Wie lockt man einen Arzt aufs Land?

Die Frage, wie man die medizinische Versorgung einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft künftig in strukturschwachen Gebieten aufrechterhalten kann, bewegt das Gesundheitswesen in Rheinland-Pfalz (RLP). Das Thema Demografie ist derzeit in aller Munde. In RLP, wo sich um die Bevölkerungsentwicklung sogar eine Abteilung im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie (MSAGD) kümmert, ging gerade die landesweite Demografiewoche mit zahlreichen Veranstaltungen und Diskussionen über die Bühne. RLP als Flächenland mit gerade noch drei Wachstumsregionen leidet bereits unter der Landflucht. Während rund um die vier Großstädte des Landes Felder und Weinberge mit neuen Wohn- und Industriegebieten zugebaut werden, stehen in den Dörfern der Eifel, der Mosel, des Hunsrücks und der Westpfalz immer mehr Häuser leer. Die Jungen und die Familien zieht es in die Zentren. Die Landbevölkerung schrumpft, der Anteil Älterer mit durchschnittlich höherem medizinischem Betreuungsbedarf steigt.

Generationswechsel
Auch die Ärzte folgen diesem Trend. Die Nachwuchsmediziner wollen in den Städten arbeiten, am liebsten angestellt mit geregelter Arbeitszeit (gerne auch in Teilzeit), Freizeit und Urlaub – wie Berufsverbände und Versorgungswissenschaftler festgestellt haben. Außerdem wird die Medizin weiblich, zwei Drittel der Studierenden im Fach Medizin sind heute Frauen. Die Allgemeinmediziner in den kleineren Orten auf dem Land werden derweil älter, fast ein Drittel von ihnen ist heute schon über 59 Jahre alt, und finden immer schwieriger Nachfolger für ihre Praxen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz rechnet damit, dass rund die Hälfte der derzeit im Land tätigen Ärzte und Physiotherapeuten bis 2020 ihre Praxis aus Altersgründen abgeben werden.

Mehr Niederlassungen möglich
Mit der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie will der Gesetzgeber auf den (vermeintlich) zunehmenden Ärztemangel und den steigenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung reagieren. Grundlage für die Bedarfsplanung ist das Verhältnis zwischen Einwohner- und Arztzahlen, die sogenannte Verhältniszahl, ergänzt um einen demografischen Faktor, der von der KV einmal im Jahr neu berechnet wird. Für Rheinland-Pfalz hat dies folgende Auswirkungen: In der hausärztlichen Versorgung gab es bisher 28 Planungsbereiche. Die neu geschaffenen 50 Mittelbereiche ergeben 83 zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten, wobei auch nach den alten Bedarfsplanungs-Richtlinien 104 Zulassungsmöglichkeiten bestanden. Im Bereich der allgemeinen fachärztlichen Versorgung bleibt es bei den bisherigen 28 Kreisregionen.

Für die spezialisierte fachärztliche Versorgung wurden Raumordnungsregionen geschaffen, mit fünf Regionen (für Anästhesisten, Fachinternisten, Kinder- und Jugendpsychiater, Radiologen). Für die gesonderte fachärztliche Versorgung gibt es einen Planungsbereich Rheinland-Pfalz (für Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische und Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten, Transfusionsmediziner).

Zum Stichtag 1. August 2013 betrug die Anzahl der Fachärzte in Rheinland-Pfalz 3.698,4. Durch die neuen Bedarfsplanungs-Richtlinien sind die Zulassungsmöglichkeiten von 50,0 auf 175,5 gewachsen. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat bislang keine Unterversorgung für RLP festgestellt. Die Zahl der Ärzte, die in RLP an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen ist bislang stets gewachsen – um 37 Prozent seit 1992. Auch zwischen den Jahren 2000 und 2012, in denen die Bevölkerung in RLP um fast 36.000 Einwohner schrumpfte, wuchs die Zahl der Ärzte in der Versorgung noch um 12 Prozent. Die Statistik zeigt: es gibt also nicht zu wenige Ärzte, sondern sie sind ungleichmäßig verteilt. Doch wie soll man den Ärztenachwuchs dazu motivieren, die berufliche Zukunft in der Praxis – z.B. In der Eifel zu suchen?

An Maßnahmen und Ideen mangelt es nicht. Die Landesregierung stellt zur Förderung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum bis zu 15.000 Euro je Förderantrag bereit. Anreize im Vergütungssystem und Schutz vor dem gefürchteten Arzneimittelregress machen den Betrieb einer Praxis in schlecht versorgten Gebieten wirtschaftlich interessanter.

Vielfältige Fördermaßnahmen
Die Residenzpflicht ist abgeschafft, Zweigpraxen möglich. Gemeinschaftspraxen und medizinische Versorgungszentren kommen dem Wunsch nach Teamarbeit und dem Teilen von Last und Verantwortung entgegen und Ärzte können als Angestellte arbeiten. Not- bzw. Bereitschaftsdienstzentralen entlasten von der Bereitschaft rund um die Uhr. Und auch die Kommunen schalten sich ein, werben aktiv um Mediziner für ihren Ort – unter anderem mit der Bereitstellung günstiger Wohn- und Praxisräume oder auch die Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche für Lebenspartner. Auch die größere Gewichtung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung gehört zu den Maßnahmen, mit denen man die ärztliche Versorgung auf dem Land fördern will.

Die Krankenkassen fordern jedoch auch, dass Praxen in stark überversorgten Gebieten künftig beim Ausscheiden des Arztes von der KV aufgekauft und stillgelegt werden. Weniger Niederlassungsmöglichkeiten in der Stadt würden bei den Medizinern die Bereitschaft erhöhen, aufs Land zu gehen.

Ähnlich könnte auch eine Angleichung der Honorare von gesetzlich Krankenversicherten und privat Krankenversicherten wirken, was aber politisch derzeit nicht durchsetzbar erscheint. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, in Gebieten mit wenig niedergelassenen Ärzten die Krankenhäuser künftig stärker in die ambulante Versorgung einzubinden – so lautet die Meinung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek).

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