Schwindende Hoffnung: Zahl der Erdbebenopfer steigt

Istanbul/Damaskus (dpa) – Vier Tage nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet entdecken Helfer noch immer Überlebende unter eingestürzten Häusern.

Trotz der eisigen Kälte in der Katastrophenregion hörten die Einsatzteams immer wieder die Laute Verschütteter, die verzweifelt auf Hilfe warteten, berichtete eine Reporterin des staatlichen Fernsehsenders TRT World am Morgen. «Wir machen weiter, bis wir sicher sind, dass es keine Überlebenden mehr gibt», zitierte sie einen Sprecher der Einsatzkräfte.

Und tatsächlich berichten türkischen Medien immer noch von «unglaublichen Überlebensgeschichten»: So wurde in der Provinz Kahramanmaras laut der Nachrichtenagentur Anadolu nach 89 Stunden die fünfjährige Mina lebend aus dem Schutt geborgen. In der Provinz Hatay schaffte es die zweijährige Fatima nach 88 Stunden unter Trümmern mithilfe ihrer Retter ins Freie. In Gaziantep fanden Helfer den 17-jährigen Adnan nach 94 Stunden lebend. Er sagte anschließend, er habe seinen Urin getrunken, um nicht zu verdursten. Weiterlesen

Forscherin: Istanbul droht großes Beben

Istanbul (dpa) – Für die Region Istanbul ist ein schweres Erdbeben in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten nach Experteneinschätzung sehr wahrscheinlich.

Zuletzt habe es dort 1766 ein großes Beben gegeben, seither baue sich zunehmend Spannung auf, sagte Heidrun Kopp vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel der Deutschen Presse-Agentur. Inzwischen gebe es an dieser Stelle der Nordanatolischen Verwerfungszone ein Bewegungsdefizit von bis zu vier Metern. «Das ist vergleichsweise viel.» Weiterlesen

Trauerbeflaggung für Erdbebenopfer

Mainz (dpa/lrs) – Wegen der verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) Trauerbeflaggung für alle öffentlichen Gebäude an diesem Freitag angeordnet. «Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen», sagte sie am Donnerstag. Auch in Rheinland-Pfalz lebten sehr viele Menschen, die Verwandte oder Freunde im Erdbebengebiet verloren hätten oder um sie bangten. Weiterlesen

Erdbebengebiete in Not: Hilfe kommt – aber wann?

Von Anne Pollmann, dpa

Antakya (dpa) – Lebensmittel, Decken, Maschinen, helfende Hände: Das alles müsste auf schnellstem Weg in die Erdbebenkatastrophengebiete in der Türkei und auch in Syrien. Aber auf den Straßen in Richtung der südtürkischen Stadt Antakya/Hatay staut sich der Verkehr. Aus dem ganzen Land machen sich Helfer auf den Weg in die Region. Im Stau in die schwer getroffene Stadt Antakya stehen vollbeladene Lastwagen aus der ganzen Türkei, Linienbusse aus dem Westen des Landes, die zu Helfertransportern umfunktioniert worden sind – und Leichenwagen.

In der Provinz Hatay stockt der Abtransport der Leichen Berichten zufolge. Viele Opfer liegen weiter unter den Trümmern. Menschen vor Ort warten auf Hilfe und Gerät. Rettungswagen versuchen, sich mit Sirenen durch den Stau zu drängeln.

Auch Yildirim Incekalan ist heute auf dem Weg nach Antakya. Der Mann aus dem oberbayerischen Moosburg hat sich dem deutschen Verein Navis e.V. angeschlossen. Ihm habe man gesagt, dass hier in der Gegend erst zwei Prozent der Häuser nach Verschütteten durchsucht worden seien, sagt er am Donnerstag.

Technische Hilfsmittel und Experten werden gebraucht, die die Leute rausholen aus den Trümmern. Das will der Navis-Verein leisten und außerdem medizinische Versorgung und sauberes Trinkwasser bringen.

Auf das Erkundungsteam soll am Freitag eine 14-köpfige Truppe mit 10 Tonnen Ausstattung im Gepäck anreisen – darunter Ärzte, medizinisches Personal, Apotheker, Techniker, Feuerwehrleute.

Helfer: Ausmaße nicht mit Worten zu fassen

Werner Hammerschmidt ist Notsanitäter und hat schon in vielen Erdbebengebieten Hilfe geleistet. «Die Ausmaße in der Türkei sind so groß, dass auch wir als Profis das nicht mit Worten fassen können», sagt der Ehrenamtliche.

Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay sagte, mehr als 100.000 offizielle Helfer seien im Einsatz, hinzu kommen Tausende ehrenamtliche. Aus Dutzenden Ländern sind Helfer ins Land eingeflogen. Suchhunde aus dem Ausland werden eingeflogen, um Menschen in den Trümmern zu finden.

Geteilte Meinungen bei der Erdbebenvorsorge

Dass ein anderer Staat besser auf eine derartige Katastrophe in einem Gebiet – flächenmäßig größer als Deutschland und mit etwa 13,5 Millionen Einwohnern – vorbereitet sein könne, sei unvorstellbar, meinen die einen. Die Regierung habe nicht genügend getan, meinen die anderen. In der Frage, um was es jetzt gehen müsse, sind sich jedoch alle einig: Retten was geht.

In die Türkei gelangen immerhin einige Transporte. In Syrien aber kommt kaum Hilfe an. Im Nordwesten des Bürgerkriegslandes bleibt die Rettung von Menschen auch drei Tage nach der Erdbebenkatastrophe wegen des Mangels an Ausrüstung eine Herausforderung.

Weißhelme: «Es fehlt uns am Wesentlichen»

«Es fehlt uns am Wesentlichen. Wir brauchen große Kräne, um Trümmer und große Brocken zu beseitigen. Wir brauchen schwere Ausrüstung, um mit dieser Tragödie umzugehen», sagt Munir Mustafa, stellvertretender Leiter der Rettungsorganisation Weißhelme.

«Wir nutzen unsere Hände und Schaufeln, um die Trümmer zu beseitigen. Einige von uns haben in den letzten 70 Stunden nicht mehr als sechs Stunden geschlafen», sagte Ubadah Sikra, der die Rettungseinsätze bei den Weißhelmen koordiniert und inzwischen selbst mit anpackt. «Einige Freiwillige weigern sich, eine Pause zu machen, weil sie versuchen wollen, mehr Leben zu retten.» Einige der Freiwilligen ziehen auch Freunde und Angehörige aus den Trümmern.

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Ein Land im Schock – Bangen und Flehen in der Türkei

Von Anne Pollmann, dpa

Kayseri (dpa) – Es gibt sie, die Geschichten von Rettungen nach etlichen Stunden unter Trümmern nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien. Eine davon ist die von Serap Ela. Die mit einem Schlafanzug bekleidete Fünfjährige wird von Helfern in Hatay aus den Trümmern gezogen, wie Videos von vor Ort zeigen.

Doch für andere kommt jede Hilfe zu spät, für Tausende. Etliche Menschen in der Katastrophenregion warten seit Tagen auf Hilfe. Viele wissen genau, wo ihre Angehörigen, Freunde oder Nachbarn in den Trümmern vergraben sind, können teilweise sogar mit ihnen telefonieren oder ihre Stimmen hören.

Auf Twitter wird millionenfach der Hashtag #SESVAR geteilt (gemeint ist: «Wir hören Stimmen»). Menschen teilen Standorte und flehen um Hilfe. Doch ohne das nötige technische Gerät hilft das alles nichts.

Große Hilfsbereitschaft im ganzen Land

Auf dem Weg in die zerstörten Gebiete sieht man derweil Helfer auf den Rastplätzen, häufig mit voll beladenen Autos. Einer sagt, er habe sich aus Ankara auf den Weg gemacht. Er packt Windeln in seinen Transporter, der bereits bis unters Dach voll gepackt ist. Auf den Straßen sind etliche Lkw unterwegs, oft mit Schildern, auf denen steht: «In Solidarität mit den Erdbebengebieten».

Betroffene klagen unterdessen über fehlende oder nur schleppende Hilfe bei der Bergung Verschütteter. Der türkische Oppositionsführer warf Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich Versagen vor. «Wenn jemand hauptverantwortlich für diesen Verlauf ist, dann ist es Erdogan», sagte Kemal Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP. Erdogan habe es versäumt, das Land in seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten.

Vielerorts wird unter anderem Pfusch am Bau als ein Grund für die vielen eingestürzten Häuser diskutiert. An der türkischen Börse stiegen besonders die Aktien von Zementunternehmen, Tausende Häuser müssen ersetzt werden.

Erdogan reiste in die Erdbebengebiete im Südosten des Landes. Er sei in der Provinz Kahramanmaras und auf dem Weg zu einer für die Erdbebenopfer errichteten Zeltstadt, teilte das Präsidialamt am Mittwochmittag mit. Erdogan wollte auch die Provinz Hatay besuchen. Beide Gebiete sind stark von den Beben getroffen, die Zentren vieler Städte sind massiv zerstört.

Massive Schäden an der Infrastruktur

Jesco Weickert von der Welthungerhilfe hat das Erdbeben im türkischen Gaziantep erlebt. Ihm und seinem Team stecke die Erfahrung noch in den Knochen. Auch wenn Gaziantep nicht so stark wie andere Regionen betroffen sei, sei an Alltag derzeit kaum zu denken. Viele der Kollegen seien schockiert, schliefen in Autos und trauten sich nicht mehr in ihre Häuser. Der Strom falle immer wieder aus und Gas gebe es nicht.

«Der Schaden an der Infrastruktur ist auch hier massiv. Ich weiß nicht, wie lang es dauern wird, bis man das alles wieder instand setzt», so Weickert. Die Leute seien fertig, wollten aber doch alle helfen, wo es nötig sei.

Die Regierung bezeichnete die Beben als eine der schlimmsten Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte und kündigte an, alle verfügbaren Mittel zu mobilisieren. Mindestens 7000 Menschen wurden allein in der Türkei getötet, es gibt offiziell mehr als 40 000 Verletzte. Es werden Hunderte, wenn nicht Tausende weitere unter den Trümmern vermutet. 2270 Tote wurden aus Syrien gemeldet.

Auch die beiden Deutschen Bernd Horch und Peter Laake haben das Beben in Gaziantep miterlebt. «Es hat erst mal gedauert, bis ich verstanden habe, was gerade passiert», erzählt Horch. «Man denkt, man träumt. Das war schlimm. Und irgendwann realisiert man: Das war ein richtig dickes Ding.»

Die beiden Kollegen haben das Erdbeben unbeschadet überstanden und sich nun in einem Hotel in der Stadt Kayseri in Sicherheit gebracht, etwa 250 Kilometer vom Epizentrum des ersten Bebens entfernt.

Sie waren beruflich in Gaziantep und während des Bebens in einem Hotel untergebracht. Laake hätte eigentlich bis Mitte März in der Türkei bleiben sollen. Das ist nun erst einmal abgesagt. Beide warten nun auf ihre Heimreise nach Deutschland.

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THW-Helferteam nach Erdbeben in Türkei gelandet

Mainz/Gaziantep (dpa) – Nach den schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind 50 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) am Mittwoch zum Hilfseinsatz in Gaziantep im Südosten der Türkei eingetroffen. Ihre Aufgabe sei es, verschüttete Menschen zu orten, zu retten und erstzuversorgen, sagte der Sprecher des THW-Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Michael Walsdorf, am Mittwoch in Mainz. Nach der Landung am Morgen würden sie zunächst Fahrzeuge beladen und dann in ihr Einsatzgebiet fahren. Weiterlesen

Erdbeben: So funktionieren Frühwarnsysteme

Berlin/Triest (dpa) – Ein Erdbeben konkret vorherzusagen, das ist wissenschaftlich noch nicht möglich. Allerdings gibt es komplexe Frühwarnsysteme, die Erschütterungen schnell erkennen können, wie der Forschungsbereich Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft erklärt.

Regionale Systeme sind in den Gebieten installiert, in denen Erdbeben zu erwarten sind. Dort erfasst ein seismisches Beobachtungsnetzwerk starke Erschütterungen im Boden. Bei einem Erdbeben entstehen verschiedene Arten seismischer Wellen, darunter eine Kompressionswelle (P-Welle) mit relativ geringer Schwingung und die zerstörerische Scherwelle (S-Welle). Zwischen ihnen liegen nah am Epizentrum wenige Sekunden. «Je weiter man davon entfernt ist, desto mehr Zeit bleibt für einen Alarm. Ist man nah am Epizentrum, ist die S-Welle schon vor diesem angekommen», sagt Professor Stefano Parolai von der Universität Triest. Weiterlesen

«Katastrophal und grausam»: Arzt hält Kontakt mit Nordsyrien

Mainz (dpa) – Die Situation im Erdbebengebiet in Nordsyrien ist nach Berichten von Ärzten «katastrophal und grausam». In Idlib und Umgebung fehle es an schweren Maschinen zur Rettung von Verschütteten ebenso wie an Hilfsmaterial, sagte am Dienstag der Mainzer Arzt Gerhard Trabert, der mit Ärzten in Nordsyrien in Verbindung steht. «Die Lage in Idlib ist furchtbar, es sind so viele Menschen verschüttet.» Weiterlesen

Verheerende Erdbeben in Türkei und Syrien

Von Mirjam Schmitt, Johannes Sadek, Weedah Hamzah und Nehal El-Sherif, dpa

Istanbul/Damaskus (dpa) – Die Nacht liegt noch über der Südtürkei und Nordsyrien, als die Erde bebt. Plötzlich wackeln Wände, Asphalt reißt auf, Häuser stürzen ein. Zu spüren sind die Erschütterungen der Erdbeben in Israel, dem Libanon, auf Zypern und im Irak. Noch in der Dunkelheit versuchen Retter in beiden Ländern, Menschen aus den Trümmern zu ziehen. Am Morgen nach der Katastrophe zählen Behörden und Hilfsorganisationen auf beiden Seiten der türkisch-syrischen Grenze insgesamt etwa 1900 Tote und Tausende Verletzte.

Im Morgengrauen, als Regen, Schnee und kalter Wind über die Region ziehen, wird das Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Geologische Institute verzeichnen eine Erdbebenstärke von 7,7. Das Epizentrum lag nach Angaben der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze – mit Dutzenden Nachbeben. Im Lauf des Tages erschüttert ein weiteres Beben der Stärke 7,5 die Südosttürkei. Allein in der Türkei zählen Behörden mehr als 1100 Tote, Tendenz steigend.

Im Südosten der Türkei sind zehn verschiedene Provinzen betroffen. Aus diesen Regionen kommen Meldungen von Toten, Verschütteten, aber auch Geretteten. Der Sender NTV zeigt, wie ein Mädchen aus den Trümmern geborgen und in Decken eingewickelt weggebracht wird.

Wie ein Kartenhaus zusammengefallen

Mehr als 2000 Überlebende bergen die Retter nach offiziellen Angaben aus den Trümmern. In der Provinz Sanliurfa stürzte ein sechsstöckiges Gebäude wie ein Kartenhaus zusammen, wie Videos zeigen. Die Behörden warnen Menschen davor, in ihre Häuser zurückzugehen. Draußen ist es bitterkalt, in der Provinz Malatya schneit es heftig.

Eine Augenzeugin in Hatay sagt der dpa, seit dem Beben sitze sie im Auto. «Es ist kalt und wir wissen nicht, wie wir das durchstehen sollen.» Gefühlt die Hälfte der Stadt liege in Trümmern, das Krankenhaus sei voller Verletzter, darunter Kinder. Am frühen Nachmittag seien noch keine Helfer vor Ort gewesen.

Panische Szenen spielen sich nachts auch am Flughafen von Gaziantep ab. Ein Video zeigt, wie Reisende mit Taschen unter Sirenengeklingel aus einer Halle zum Ausgang rennen, Ältere trippeln hinterher. Der Flughafen im südtürkischen Hatay wird teilweise zerstört: Der Asphalt der Landebahn hat sich durch den Druck des Bebens zusammengeschoben und ist aufgeplatzt, wie Bilder zeigen. Flugzeuge werden hier vorerst nicht mehr starten oder landen.

Ersten Schätzungen zufolge sind in der Türkei mindestens 2000 Gebäude eingestürzt, darunter auch ein Krankenhaus in Iskenderun. Das Gemäuer einer historischen Burg in Gaziantep, gebaut von den Römern im 2. Jahrhundert nach Christus, ist zu einem grauen Trümmerberg zusammengefallen wie eine Sandburg am Strand.

So schlimm wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Haluk Özener, Experte der Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul, spricht vom stärksten Erdbeben in der Türkei seit Jahrzehnten. 1999 kamen bei einem Beben in der Nähe der türkischen Metropole Istanbul mehr als 17.000 Menschen ums Leben.

Auf dem Gebiet der Türkei treffen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Für die Mehrheit der türkischen Bevölkerung herrscht faktisch ständig Gefahr.

Amna, die auf der anderen Seite der Grenze mit ihrer Familie nahe Aleppo in Syrien lebt, kam mit mehreren Knochenbrüchen ins Krankenhaus. «Unser Haus stürzte über unseren Köpfen zusammen. Wir konnten nirgendwo hin», berichtet sie der dpa mit schwacher Stimme am Telefon. «Mein Mann und einige meiner Kinder sind noch unter den Trümmern. Gott helfe mir.»

Auch aus Aleppo gibt es ein Video, in dem mehrere Häuser offenbar bei einem Nachbeben einstürzen. Kinder und Erwachsene laufen schreiend davon, während hinter ihnen Staub über verregneter Straße aufsteigt.

Syrien ist nach bald zwölf Jahren Bürgerkrieg vielerorts zerstört, die Bevölkerung zermürbt. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist die gesundheitliche Versorgung schlecht. In den von Rebellen beherrschten Gegenden bemühen sich Hilfsorganisationen wie SAMS, eine ärztliche Grundversorgung sicherzustellen. Die Folgen dieser Katastrophe können sie aber unmöglich stemmen. Es fehlt an Betten, Medikamenten und Personal. Viele Ärzte und Fachleute sind nach Jahren des Kriegs geflüchtet.

Hunderte Familien könnten noch verschüttet sein

Rami Abdel-Rahman, dessen Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte den Konflikt mit Hilfe von Aktivisten seit 2011 verfolgt, spricht von Hunderten noch verschütteten Familien im Norden Syriens. «Die Retter sind sehr wenige, um den Anforderungen dieser Katastrophe gerecht zu werden», sagt er der dpa. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums sagt, es sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Teils sind ganze Häuserreihen in sich zusammengefallen, deren Fundamente nach einem Jahrzehnt Krieg und Luftangriffen in Mitleidenschaft gezogen waren.

Alle relevanten Einheiten seien in der Türkei in Alarmbereitschaft, schreibt der türkische Präsident Erdogan bei Twitter. In Syrien ruft Präsident Baschar al-Assad sein Kabinett zur Dringlichkeitssitzung zusammen, um die Hilfe zu koordinieren. Dass humanitäre Hilfe für die Menschen in den Rebellengebieten im Nordwesten nur noch über den letzten Grenzübergang Bab al-Hawa kommt, nämlich aus der Türkei, erschwert die Lage deutlich. Denn die türkische Seite dieses Nadelöhrs ist jetzt selbst von der Katastrophe betroffen. Unterdessen kündigt das EU-Zentrum für Katastrophenhilfe Unterstützung an, Hilfsangebote kommen auch aus Israel, Ägypten und Saudi-Arabien.

Besonders hart trifft die Katastrophe auch die syrischen Flüchtlinge, die im Süden der Türkei teils in notdürftigen Unterkünften wie verlassenen Häusern leben. «Ich dachte, dass die ganze Stadt zusammenstürzt», berichtet Rami Araban von der Hilfsorganisation CARE Deutschland aus Gaziantep, wo rund eine halbe Million syrischer Flüchtlinge lebt. «Es gibt kein Wasser und wir stehen bei Minusgraden im Schnee draußen. Die Menschen weinen. Alle haben Angst.»

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Warum es in der Türkei immer wieder zu schweren Beben kommt

Berlin/Istanbul (dpa) – Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Das Land liegt auf der kleinen Anatolischen Platte, die zwischen der nordwärts driftenden Arabischen Platte und der eurasischen Platte nach Westen verschoben wird. Die entstehenden Spannungen entladen sich regelmäßig in Beben. Eine Auswahl der schwersten in der Region:

Oktober 2020: Bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 kommen in der westtürkischen Stadt Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Auf der benachbarten griechischen Insel Samos sterben zwei Jugendliche. Mehr als 1000 Menschen werden verletzt und viele Häuser zerstört. Weiterlesen

Erdbeben in der Türkei und Syrien – schon mehr als 600 Tote

Istanbul/Damaskus/Berlin (dpa) – Häuser stürzen ein und begraben ihre Bewohner unter sich, bei eisigen Temperaturen suchen Retter nach Überlebenden – ein verheerendes Erdbeben hat in der Türkei und in Syrien mehr als 600 Menschen das Leben gekostet. Es gab eine große Zahl von Nachbeben. Das Beben der Stärke 7,4 hat am frühen Montagmorgen die Südosttürkei erschüttert. Das Epizentrum lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Ein weiteres Beben der Stärke 6,6 sei kurz danach in der Provinz Gaziantep gemessen worden.

In der Türkei wurden am Morgen laut Vizepräsident Fuat Oktay mindestens 284 Opfer gezählt. Mehr als 2000 Menschen seien verletzt worden. Für Syrien nannte der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh im Staatsfernsehen 230 Tote und mehr als 600 Verletzte in mehreren Provinzen. Die Hilfsorganisation SAMS, die in von Rebellen kontrollierten Gegenden in Syrien arbeitet, meldete mehr als 100 weitere Tote.

In Syrien stürzten der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge in zahlreichen Städten Gebäude ein. Rettungsteams versuchten in der Nacht und im Morgengrauen, Menschen aus den Trümmern zu ziehen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums Raed Ahmed sagte laut Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Präsident Baschar al-Assad rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Videos zeigten Trümmerberge unter anderem aus der Provinz Idlib, teils kollabierten ganze Häuserreihen. Weiterlesen

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