen Steuern des Landes beteiligen (fakultativer kommunaler Finanzausgleich). Dies sind in Rheinland-Pfalz die Kfz-Steuer, die Einnahmen aus Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen sowie 35,2 v.H. der nach dem 1.1.1996 entstandenen Erbschaft- und Schenkungssteuer. An diesen Einnahmen (2008 = 8228830400 Euro) beteiligt das Land die Kommunen sodann mit dem vom Grundgesetz geforderten vom-Hundert-Satz (Verbundsatz oder Verbundquote) der in Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren 21 v.H. beträgt. Das rechnerische Ergebnis ist eine vorläufige Finanzausgleichsmasse von 1728054384 Euro, die dann nach einigen Korrekturen die „endgültige Finanzausgleichsmasse“ von 1741630040 Euro ergibt. Dieser Betrag steht den Gemeinden und Gemeindeverbänden in Rheinland-Pfalz zu.

von Hans-Peter Stölben, Dozent für öffentliche Finanzwirtschaft, Daun

Anmerkungen der Redaktion:
Der Verfasser (66 J.) war von 1975 bis 1989 Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz in Mayen und von 1994 bis 2004 an der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung in Meißen mit den Fächern Finanzverfassungsrecht, Finanzausgleichsrecht und Haushaltsrecht. Hierzu kamen nach der Wiedervereinigung zum Teil sehr umfassende Lehraufträge an der Kommunalakademie Brandenburg in Potsdam sowie an den Kommunalen Studieninstituten Dresden, Leipzig, Magdeburg und Wandlitz sowie an den Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien Dresden und Leipzig und weiterer Bildungsträger. An den beiden Dresdener Instituten ist er heute noch tätig. In den ersten Jahren nach Wiedervereinigung waren Auftraggeber auch das Bundesinnenministerium, die Konrad-Adenauer-Stiftung sowie Berufsakademie und –bildungswerk des Deutschen Beamtenbundes. Herr Stölben ist Begründer und Mitherausgeber der Lose-Blatt-Vorschriftensammlung „Kommunales Finanzwesen Rheinland-Pfalz“ (1984), einem Standardwerk für Ausbildung und Praxis. Der 40-seitige Beitrag über den damals neu gestalteten Kommunalen Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz im Buch „Staats- und Verwaltungsrecht Rheinland-Pfalz“ (1986) stammt aus seiner Feder. Allein in den Jahren 1998 bis 2004 sind mehr als 50 Beiträge zu Themen der öffentlichen Finanzwirtschaft in Fachzeitschriften erschienen. Den Finanzausgleich im Freistaat Sachsen konnte Herr Stölben dank einer langjährigen Verbindung mit dem damaligen Referatsleiter im Sächsischen Staatsministerium der Finanzen Dr. Aelig begleiten und mit Vorschlägen ein wenig mitgestalten. Allein hierzu liegen eine Reihe von Veröffentlichungen vor. Als letztes von vier Fachbüchern ist Anfang 2008 „Das neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (Kommunale Doppik)für den Freistaat Sachsen“ erschienen.

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