Die kommunale Doppik – Ein Zug der nicht zu bremsen ist

Doppik soll das Haushalts- und Rechnungswesen der Kommunen modernisieren. Landauf, landab läuft derzeit auf vollen Touren die Umstellung in den kommunalen Gebietskörperschaften von der kameralistischen Rechnungslegung auf die so genannte Doppik, was für doppelte Buchführung in Konten steht. Spätestens 2009 müssen alle Kommunen ihre Haushaltswirtschaft nach kaufmännischen Regeln, den Grundsätzen der kommunalen Doppik führen. Kaum eingeführt, wird das neue Haushaltssystem Doppik schon kritisiert. Von Kinderkrankheiten, Mehrarbeit, alles sei viel komplizierter und schwieriger nachvollziehbar, bis hin zu: die Ausgestaltung der neu eingeführten Doppik sei mangelhaft, reicht das Spektrum.

Die Eifel-Zeitung sprach über das Thema „Doppik“ mit dem Verwaltungsfachmann und Dozent für Öffentliche Finanzwirtschaft Hans-Peter Stölben aus Daun. Der gebürtige Manderscheider war von 1976 – 1989 an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz in Mayen und von 1994 bis 2004 an der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung in Meißen tätig. Stölben hatte während seinen Aktivitäten eine Reihe von Bücher und Fachaufsätze veröffentlicht. Darüber hinaus haben seine Verbesserungsvorschläge dem Land Rheinland-Pfalz in Sachen Länderfinanzausgleich zwischen 1986 und 2004 erhebliche Mehreinnahmen beschert. Lesen Sie nachfolgend den Beitrag von Hans-Peter Stölben zum Thema Doppik:

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Die kommunale Doppik – Ein Zug der nicht zu bremsen ist

Mit einem Kommentar „Abstieg in Raten – Warum die Doppik den Kommunen nicht aus der Misere hilft“ – beschäftigte sich die Tageszeitung aus Trier am 11. September 2008 teilweise wenig kompetent mit einem Thema, was am 1. Januar 2009 auch für die letzten kommunalen Gebietskörperschaften in Rheinland-Pfalz verpflichtend wird, nämlich das jahrhundertelang praktizierte Rechnungssystem der „Kameralistik“ auf die „Doppik“ umzustellen.

Wesentlich zielführender war der „Klartext-Artikel“ vom 13./14. September 2008 im gleichen Blatt mit der Überschrift „Ein teures Feigenblatt“ (gemeint: die Doppik).

Die Doppik ist lediglich, wie die Kameralistik auch, ein Rechnungssystem, das übrigens aufgrund der spezifischen Bedingungen der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen und der Kommunen im Besonderen das kaufmännische Rechnungswesen nach den Bestimmungen des Handels- und Gesellschaftsrechts nicht unverändert übernimmt. Das HGB ist lediglich das Referenzmodell, was sich auch darin zeigt, dass neben Ergebnishaushalt / -rechnung mit Erträgen und Aufwendungen als Verneigung vor der Kameralistik auch Finanzhaushalt / -rechnung mit Einzahlungen und Auszahlungen aufzustellen ist.

Hier gilt nach wie vor das kameralistische „Kassenwirksamkeitsprinzip“ unverändert weiter und hierauf baut auch die Finanzbuchhaltung auf. Im Ergebnishaushalt sind die Erträge und Aufwendungen hingegen in ihrer voraussichtlichen Höhe in das Haushaltsjahr zu veranschlagen, dem sie wirtschaftlich zuzurechnen sind.

(Periodisierungsprinzip) Wenn in doppischen Haushaltsplänen trotz dieser gravierend unterschiedlichen Planungsgrundsätze oft identisches Zahlenwerk erscheint, ist dies vor allem wegen der vielen Gemeinden in Rheinland-Pfalz der notwendigen Massenproduktion solcher Pläne geschuldet. Hintergründe hierzu später.

Das die Kameralistik  prägende Begriffspaar Einnahmen / Ausgaben gehört ab 2009 endgültig der Vergangenheit an.

Der Kommentierung in der Tageszeitung ist in Teilen zuzustimmen; völlig daneben liegt jedoch die Behauptung, dass die Doppik es sei, die „weil Unterhaltungsmaßnahmen nicht mehr als Investitionen gelten und dementsprechend dafür keine Kredite mehr aufgenommen werden dürfen“ es erschwere, in die gemeindliche Entwicklung und die ihrer Bürger zu investieren. Unterhaltungsmaßnahmen konnten auch in der Kameralistik niemals mit Krediten finanziert werden und waren auch nie Investitionen. Investitionen sind Ausgaben, demnächst also Auszahlungen, zur Veränderung des Anlagevermögens.

Nun zur Einführung der Doppik selbst. Hält sie was ihre Befürworter sich versprechen? Die Kameralistik kennt in der Tat keine totale kommunale Vermögensbewertung und sieht Abschreibungen nur bei „kostenrechnenden Einrichtungen“ vor. Es wurden auch keine Rückstellungen z.B. für Pensionslasten oder unterlassene Instandsetzungen gebildet. Als Vorteile der Doppik gegenüber der Kameralistik sind anzusehen die Darstellung des gesamten Ressourcenaufkommens und Ressourcenverbrauchs, die Darstellung des Vermögens und der Schulden, die Darstellung von Eigen- und Fremdkapital, das Hervorheben von Zielen und Verwaltungsergebnissen, die Unterstützung einer flexiblen Mittelbewirtschaftung, die Möglichkeit zumindest später den Rechnungsstil für den „Konzern Kommune“ zu vereinheitlichen (Kernverwaltung, Eigenbetriebe, kommunale GmbH und AG pp.).

Mit dem neuen Haushaltsrecht soll die Budgetierung unterstützt, die Steuerung der Verwaltung durch Leistungsvorgaben verbessert, der Verbrauch von Ressourcen Produkten besser zugeordnet und das Vermögen und die Schulden vollständig abgebildet werden können. Dazu zählt auch die flächendeckende Einführung einer Kosten-Leistungsrechnung (KLR) sowie des Controllings und dem dazugehörigen Berichtswesen zur besseren Informationsbereitstellung.

Der Knüppel liegt beim Hund

Bei all diesen in der Tat positiven Aspekten der Doppik muss jedoch auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik erlaubt sein, auch wenn dies von ihren uneingeschränkten Befürwortern als Sakrileg, ja als Gotteslästerung empfunden werden sollte. Dem aber noch einige Gedanken zum Entstehen der Doppik vorweg. Nach dem Grundgesetz gehört das kommunale Haushalts- und Wirtschaftsrecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer.

Diese hatten zunächst 1947 die reichseinheitlichen Bestimmungen des Haushaltsrechtes des „Dritten Reiches“ aus der Deutschen Gemeindeordnung 1935 und der Deutschen Gemeindehaushaltsversordnung ins jeweilige Landesrecht übernommen. Die Ständige Konferenz der Innenminister (IMK) hat dann in der Folge insbesondere bei der großen Haushaltsrechtsreform, welche in Rheinland-Pfalz 1975 in Kraft trat, dafür gesorgt, dass die Rechtsmaterie – obwohl jedes Bundesland sein Haushaltssüppchen hätte kochen können – zu 98 v.H. in allen Bundesländer vereinheitlicht blieb. Hierbei lag und liegt der Knüppel beim Hund.

Hätte sich in den Bundesländern unterschiedliches Recht entwickelt – die neuen Bundesländer haben als Beitrittsgebiet nach dem Einigungsvertrag die westdeutschen Regelungen übernehmen müssen – wäre es nicht möglich gewesen, im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Kommunen in der Finanzstatistik zusammen zu führen. Dies hat sich grundsätzlich auch mit der Doppik nicht geändert. Es gibt zwar keine Haushaltsstellen mehr. Diese werden durch Buchungsstellen als eine Kombination von Produkt- und Kontenrahmenplanung ersetzt.

Auch die Doppik in Rheinland-Pfalz geht auf Mustertexte der IMK vom 31. November 2003 zurück. Es ist jedoch unverkennbar, dass im doppischen Haushaltsrecht ein gewisses Auseinanderstreben der Länder, soweit es die finanzstatistischen Erhebungen nicht gefährdet, zu beobachten ist. Auch der Zeitrahmen der Einführung ist so flexibel, dass z.B. Sachsen, sonst in den neuen Bundesländern am weitesten voranmaschierend, sich mit der Einführung der Doppik bis zum Jahre 2013 Zeit lässt, während in Bayern überhaupt noch kein Termin bestimmt ist. Thüringen lässt sowohl die Doppik als auch die erweiterte Kameralistik zu.

Nachdem die Vorzüge der Doppik in den vergangenen Jahren zum Teil euphorisch vorgetragen worden sind, sind inzwischen auch kritische Töne zu vernehmen. Diese sind sowohl formaler als auch inhaltlicher Natur.

Die Doppik ist das exakte Gegenteil von Verwaltungsvereinfachung

Dies zeigt sich z.B. daran, dass die Haushaltsystematik, die in der Verwaltungsvorschrift „Gliederung und Gruppierung“ zusammengefasst ist, in der Kameralistik einschließlich aller Haushaltsmuster 98 Seiten umfasste und jetzt in der entsprechenden doppischen Vorschrift 520 Seiten!!! beansprucht (Quelle: Vorschriftensammlung Kommunales Finanzwesen Rheinland-Pfalz – Lukas/Stölben -). Haushaltspläne von Ortsgemeinden sind unter den Vorgaben der Doppik teilweise von unter 100 Seiten auf das Doppelte angewachsen, Haushaltspläne von Landkreisen haben sich von 300 Seiten auf über 800 Seiten aufgebläht. Allein der Schlussbericht „Kommunale Doppik Rheinland-Pfalz“, ein Gemeinschaftsprojekt des Landes Rheinland-Pfalz und der Kommunalen Spitzenverbände umfasst in seinen beiden Teilen I und II schätzungsweise schlappe 2.000 Seiten.

Die Gemeindekassenverordnung, die nunmehr mit nur noch 7 Paragraphen in die doppische Gemeindehaushaltsverordnung eingearbeitet worden ist – man könnte dies als einen riesigen Schritt in Richtung von Verwaltungsvereinfachung vermuten – wird jetzt ersetzt durch eine „Richtlinie zur Organisation des Rechnungswesens“ von ca. 100 Seiten. Der Paragraph mit dem Ergebnishaushalt hat 31, der des Finanzhaushaltes gar 56 Postennennungen zum Gegenstand. Die Vorschrift über die Teilhaushalte schafft es auf 14 Absätze, die wiederum in zig Einzelnennungen unterteilt sind. Dem Freistaat Sachsen ist es immerhin gelungen, die analoge Vorschrift in 5 Absätzen zu fassen. Ähnliches wäre auch über andere Einzelvorschriften zu berichten.

Als Dozent konnte man alle Unterlagen der Kameralistik in eine schmale Aktentasche packen; zu den 5 Lehrgängen „Kommunaler-Bilanzbuchhalter“ bzw. „Kassenbuchhalter“, in denen ich in Rheinland-Pfalz das doppische Haushaltsrecht doziert habe, musste ich mit Wäschekörben an Material anreisen. Die bei mir vorliegenden Unterlagen zur Doppik machen das 10-fache gegenüber der Kameralistik aus. In diesen Zusammenhang passt, dass es mir mit meinem im Frühjahr dieses Jahres herausgegebenen Lehrbuch „Das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (Kommunale Doppik) für den Freistaat Sachsen“ trotz aller Anstrengung nicht gelungen ist, die Seitenzahl mit 300 zu begrenzen. Fazit: Die Doppik ist ein bürokratisches Monster.

„Qui bono“, d.h. wem nutzt es“?

Eingeweihte wissen es längst, dass hinter der Einführung der Doppik insbesondere auch eine erfolgreiche Lobbyarbeit der Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften quer durch die Republik steht. Diese haben ein weitreichendes Interesse an der Vorbereitung und Durchsetzung der Doppik bis hin zum späteren Testieren der kommunalen Bilanzen. Dies ist überhaupt nichts Verwerfliches.

Schlimm wird es jedoch, wenn Politik und zuständiges Ministerium die Stabsführung auch in rechtlichen – nicht in betriebswirtschaftlichen – Fragen an Treuhandgesellschaften abgegeben haben. Insider wissen was ich meine, wenn ich den Eindruck habe, dass dies seit dem Ausscheiden meines überaus geschätzten ehemaligen und inzwischen leider verstorbenen Kollegen, Herrn Ministerialdirigent Rudolf Oster, zunehmend der Fall ist. Hier sollten erfahrene Verwaltungsbeamte praxismäßig durch Kämmerer unterstützt, die Entwicklung des Rechts unter ihren Fittichen behalten. Wenn Faxe das zuständige Ministerium verlassen haben, wonach die Anschaffung von Fremdenverkehrsprospekten bzw. das Bunkern von Heizöl Investitionen seien und damit mit Krediten finanziert werden können, stehen einem Dozenten der öffentlichen Finanzwirtschaft die Haare zu Berge.

Interessant ist es auch, wenn Landtagsabgeordnete im persönlichen Gespräch Zweifel aufkommen lassen, ob und inwieweit man im „Hohen Hause“ bei der Doppik-Gesetzgebung den Durchblick gehabt habe. Entschuldigend für die Parlamentarier muss gesagt werden, dass diese bei ihrer Gesetzgebung nicht wissen konnten, dass die Ministerialbürokratie einige hundert Seiten in Form von Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Anlagen und Mustern zusätzlich auf denWeg gebracht hat.

Nicht entgeltfinanziertes kommunales Infrastrukturvermögen,
seine Abschreibungen und die Folgen

Was nützt es z.B. der Stadt Daun zu wissen, dass ihr Straßenvermögen (Zahl gegriffen) 10 Mio.Euro wert ist? Kann sie ihr Straßennetz morgen auf dem freien Markt verkaufen? Die Antwort kennen alle: Nein. In den Eröffnungsbilanzen ist dieses Infrastrukturvermögen – eine lange Liste lässt sich aufzählen – mit 100 v.H. seines nach entsprechenden Richtlinien zustande gekommenen Wertes auszuweisen und nach Abschreibungstabelle in der Regel linear abzuschreiben. Dies hat zur Folge, dass die Kommunen mit Doppik-Start Eröffnungsbilanzen vorlegen, wonach man sich im Wirtschaftsleben die Finger lecken würde. Fatal ist, dass das Eigenkapital bereits mittelfristig durch Abschreibungen, aber auch durch die schon erwähnten Rückstellungen, die natürlich durch entsprechende Erträge erwirtschaftet werden müssen, so zusammenschmilzt, dass relativ schnell die Gefahr entsteht, in der Bilanz einen „Nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag“ ausweisen zu müssen. Es gibt übrigens Bundesländer, die dieses Infrastrukturvermögen von Anfang an nur mit 10 v.H. seines Wertes bilanzieren. Völlig unausgegoren ist augenblicklich auch die Frage, wie Finanzausgleich und Zuweisungspolitik des Landes mit dem neuen System der Doppik kompatibel gemacht werden können. Wie wird das Land bei ja zunächst hohem Eigenkapital, also vermeintlichem Reichtum, seine Fördermittelpolitik gestalten?

Eine Umfrage unter den Kämmerern in Nordrhein-Westfalen hat ergeben, dass 90 v.H. in Gemeinden von unter 10.000 sogar 95 v.H. erwarten, dass der Haushaltsausgleich nach dem doppischen Haushaltsrecht  schwieriger zu erreichen sein wird als nach der Kameralistik. Auch die Technik des Haushaltsausgleichs ist in Rheinland-Pfalz ein kleines Monster. Ein Minus in der Jahresrechnung eines Jahres kann nämlich über 5 Jahre zurück und 5 Jahre nach vorne ausgeglichen werden. Für den Haushaltshaltsausgleich eines Jahres stehen also 11 Jahre zur Verfügung.

Ist die Gemeindestruktur in Rheinland-Pfalz
die richtige Basis zur Einführung der Doppik?

Wenn die Doppik an sich schon mit einem Schub an Verwaltung und Bürokratie daher kommt, um wie viel mehr trifft dies ein Land wie Rheinland-Pfalz, das bei 6 v.H. der Einwohnerzahl rund 30 v.H. aller Gemeinden der Alt-Bundesländer sein Eigen nennt. Darunter befindet sich z.B. auch die Gemeinde Dierfeld (Verbandsgemeinde Manderscheid) mit 8 Einwohnern. Der Vulkan-eifelkreis mit seinen knapp über 100 Gemeinden kommt auf eine einwohnermäßige Durchschnittsgröße von 400 Einwohnern pro Gemeinde, wenn man zuvor die Städte Daun, Gerolstein und Hillesheim in Abzug gebracht hat. Das Land Nordrhein-Westfalen hat lediglich noch 5 Gemeinden unter 5.000 Einwohnern, während es im Lande Rheinland-Pfalz hiervon 2.200 gibt. Daraus soll nicht geschlossen werden, dass ich für den Gigantismus in Nordrhein-Westfalen bin und damit für größere Ortsgemeinden plädiere. Solche Überlegungen sollen an dieser Stelle offen bleiben. Fest steht aber, dass die Innenministerkonferenz bei Einführung der Doppik an solche Verhältnisse nicht gedacht haben kann. So müssen also auch kleine und Kleinstgemeinden die Doppik mit allem pi-pa-po umsetzen. Ist dies notwendig und vertretbar? Erstaunlich ist, dass solche Überlegungen von der kommunalen Seite zumindest öffentlich wahrnehmbar, nicht vorgebracht worden sind. Mir scheint vielmehr, dass man sich von Anfang an in das kommende Schicksal ergeben hat.

Die Kosten-Leistungsrechnung (KLR)

Mit der Doppik eingeführt wird flächendeckend die KLR zur internen Steuerung des Verwaltungshandelns. Sie soll eine differenzierte Betrachtungsweise von Produkten und Kostenstellen ermöglichen und die wirtschaftliche und sparsame Haushaltsführung der Kommunen fördern. Stufen der KLR sind die Kostenartenrechnung (welche Kosten überhaupt), die Kostenstellenrechnung (wo entstehen die Kosten) und die Kostenträgerrechnung (wofür fallen die Kosten an). Die Kostenträger sollen möglichst auf der Produktebene gebildet werden. Klassische Fragen der KLR sind insbesondere:

Wie hoch sind die Kostendeckungsgrade bei entgeltlicher Leistungsabgabe? Wie hoch müssen kostendeckende Gebühren, Beiträge und sonstige Entgelte sein? Wie lassen sich Kosten abbauen (Einzel- oder Gemeinkosten, fixe und / oder variable Kosten)? Welche vergleichbaren Alternativen kosten wie viel (Kauf oder Miete oder Leasing)? Weitere Fragestellungen treten hinzu. Soweit so gut. Viele Begriffe, die die Doppik aus der Betriebswirtschaft übernimmt, lassen vermuten, dass diese die Gemeinden als Warenhaus betrachtet, wo auf einem freien Markt Güter und Dienstleistungen an- und verkauft werden. Dieses sogenannte privatrechtliche Handeln ist aber nur teilweise gegeben. Vieles spielt sich im Bereich der strengen und schlichten Hoheitsverwaltung ab und wird darüber hinaus vom Sozialstaatsgebot begleitet. Bei der vielleicht wichtigsten Aufgabe der KLR, nämlich der Preis- und Kostenkalkulation sowie der Gebührenkalkulation wird insbesondere in den Gebieten Kultur, Sport, Soziales die Politik nicht der KLR folgen und kostendeckende Entgelte festsetzen, sondern weiterhin soziale Belange berücksichtigen.

 

Hier wird die KLR insbesondere die Frage beantworten können: Was wäre wenn? Das heißt, wie hoch müssten Entgelte bei Kostendeckung eigentlich festgesetzt werden? Wie in der Vergangenheit auch, werden sich die kommunalen Entscheidungsträger die mühsam erarbeiteten Papiere der KLR zwar anhören oder anschauen, sie dann aber – weil nicht durchsetzbar – zur Seite schieben und Entgelte festsetzen, die oft weit unter Kostendeckung liegen. Dabei haben sie das Recht der Gemeindeordnung zur Seite, die ausdrücklich festlegt, dass Entgelte zu beschaffen sind soweit vertretbar (sozialverträglich) und geboten (kostendeckend). Hier tut sich ein Spagat auf, der die Kosten-Leistungsrechnung teilweise ins Leere laufen lässt. Dabei soll nicht verkannt werden, dass die KLR selbstverständlich auch auf solchen Gebieten zur Effizienzsteigerung Einsparungspotentiale aufzeigen wird. Dazu gehört auch: Welche Partei oder Wählergruppe will sich mit der Festsetzung kostendeckender Entgelte oder massiver Erhöhungen derselben, da wo man bisher weit davon entfernt war, in Richtung der Kommunalwahlen ihre potentiellen Wähler vergraulen.

Zwei Beispiele: Zwischen dem was die KLR an Entgeltfestsetzungen fordert, an Eintrittsgeldern fürs Hallen- oder sogar Spaßbad oder für den Theaterbesuch und dem was tatsächlich abgefordert wird, liegen Welten. Die Entgeltfinanzierung liegt in diesen Bereichen stellenweise unter 20 v.H. der Kosten. Hier zeigt sich, dass die öffentliche Verwaltung nicht jedem betriebswirtschaftlichen Wunschdenken, dass Gemeinden Konzernholdings oder Betriebsstätten im Sinne der freien Wirtschaft sind, folgen kann. In den Bereichen der Hoheitsverwaltung und der Daseinsvorsorge werden manche Forderungen aus der KLR nicht umzusetzen sein. Die KLR ist notwendig. Man darf sie aber auch nicht für alle Bereiche kommunalen Handelns überbewerten.

Interne Leistungsverrechnung

Die kommunale Doppik ist ein flächendeckend ressourcenverbrauchs-orientiertes Buchungssystem. Da Leistungen auch zwischen verschiedenen Verwaltungszweigen ausgetauscht werden, findet einerseits ein Werteverzehr, andererseits ein Wertezuwachs statt. Diese internen Leistungen sind zwischen den Teilergebnishaushalten, in Wirklichkeit zwischen einzelnen Produkten zu verrechnen. So sind z.B. die Aufwendungen bzw. Auszahlungen des Personalamtes nach einem wie auch immer gearteten Schlüssel auf Standesamt, Bauverwaltungsamt, Kämmerei und alle personalführenden Stellen aufzuteilen. Ähnliches gilt für Energiekosten, Telefonkosten pp. In der Kameralistik waren solche haushaltsrechtlichen Verrechnungen (Erstattungen) nur im Rahmen „kostenrechnender Einrichtungen“ wegen der Entgeltkalkulation gefordert. Jetzt befürchten Experten, dass diese internen Leistungsverrechnungen, die flächendeckend für den ganzen Haushalt durchzuführen sind, dazu führen werden, dass die Hälfte aller Buchungsaktivitäten einer Kommune auf diesem Felde stattfinden wird, wenn man alles getreu den Buchstaben der Doppik gemäß erledigt. Ein nicht zu vertretender Aufwand. Hier gilt es „die Kirche im Dorf zu lassen“.

Schlussbemerkungen;

In der Sonderbeilage „Öffentliche Finanzen“ des FAZ-Verlages vom 20. Juni 2008 erschien unter der Überschrift „Die Rechnung geht nicht auf – Neues öffentliches Rechnungswesen hält nicht was es verspricht“ – ein Beitrag des ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzstaatssekretärs und heutigen Berliner Finanzsenators Dr. Thilo Sarrazin. So schreibt er unter anderem: „Die Verfechter der Doppik wenden an dieser Stelle ein, dass die produktbezogene KLR nicht dem Entscheidungsgremium, sondern der verwaltungsinternen, betriebswirtschaftlichen Steuerung diene. Aber auch dieses Argument hält keiner kritischen Prüfung stand. Zwar wird viel gebucht und sortiert, um noch die letzte Pförtnerumlage periodengerecht und produktscharf zu erfassen, um sie in einem aufwendigen Berichtswesen abzubilden. Nur ist die Aussage der Daten gleich Null. Es nutzt nichts, ungeheure Datenmengen zu produzieren, wenn sie nicht als Entscheidungsgrundlage eingesetzt werden können.

Sinnvoll ist eine KLR allenfalls bei Verwaltungseinheiten, die über eine hohe betriebliche Autonomität verfügen oder in erheblichem Maße marktübliche Leistungen erbringen. Die an sich richtige Erweiterung der Kameralistik um das Kostendenken konnte sich nicht durchsetzen, weil sie mit der leidigen unausgegorenen Produkttheorie verknüpft wurde.“

An anderer Stelle: „Auch die doppelte kaufmännische Buchführung ist nur eine Technik. Sie bildet nichts ab, was man auch in der Kameralistik darstellen könnte,“ oder „den Output der Verwaltung (insbesondere der Hoheitsverwaltung) sinnvoll in Gestalt mathematischer Kennzahlen abzubilden, ist nicht möglich“.

Ich glaube, solche Einwände kommen zu spät. Der Zug der Doppik ist nicht mehr zu stoppen. Deshalb gilt es, sie jetzt umzusetzen, sie jedoch an die Notwendigkeiten der rheinland-pfälzischen Kommunalstruktur anzupassen und alles überflüssige Zeugs abzuspecken. Hierbei wäre wünschenswert, wenn sich zukünftig Verwaltungsfachleute und Kämmerer auf Augenhöhe – aber nicht darunter – mit der Betriebswirtschaft, d.h. Treuhandgesellschaften und Wirtschaftsprüfer begegnen. Am Schluss noch die spannende Frage: Warum denken die Länder, die den Gemeinden die Doppik verordnet haben, nicht im Traume daran, dieses doch so überzeugende Rechnungswesen auch in der staatlichen Praxis zur Anwendung zu bringen.

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