2G, Lockdown, Impfpflicht? Was ist rechtlich haltbar?

Fragen & Antworten
Von Anja Semmelroch, dpa 

Karlsruhe (dpa) – Die dramatisch steigenden Corona-Zahlen zwingen die Politik zum Handeln, mal wieder. Und wieder ist da die große Frage: Welche Maßnahme hält vor den Gerichten stand, welche nicht?  Ein Überblick über den Stand der Dinge aus rechtlicher Sicht.

Warum gibt es immer noch so viel Unsicherheit?

Nach fast zwei Jahren Pandemie gibt es inzwischen zwar viele Gerichtsentscheidungen. Dabei handelt es sich aber fast immer um Eilentscheidungen, bei denen die Richterinnen und Richter nur kursorisch prüfen: Wie schlimm wäre es, wenn wir die Maßnahme jetzt fälschlicherweise kippen? Und was bedeutet es für den Kläger, wenn sie – möglicherweise unrechtmäßig – noch eine Weile in Kraft bleibt? Das Bundesverfassungsgericht hat auf diese Weise ganz zu Beginn der Pandemie dafür gesorgt, dass Demonstrieren wieder möglich war und auch Gottesdienste unter Auflagen stattfinden konnten. Zu vielen wichtigen Fragen gibt es aber noch keine abschließende Entscheidung. Weiterlesen

Corona-Schutz am Arbeitsplatz in unterschiedlichen Ländern

Berlin (dpa) – Die möglichen Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP planen eine 3G-Regel am Arbeitsplatz. Das würde bedeuten, dass Beschäftigte nachweisen müssen, dass sie entweder geimpft, genesen oder negativ auf das Coronavirus getestet sind.

Damit wollen die «Ampel»-Parteien in Betrieben den Schutz vor Ansteckung erhöhen. Etliche Fragen sind aber noch ungeklärt. In anderen europäischen Ländern gelten bisher diese Schutz-Regeln für den Arbeitsplatz:  Weiterlesen

EuGH-Urteil zu Polen: Eine Million Euro Zwangsgeld pro Tag

Streit um Justizreform
Von Ansgar Haase und Doris Heimann, dpa

Luxemburg (dpa) – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt.

Grund für den Schritt ist nach einer Gerichtsmitteilung vom Mittwoch die bisherige Weigerung des Landes, höchstrichterliche Entscheidungen zu umstrittenen Justizreformen umzusetzen.

Konkret geht es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der umstrittenen Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist nach EuGH-Entscheidungen nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.

Die Einhaltung der Anordnung vom 14. Juli sei erforderlich, um einen «schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden» von der Rechtsordnung und den Werten der EU abzuwenden, ließ der Vizepräsident des Gerichtshofs am Mittwoch mitteilen. Das Zwangsgeld solle bewirken, dass Polen die Einhaltung nicht hinauszögere.

Empörung in Warschau

Ob die Maßnahmen wirklich ihren Zweck erfüllen, ist allerdings zweifelhaft. Die Regierung in Warschau reagierte empört auf die EuGH-Entscheidung und verurteilte sie als «Erpressung». «Der EuGH verachtet und ignoriert die polnische Verfassung und die Urteile des Verfassungsgerichts komplett», kommentierte Vize-Justizminister Sebastian Kaleta. «Das ist eine weitere Etappe der Operation, die Polen den Einfluss auf seine Staatsform wegnehmen soll. Das ist Usurpation und Erpressung»

Der Fraktionschef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Ryszard Terlecki, sagte auf die Frage, ob Polen nun täglich zahlenwerde: «Wir haben noch nichts gezahlt, also keine Panik»

Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte bereits Anfang der Woche in einem Interview der «Financial Times» gewarnt, sein Land werde nicht «mit der Pistole am Kopf» über seine Justizreformen verhandeln. Der für die Verfahren gegen Polen zuständigen EU-Kommission warf er sogar vor, einen «Dritten Weltkrieg» gegen sein Land zu erwägen. «Wenn sie den Dritten Weltkrieg beginnen, werden wir unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen», sagte er.

Milliardenschwere Hilfen werden blockiert 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor deutlich gemacht, dass sie milliardenschwere Corona-Hilfen für Polen so lange blockieren will, bis das Land entscheidende Justizreformen rückgängig gemacht hat. Hintergrund dieser Ankündigung war ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind.

Diese Entscheidung wird von der EU-Kommission als höchst problematisch angesehen, weil sie der polnischen Regierung einen Vorwand geben könnte, ihr unliebsame Urteile des EuGH zu ignorieren. Bei Finanzangelegenheiten sitzt die EU-Kommission allerdings am längeren Hebel. So ist Polen der größter Netto-Empfänger. Aus dem regulären EU-Haushalt erhielt das Land allein im vergangenen Jahr netto rund 12,4 Milliarden Euro. Zudem rechnet es in den kommenden Jahren mit rund 23,9 Milliarden Euro Corona-Hilfen.

Die jetzt verfügten Strafzahlungen könnte die EU-Kommission theoretisch einfach mit Auszahlungen verrechnen. Sie ist nämlich nicht nur für die Überwachung der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch für die EU-Haushaltsführung verantwortlich.

Die jetzt vom EuGH erlassenen Finanzsanktionen waren von der Brüsseler Behörde am 9. September beantragt worden. «Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein», hatte von der Leyen damals kritisiert.

Disziplinarkammer verstößt laut EuGH gegen EU-Recht

Zuvor hatte der EuGH Mitte Juli entschieden, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Zudem wurde das Land mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richter betreffen.

Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Die Kammer arbeitete aber weiter alte Fälle ab. Zuletzt hob sie am Mittwoch die Immunität eines ehemaligen Staatsanwalts auf, gegen den wegen möglicher Verstöße in kommunistischer Zeit ermittelt wird.

Die Kammer galt bislang als das Herzstück der von der PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.

Bereits am 20. September war Polen wegen des Braunkohle-Abbaus Turow an der Grenze zu Sachsen vom EuGH zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es damals in einer Anordnung der EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500.000 Euro Strafe in den EU-Haushalt zahlen.

 

 

 

BGH verkündet Urteil zur Sanierung von Schrottimmobilien

Karlsruhe (dpa) – Für Immobilienbesitzer lohnt sich an diesem Freitag ein Blick nach Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) will ein Urteil zur Sanierung von Schrottimmobilien durch eine Eigentümergemeinschaft verkünden.

Laut Gesetz entfällt die Sanierungspflicht, wenn ein Gebäude «zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört» ist. Bei der Verhandlung im September hatte die Vorsitzende Richterin des fünften Zivilsenats, Christina Stresemann, allerdings gesagt, damit dürften nur echte Zerstörungen durch Feuer oder Überflutung gemeint sein – und kein Verfall. Selbst eine völlig heruntergekommene Immobilie muss demnach aller Voraussicht nach von der Eigentümergemeinschaft saniert werden, wenn sonst die weitere Nutzung unmöglich wäre. Auch eine mögliche wirtschaftliche Überforderung einzelner Eigentümer könne nicht dazu führen, dass eine Sanierung ausbleibe, sagte Stresemann. Weiterlesen

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