Streikende Fahrer wollen für Arbeit Geld sehen

Von Eva Krafczyk, dpa

Gräfenhausen (dpa) – Die Hose des jungen Georgiers Tornike ist fadenscheinig und gerissen, aber das ist nicht dem modischen «shredded look» geschuldet. Der Job als Fernfahrer, für den er vor knapp vier Monaten seine Arbeit in einem Metallbetrieb aufgab, erwies sich bisher als Verlustgeschäft. «Ich habe bisher 50 Euro ausgezahlt bekommen», erzählt der schmale junge Mann mit dem dunklen Bart, dessen Lächeln ein wenig schüchtern wirkt, der Deutschen Presse-Agentur. Wovon er denn in der Zeit gelebt habe? «Meine Familie hat mir Geld geschickt, um auszuhelfen.»

Seit fast drei Wochen harren auf der Raststätte Gräfenhausen in Südhessen an der A5 mittlerweile fast 60 Lastwagenfahrer vor allem aus Georgien und Usbekistan aus, die von ihrem polnischen Auftraggeber ausstehenden Lohn fordern. Unterstützt werden sie nicht nur von deutschen und niederländischen Gewerkschaftern sowie Beratern des Netzwerks «Faire Mobilität». Der georgische und der usbekische Konsul waren schon mehrmals vor Ort, seit einigen Tagen sind auch zwei Vertreter des georgischen Gewerkschaftsverbandes da.

Solidaritätsvideo aus Südkorea

Der Fahrerstreik an der Autobahnraststätte hat eine internationale Dimension bekommen – nicht nur wegen des Solidaritätsvideos südkoreanischer Lastwagenfahrer, das über soziale Medien verbreitet wurde. «In Tbilisi (Tiflis) fand eine Kundgebung vor dem polnischen Generalkonsulat statt, an der auch Familien der Fahrer teilnahmen», sagt Raisa Liparteliani, die Vizepräsidentin des Georgischen Gewerkschaftsverbands. «Wir haben auch einen Livestream hierher organisiert von dem Protest.»

Zusammen mit dem niederländischen Gewerkschafter Edwin Atema verhandelt Liparteliani im Auftrag der Fahrer mit dem polnischen Spediteur. Sie habe auch versucht, mit polnischen Gewerkschaften Kontakt aufzunehmen. «Aber bis jetzt haben wir noch keine Antwort bekommen.» Für sie als Georgierin, die die Zukunft ihres Landes in Europa sehe, sei der Umgang mit den georgischen Fahrern enttäuschend. «Ich hoffe, diese Praxis hat keine Zukunft.»

Der Anwalt des polnischen Speditionsunternehmens hat unterdessen bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt Anzeige erstattet. In der Anzeige gehe es um die mutmaßliche Unterschlagung von 39 Lastwagen, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Eine Anzeige wegen unterbliebener Lohnzahlungen sei hingegen bisher nicht bekannt.

Bis jetzt haben die Fahrer weder Geld erhalten, noch hat der Arbeitgeber Dokumente vorgelegt, die Lohnabzüge untermauern können, die bislang völlig intransparent sind, sagt Anna Weirich, Beraterin von «Faire Mobilität». Sie verweist auf ein Gesetz mit dem sperrigen Namen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz. Dieses weist den Unternehmen die Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette zu – auch wenn diese dank zahlreicher Subunternehmen häufig sehr intransparent sei, so auch in diesem Fall. «Die Kunden sind multinationale, große Unternehmen», sagt Weirich, die auch diese Unternehmen in der Verantwortung für die Bezahlung der Fahrer sieht.

Die Fahrer in Gräfenhausen bekommen dank ihres Streiks gerade viel Aufmerksamkeit, doch ein Einzelfall sind sie nicht, betont Weirich. «Das ist grundsätzlich ein Problem der gesamten Branche. Egal, auf welchen Parkplatz sie fahren – die Fahrer der Lastwagen mit polnischen, litauischen oder rumänischen Kennzeichen erhalten den Mindestlohn dieser Länder.»

Und dieser Mindestlohn liegt deutlich unter dem deutschen Mindestlohn. Bereits Ende 2020 war Polen vor dem Europäischen Gerichtshof mit einer Klage gegen die Entsenderichtlinie gescheitert, deren Grundsatz «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort» lautet.

Doch die Realität sieht nicht nur in Gräfenhausen anders aus. «Keiner dieser Fahrer arbeitete je in Polen», betont Weirich. «Die werden mit Minibussen von der Basis in Polen hierher gebracht und fahren monatelang im Westen.» Dabei leben sie quasi durchgehend in ihren Fahrzeugen, viele der Fahrer haben ihre Familien seit Monaten nicht gesehen.

Polnischer Unternehmer reagiert nicht

Seinen Job als Fernfahrer hat sich Tornike jedenfalls anders vorgestellt: Arbeit in Westeuropa, gutes Geld verdienen, auf dem heimischen Dorf am Fuß des Kaukasus ein Haus bauen, ein gutes Leben haben, eine Familie gründen. Das sind ähnliche Träume, wie sie die meisten Fahrer auf der Raststätte schildern. Die Gespräche mit dem polnischen Speditionsunternehmer hatten sie so verstanden, dass er sich um Arbeitspapiere für Deutschland, Österreich, Italien oder andere Länder im Westen kümmern würde.

Auf Anfragen zu einer Stellungnahme hat der polnische Unternehmer nach wie vor nicht reagiert. Seit er am Karfreitag mit einer Sicherheitsfirma vergeblich versucht hatte, die Lastwagen in Besitz zu nehmen, hat er sich in Gräfenhausen auch nicht mehr blicken lassen. «Mit so einem Kommando zu kommen, das sind Mafia-Methoden. Da hat er sein wahres Gesicht gezeigt», sagt Atema. Die Polizei ermittelt inzwischen wegen des Vorfalls.

Gawron aus Usbekistan steht vor seinem Lastwagen und bemüht sich um eine Hotspot-Verbindung. Zu Hause in Samarkand sind seine Frau und seine Kinder, drei und sechs Jahre alt. «Ich habe sie seit drei Monaten nicht gesehen», sagt er traurig. «Vor allem der Kleine kann das nicht verstehen.» Er fühlt sich getäuscht vom polnischen Unternehmer. «Ich habe hart gearbeitet, ich habe nichts gegen harte Arbeit. Aber dafür will ich auch das Geld, das mir zusteht. Vertrag ist Vertrag!»

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Hamburger Hafen-Terminal: China warnt vor «Politisierung»

Peking (dpa) – Die chinesische Regierung hat die Debatte in Deutschland über den Einstieg seines Staatskonzerns Cosco bei einem Container-Terminal im Hamburger Hafen kritisiert. Außenamtssprecher Wang Wenbin sagte am Donnerstag in Peking: «Wir hoffen, dass die deutsche Seite davon absieht, die kommerzielle Kooperation zu politisieren und es zu etwas über Ideologie oder Sicherheit zu machen.» Auch solle davon abgesehen werden, Hürden für
eine solche Zusammenarbeit zu errichten.

Die Vor- und Nachteile des Einstiegs seien der deutschen Seite «sehr klar», sagte der Sprecher. China hoffe, dass es eine «objektive, rationale Betrachtung unserer praktischen Kooperation» gebe. Die deutsche Seite solle ein faires und «nicht diskriminierendes» Geschäftsumfeld für chinesische Firmen schaffen, sagte Wang Wenbin. Weiterlesen

Eifelstrecke: Zugverkehr bis Gerolstein rollt wieder

Kyllburg/Gerolstein (dpa/lrs) – Der Wiederaufbau der von der Flut im Sommer 2021 stark zerstörten Eifelstrecke kommt voran: Ab nächsten Montag (17. April) fahren auch auf dem 24 Kilometer langen Abschnitt zwischen Kyllburg und Gerolstein wieder Züge. «Heute ist ein guter Tag für das Land Rheinland-Pfalz und die Menschen in der Eifel», sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag bei einer «Premierenfahrt» ab Kyllburg anlässlich der Wiederinbetriebnahme des Abschnitts.

Spätestens im Spätherbst solle die Eifelstrecke komplett bis Köln wiederhergestellt sein, sagte sie. Und zwar einschließlich einer neuen elektronischen Stellwerkstechnik, denn die Deutsche Bahn plant die Elektrifizierung der gesamten Eifelstrecke bis Ende 2026. Dafür würden auch «in großen Umfang» Landesmittel mobilisiert, sagte Dreyer. Weiterlesen

Tod einer Radfahrerin: Keine Anklage gegen Klimaaktivisten

Berlin (dpa) – Der Tod einer Radfahrerin in Berlin nach einem Unfall mit einem Betonmischer hat für Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation keine strafrechtlichen Konsequenzen.

Das hat die Staatsanwaltschaft Berlin mitgeteilt. Zwar habe eine Protestaktion von zwei Mitgliedern der Klima-Protestgruppe am 31. Oktober 2022 auf der Stadtautobahn A100 zum Stau geführt und damit die Ankunft eines Spezialfahrzeug der Feuerwehr verzögert, das bei der Bergung der 44-Jährigen helfen sollte. Darauf sei es aber angesichts einer «notfallmedizinisch vollkommen korrekten» Entscheidung der Notärztin vorher nicht angekommen, hieß es. Weiterlesen

Arztmobil betreut streikende Lkw-Fahrern in Südhessen

Weiterstadt/Mainz (dpa) – Das Arztmobil des Mainzer Vereins «Armut und Gesundheit in Deutschland» hat die auf einer südhessischen Autobahn-Raststätte streikenden Lastwagenfahrern medizinisch betreut. Es seien am Mittwoch etwa Fahrer mit Bandscheiben-Problemen, Bluthochdruck oder Zahnerkrankungen gekommen, berichtete der Sozialmediziner Gerhard Trabert, Gründer des Vereins, nach der Aktion auf der Raststätte Gräfenhausen an der Autobahn 5 der Deutschen Presse-Agentur. Dort protestieren seit Tagen osteuropäische und zentralasiatische Lastwagenfahrer, die von ihrem polnischen Auftraggeber ausstehenden Lohn fordern. Unterstützt werden sie vom Beratungsnetzwerk Faire Mobilität und Gewerkschaftern. Weiterlesen

Junger Fahrer kracht in Lkw und wird schwer verletzt

Gau-Bickelheim (dpa/lrs) – Ein 22-Jähriger ist mit seinem Auto auf der Autobahn 61 bei Gau-Bickelheim (Landkreis Alzey-Worms) in einen vorausfahrenden Lastwagen gekracht und schwer verletzt worden. Der Wagen des jungen Mannes fing sofort Feuer, wie die Polizei am Donnerstagmorgen mitteilte. Ersthelfer befreiten den Mann demnach aus seinem brennenden Fahrzeug. Anschließend sei der Schwerverletzte in ein Krankenhaus gebracht worden. Weiterlesen

Zwei Autos kollidiert: Zwei Schwerverletzte

Brohl (dpa/lrs) – Beim Zusammenstoß zweier Autos sind zwei Menschen im Kreis Cochem-Zell schwer verletzt worden. Eine 19-jährige Fahranfängerin habe am frühen Mittwochabend auf der L108 zwischen Brohl und Treis-Karden aus bisher ungeklärter Ursache die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und sei mit einem entgegenkommenden Auto zusammengestoßen, teilte die Polizei am späten Abend mit. Beide Unfallbeteiligten wurden bei dem Zusammenprall schwer verletzt und in umliegende Krankenhäuser gebracht, hieß es weiter. Die L108 war aufgrund der Fahrzeugbergung für knapp zwei Stunden gesperrt. Die Ermittlungen dauern an.

Entenfamilie sorgt für kurzzeitige Sperrung von Autobahn

Rüsselsheim/Mainz (dpa) – Eine Entenfamilie hat am Mittwoch für eine kurzzeitige Sperrung der A67 bei Rüsselsheim gesorgt. Die Enteneltern wollten nach Angaben der Polizei mit ihren vier Küken die Autobahn im Bereich des Übergangs zur A60 in Richtung Mainz überqueren. Besorgte Autofahrer hätten das beobachtet und daraufhin die Ordnungshüter alarmiert. Die Autobahn sei für die Rettungsaktion für etwa 15 Minuten gesperrt gewesen.

Digitales Lkw-Buchungssystem für Brennerroute geplant

Kufstein (dpa) – Mit einem digitalen Verkehrsmanagementsystem für den Güterverkehr wollen Bayern, Tirol und Südtirol den Dauerstreit über die chronisch überlastete Brennerroute lösen. Konkret soll dies so aussehen, dass Lastwagen für die Route über den wichtigen Alpenpass verpflichtend bestimmte Zeitfenster (Slots) buchen müssen.

Am Mittwoch unterzeichneten der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher bei einem Treffen in Kufstein eine entsprechende gemeinsame Absichtserklärung. Rechtliche Grundlage soll am Ende eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen Italien, Österreich und Deutschland sein, die nun gemeinsam vorangetrieben werden soll. Weiterlesen

Festnahme nach Gullydeckel-Wurf

Hildesheim (dpa) – Nach dem Wurf von zwei Gullydeckeln von einer Autobahnbrücke sind zwei 19- und 21-jährige Männer aus dem Landkreis Hildesheim festgenommen worden. Der Tatverdacht gegen die Beschuldigten begründe sich unter anderem auf dem von ihnen genutzten Pkw, teilte die Staatsanwaltschaft Hildesheim mit. Dieser soll zur Tatzeit am Tatort und beim Diebstahl der Gullydeckel gesehen worden sein. Die Männer sollen dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Ermittlungen gegen einen 50-Jährigen aus Harsum wurden dagegen eingestellt. Weiterlesen

Hamburger Hafenterminal ist jetzt kritische Infrastruktur

Berlin/Hamburg (dpa) – Der geplante Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Hamburger Container-Terminal könnte noch einmal überprüft werden. Für das Terminal Tollerort (CTT) gebe es inzwischen eine Registrierung als kritische Infrastruktur, sagte eine Sprecherin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) am Mittwoch in Hamburg. Aus Sicht des Unternehmens bedeute die Registrierung jedoch keine wesentliche Änderung für die HHLA.

«Denn der HHLA Konzern ist bereits seit 2018 als kritische Infrastruktur eingestuft und hat sich entsprechend aufgestellt. Die damit einhergehenden Pflichten zur Sicherheit der IT-Infrastruktur erfüllt das Unternehmen bereits seitdem vollumfänglich», fügte die Sprecherin hinzu.

Zuvor hatte die «Süddeutsche Zeitung» nach einer gemeinsamen Recherche mit NDR und WDR berichtet, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe das Terminal Tollerort mittlerweile als kritische Infrastruktur und damit als besonders schützenswert eingestuft. Dies könne die chinesische Beteiligung noch einmal infrage stellen. Weiterlesen

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