Ohne Seltene Erden kann die Energiewende stocken

Von Ulrike von Leszczynski, dpa

Berlin (dpa) – Seltene Erden sind für die Industrie wie Gewürze beim Kochen. Ohne sie gelingen Rezepte für die Energiewende schlechter. Denn die Metalle stecken zum Beispiel in wichtigen Bauteilen für Windräder und Elektroautos. Seltene Erden zu gewinnen war bisher jedoch oft ein schmutziges Geschäft auf Kosten der Umwelt. Noch immer beherrscht China den Weltmarkt und sitzt bei Exporten und Preisen am langen Hebel. Was muss passieren, damit sich das ändert?

Was sind Seltene Erden?

Es sind silberfarbene und relativ weiche Metalle, die auf der Erde nicht in Reinform vorkommen. Sie müssen in mehrstufigen Verfahren aufwendig aus abgebauten Erzen gewonnen werden. Die Endprodukte heißen Seltenerd-Oxid und Seltenerd-Metall. Seltene Erden bestehen aus den chemischen Elementen der dritten Gruppe des Periodensystems: Scandium, Yttrium und Lanthan. Zur Gruppe gehören auch die 14 auf das Lanthan folgenden Elemente, die Lanthanide: Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium.

Von den geschätzt bis zu 200 Mineralien mit Seltenen Erden werden bisher nur wenige abgebaut. Entscheidend für eine Wirtschaftlichkeit ist die Konzentration der Metalle in den Erzen. Gern werden sie zusammen mit anderen verwertbaren Stoffen abgebaut – zum Beispiel Phosphor.

Warum sind Seltene Erden wichtig?

Jüngst hat die Energiewende Seltene Erden verstärkt ins Gespräch gebracht. Denn die Metalle sind zum Beispiel Bestandteile beim Bau von leistungsfähigen Windrad-Turbinen, Elektromotoren und Energiesparlampen. Sie stecken aber auch in Festplatten, Flachbild-Fernsehern, Lasern und Glasfaserkabeln. In der Medizin spielen sie bei Röntgentechnik und Kernspintomographie eine Rolle. Nicht zuletzt braucht sie auch die Rüstungsindustrie.

Wo kommen Seltene Erden vor?

Selten sind die Metalle auf der Erde nicht, manche kommen sogar häufiger vor als Kupfer oder Blei. Rar sind jedoch große Erzlagerstätten mit einer ausreichend hohen Konzentration. Die größten Förderer sind nach Angaben des jüngsten US Geological Survey für 2022 Marktführer China (210.000 Tonnen), gefolgt von den USA (43.000 Tonnen) und Australien (18.000 Tonnen). Weitere Minen gibt es unter anderem in Russland, Thailand, Myanmar, Indien, Vietnam, Madagaskar, Brasilien und Kanada. Vermutet werden rentable Lagerstätten in Grönland – in Gebieten, in denen das Eis schmilzt.

Gibt es Vorkommen in der EU?

Im Januar meldete Schweden einen größeren geeigneten Erzfund in der Bergbauregion Kiruna im Norden des Landes. Genehmigungsverfahren und Prüfungen könnten aber noch 10 bis 15 Jahren dauern, heißt es vom staatlichen Minen-Betreiber. Die Menge von mehr als einer Million Tonnen an Seltenerd-Oxiden werde nach Schätzungen ausreichen, um einen Großteil der künftigen EU-Nachfrage für die Herstellung von Dauermagneten für Elektromotoren und Windkraftanlagen zu decken.

In Deutschland sind Vorkommen in Sachsen bekannt. Die Delitzsch-Storkwitzer Lagerstättenregion wird seit rund zehn Jahren wissenschaftlich erforscht. Die Konzentration der Metalle im Erz gilt aber bislang als zu gering, um für eine Förderung rentabel zu sein.

Noch im ersten Quartal 2023 will die EU-Kommission eine Initiative beschließen mit dem Ziel, die Versorgung der EU mit kritischen Rohstoffen zu verbessern, die für umweltfreundliche Techniken nötig sind.

Warum kann ein Abbau in der EU sinnvoll sein?

Die Europäische Kommission zählt Seltene Erden zu den Rohstoffen mit dem höchsten Versorgungsrisiko. Der weltweite Bedarf wird Schätzungen zufolge von 131.500 Tonnen im Jahr 2020 auf 188.300 Tonnen im Jahr 2030 steigen – allein schon, um Klimaziele mit Hilfe von Windkraft und Elektroautos zu erreichen. Nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommen 94 Prozent der EU-Importe von Seltenen Erden aus politisch kritischen Ländern, allen voran China. Die Volksrepublik hat bei Abbau und Weiterverarbeitung den Weltmarkt in der Hand. Die USA, die eine Gewinnung zwischenzeitlich aufgaben, sind auch wegen des China-Monolpols inzwischen wieder selbst ins Geschäft eingestiegen. Australien plant, seine Förderung stark auszubauen.

Was sind Risiken bei der Gewinnung?

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften listet mögliche Gefahren bei der stufenweisen Gewinnung und Aufbereitung Seltener Erden auf. Dazu zählen beim Abbau unter anderem giftige Staubentwicklung und radioaktiv belastete Rückstände, weil auch die chemischen Elemente Uran und Thorium im abgebauten Erz vorkommen können. Bei der Weiterverarbeitung könnten schwefelhaltige Abgase sowie radioaktive und schwermetallhaltige Rückstände entstehen. Durch die Raffinade gebe es hohe direkte Treibhausgas-Emissionen. Außerdem sei während des gesamten Prozesses viel Wasser und Strom nötig. Es gebe ein «gewisses Gefährdungspotential», schreibt Urs Peuker von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. «Und das möchte man nicht unbedingt im Land haben.»

Welche Umweltschäden gab es schon?

Sie waren bei mangelnden Umweltauflagen immens. Denn lange wurde der schmutzige Teil bei Gewinnung oder Verarbeitung Seltener Erden Ländern mit geringeren Umweltstandards überlassen, zum Beispiel China. In der Nähe der größten Mine Bayan Obo in der Inneren Mongolei, kam es nach einer Studie des Umweltbundesamts (UBA) in der Bevölkerung vermehrt zu Lungenkrebs. Durch mangelnde Vorkehrungen seien giftige Stoffe auch in die Flüsse, das Grundwasser und den Boden gelangt.

In der US-Mine Mountain Pass in Kalifornien führten nach einem UBA-Bericht Lecks in Pipelines, Versickerung sowie unzureichende Abdichtungen der Absetzteiche bis in die 1990er Jahre zu einer Versalzung sowie einer toxischen und radioaktiven Belastung des Grundwassers in der dünn besiedelten Region. Seitdem seien mehr als 20 Millionen US-Dollar in Sanierung und Modernisierung des Bergbau-Reviers geflossen. Ein Raubbau an der Natur lässt sich beim Tagebau kaum vermeiden: Alle Minen ähneln Mondlandschaften.

Was ist nötig für eine umwelt- und sozialverträgliche Nutzung?

Beim Import Seltener Erden sollte der Umweltschutz aus Sicht von Geowissenschaftlern eine wichtige Rolle spielen – bezogen auf die Förderung als auch die Weiterverarbeitung der Erze. Eine Möglichkeit sind Zertifizierungen, die auch illegalen Abbau eindämmen könnten. Neue umweltverträgliche Anlagen kosten viel Geld und sind wahrscheinlich nur mit staatlicher Unterstützung möglich. In Australien kommen Schätzungen zufolge bis zu 550 Millionen US-Dollar für eine umweltgerechte zweistufige Aufbereitungsanlage zusammen.

Was sollen Politik und Wirtschaft tun?

Das DIW empfiehlt unter anderem, politisch weniger bedenklichen Abbau-Staaten wie Indien oder Brasilien bei einer umweltgerechten Förderung zu helfen und Handelshemmnisse abzubauen. Es sei auch sinnvoll, Nachfragen aus der EU zu bündeln. Des Weiteren seien Mindestreserven in der EU eine Überlegung wert. Langfristig könnte auch ein verbessertes Recycling greifen. Trotz des Aufwands bei der Produktion Seltener Erden sind sie laut Bundesanstalt für Geowissenschaften unersetzlich. Da die Metalle zum großen Teil in Offshore-Windkraftanlagen und Elektromotoren zum Einsatz kämen, überwiege auf den gesamten Lebenszyklus gesehen ihr positiver Beitrag zur Energiewende.

Weiterlesen

Lithium-Gewinnung: Plan für Demonstrationsanlage genehmigt

Mainz/Karlsruhe (dpa) – Das Landesamt für Geologie und Bergbau hat den Hauptbetriebsplan für eine Demonstrationsanlage zur Lithium-Gewinnung in Landau genehmigt. Das teilte die Behörde in Mainz der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Der Antrag wurde von der Firma Vulcan Energie Ressourcen eingereicht. «Mit dieser Zulassung kann die Unternehmerin die Lithiumextraktion in einer Demonstrationsanlage erproben», hieß es. Nach Angaben des Karlsruher Unternehmens laufen die Arbeiten vor Ort. Weiterlesen

Stellantis: Opel-Werk mit Energie aus Geothermie betreiben

Rüsselsheim/Karlsruhe (dpa) – Der Autokonzern Stellantis will sein Opel-Stammwerk in Rüsselsheim mit klimafreundlicher Energie aus Geothermie versorgen. Zu diesem Zweck wurde ein Eckpunktepapier mit dem Karlsruher Rohstoffunternehmen Vulcan Energy Resources vereinbart, wie beide Seiten am Dienstag mitteilten.

Vulcan plant, an mehreren Stellen im Oberrheingraben aus gefördertem heißem Thermalwasser hochwertiges Lithiumhydroxid zu gewinnen, das für den Bau von Batterien für Elektrofahrzeuge benötigt wird. Dabei kann auch Strom und Wärme produziert werden. Stellantis ist seit dem vergangenen Sommer zweitgrößter Anteilseigner beim deutschen Ableger der australischen Vulcan-Gruppe und zudem ein großer Lithium-Kunde. Nach Volkswagen ist Stellantis mit Marken wie Peugeot und Fiat der zweitgrößte Autobauer Europas. Weiterlesen

Autobauer Stellantis investiert in Lithium-Förderer Vulcan

Karlsruhe/Hoofddorp (dpa) – Der niederländische Autobauer Stellantis steigt mit 50 Millionen Euro beim Karlsruher Lithium-Förderer Vulcan Energie Ressourcen ein und wird damit zweitgrößter Anteilseigner. Mit der Finanzierung soll die geplante Produktionserweiterung im Oberrheingraben vorangetrieben werden, teilte Vulcan Energie am Donnerstagabend mit. Die Investition sei «ein wichtiges Statement eines der größten Automobilhersteller der Welt für die Transformation hin zu einer nachhaltigen und strategischen Beschaffung von Batteriematerialien», sagte Geschäftsführer Horst Kreuter. Zu Stellantis gehören Marken wie Peugeot, Opel, Citroën und Fiat. Weiterlesen

Mehr Geld für Beschäftigte im Metallhandwerk

Frankfurt/Main (dpa/lrs) – Die Beschäftigten im Metallhandwerk im Tarifbezirk Rheinland-Rheinhessen erhalten nach Gewerkschaftsangaben rückwirkend zum 1. März mehr Geld. Die Entgelte steigen zunächst um 3,3 Prozent und ab 1. April 2023 in einem zweiten Schritt um 3,1 Prozent. Darauf einigten sich die IG Metall Mitte und der Fachverband Metall Rheinland-Pfalz, wie die Gewerkschaft am Mittwoch mitteilte. Weiterlesen

Anleger flüchten vor Wochenende in Sicherheit

Frankfurt/Main (dpa) – Auch am letzten Börsentag der Woche hat auf den Finanzmärkten wegen des Ukraine-Kriegs die Vorsicht dominiert. Auch angesichts der Sanktionen gegen Russland setzten Investoren am Freitag auf als sicher geltende Anlagen wie Bundesanleihen oder Edelmetalle.

An den internationalen Aktienbörsen verschärfte sich der Ausverkauf noch. Auf den Rohstoffmärkten verteuerten sich Öl und Gas, vor allem aber Industriemetalle wie Aluminium und Nickel. Weiterlesen

Russlands Machtbasis und Europas Schwachstelle

Druckmittel Rohstoffe
Von Jan Petermann, dpa

Hannover/Moskau (dpa) – Die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges sind schon beträchtlich – einen potenziell besonders drastischen Schritt behält der Westen aber noch in der Hinterhand.

Was könnte geschehen, falls Verkäufe von Gas, Öl, Kohle, Metallen und weiteren Grundmaterialien aus der Rohstoff-Großmacht verboten werden?

Bei Energie und natürlichen Ressourcen ist die Verwundbarkeit hoch. Weltbank und Internationaler Währungsfonds warnen: «Die Auswirkungen des Krieges greifen auf andere Länder über, die Rohstoffpreise werden angetrieben und könnten die Inflation noch anheizen – was die Ärmsten am schwersten träfe» Je nach Teilbereich sind verschiedene Szenarien zu einer stärkeren Versorgung aus anderen Quellen in der Diskussion.

1. Gas per Pipeline

Deutschland bezog nach Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zuletzt über die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Russland. Das Gas strömt über Transitleitungen durch die Ukraine und Belarus sowie über Nord Stream 1 durch die Ostsee. Die Zertifizierung von Nord Stream 2 ist wegen des Angriffs auf die Ukraine gestoppt. Weitere wichtige Erdgaslieferanten für die Bundesrepublik sind Norwegen (gut 20 Prozent) und die Niederlande (etwa 11 Prozent).

Die deutsche Förderung ist rückläufig, aus ihr lassen sich noch 5 bis 6 Prozent des heimischen Verbrauchs decken. Zum Vergleich: Allein die Lagerstätte Bowanenkowo auf der Jamal-Halbinsel könnte Deutschland nach früheren BGR-Angaben theoretisch 60 Jahre lang allein versorgen.

Die größten Gasfelder der Russischen Föderation liegen im Norden und im Fernen Osten. Bei den Weltexporten lag Russland im Jahr 2020 mit einem Anteil von mehr als 17 Prozent deutlich vor den USA und Katar an erster Stelle. Seither habe die Importabhängigkeit mancher Länder noch zugenommen, sagt Stefan Ladage von der BGR. Auch das Geschäft mit China wachse, doch im Wesentlichen verkauften die Russen ihr Gas weiter nach Westeuropa. Die Türkei sei ebenfalls ein großer Abnehmer.

Neben ihrer Verwendung als Heiz- oder Treibstoffe sind Erdgasgemische unerlässlich für die chemische Industrie und weitere Sektoren. In der Energiewende soll das Gas, bei dessen Verbrennung meist weniger CO2 frei wird als bei flüssigen Kohlenwasserstoffgemischen, als «Brücke» eingesetzt werden. Die Ukraine ist als Gasförderer im Weltmaßstab eher unbedeutend, sie ist allerdings ein großer Verbraucher.

Die hohen Preise für europäisches Erdgas sanken nach einer Analyse des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) im Januar zwar um ein Fünftel. Dies wurde jedoch teils durch teureres amerikanisches Gas ausgeglichen. Der Grund: mehr Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas (LNG).

Die Bundesregierung plant den Aufbau einer nationalen Gasreserve, um angesichts relativ niedriger Speicherstände von zurzeit 28 Prozent für Engpässe gerüstet zu sein. Die Füllstände beim russischen Staatskonzern Gazprom seien im Winter historisch niedrig gewesen.

2. Gas per Schiff

Auch in Deutschland kommt jetzt Bewegung in schon länger gehegte Pläne, auf LNG auszuweichen. Kanzler Olaf Scholz will in Wilhelmshaven und Brunsbüttel Terminals bauen lassen. LNG ist tiefgekühltes Erdgas, das mit Schiffen transportiert werden kann. Großexporteure sind Katar und die USA – viele bisherige Lieferverträge sind langfristig und mit Ländern in Asien geschlossen. Umweltschützer sehen LNG kritisch, weil ein Rückgriff auf Gas das Erreichen der Klimaziele aufschiebe – sie hoffen nun eher auf einen «Turbo» für die Energiewende mit Ökostrom.

Russland hat ebenfalls viel LNG-Geschäft. Wenn bei fortschreitender Erderwärmung die Nordost-Passage durch die Arktis öfter eisfrei ist, könnte dort mehr Flüssigerdgas transportiert werden. In Deutschland braucht der Aufbau der nötigen Infrastruktur Zeit. Für Wilhelmshaven plant der belgische Investor TES mit einem Betriebsbeginn ab 2025. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil schätzt: «Alles in allem wird man davon ausgehen können, dass LNG bis zu zwei Drittel der derzeitigen Erdgasimporte aus Russland ersetzen könnte

3. Erdöl

An der Zapfsäule reiben sich Verbraucher schon lange die Augen. Beim «schwarzen Gold» Erdöl denken viele zuerst an den Nahen Osten, doch auch Russland ist zentraler Lieferant. Das HWWI warnte im

Februar: «Eine Eskalation des Konflikts könnte die Rohöllieferungen beeinträchtigen.» Verkäufe von Schwergewichten wie Rosneft oder Lukoil sind für Chemie und Pharmazie oder die Kunststoffindustrie wichtig, denn Öl ist ein Grundstoff für alle möglichen Produkte.

In Europa geht die Eigenproduktion nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) weiter zurück, während die Weiterverarbeitung erdölbasierter Produkte zunimmt – Importe bleiben also wichtig. Russland hatte 2021 einen Anteil von 34 Prozent an den deutschen Öleinfuhren, im Vorjahr war es mit 10,9 Prozent Weltmarktanteil zweitgrößter Erdölexporteur nach Saudi-Arabien.

Die Technologie-Sanktionen der EU dürften auch Ausrüster russischer Konzerne treffen, Experten sehen Investitionsstaus. Der US-Riese Exxonmobil kehrt Russland den Rücken, Shell und BP steigen bei Gazprom und Rosneft aus. Während Deutschland und weitere IEA-Staaten einen Teil ihrer nationalen Ölreserven freigeben, will die von Saudi-Arabien und Russland dominierte «Opec Plus» die Fördermengen nur vorsichtig erhöhen. Die Energie-Inflation könnte also andauern

4. Kohle

Auch die besonders klimaschädliche Kohle könnte länger als bis 2030 gebraucht werden. Vor allem im Kusnezker Becken in Sibirien wird viel Steinkohle gewonnen. Russland ist für die Bundesrepublik Lieferland Nummer eins, 2020 kamen 45 Prozent der importierten Hartkohle und Hartkohleprodukte wie Briketts oder Koks dorther – ein kurzfristiger Ersatz gilt als äußerst schwierig. 2021 erhöhte sich der Anteil nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts noch auf 57 Prozent.

Die Weltmarktpreise stiegen zu Beginn dieses Jahres, bei Kohle aus Australien um 27 Prozent gegenüber Dezember. Erste Politiker schlagen vor, das angepeilte deutsche Kohle-Aus bis zum Ende des Jahrzehnts zu überdenken. Soll dies vermieden und zugleich die Importabhängigkeit gesenkt werden, muss die Energiewende sehr schnell vorankommen.

In der Ukraine gehört die Donbass-Region zu den bedeutendsten Kohlerevieren der Welt. Viele Kapazitäten sind jedoch «ausgefördert», wie es bei der BGR heißt. Für Russland betrug der Exportanteil bei Hartkohle 2020 weltweit über 15 Prozent, das war Platz drei hinter Indonesien und Australien. Die Ukraine rangierte auf Platz 20

5. Metalle und Mineralien

Industriegüter sind ohne Metalle und Metallverbindungen unvorstellbar – Russland ist nach China, Australien und Brasilien viertwichtigster Produzent. Das Land beheimatet mit Rusal und Norilsk Nickel etwa die Weltmarktführer für Aluminium und Nickel. Beides wurde laut HWWI im Januar um ein Zehntel teurer. 2021 lag der Anteil Russlands an allen globalen Metallausfuhren gemessen am Exportwert bei rund 19 Prozent.

Alu-Komponenten stecken in Autos, Flugzeugen, Gebäuden, Konsumgütern oder Verpackungen. Nickel ist Bestandteil verschiedener Stahlsorten, ebenso Eisen und als Vorstufe Eisenerze. Kobalt wird in Batterien eingesetzt, Kupfer in so gut wie allen elektrischen Produkten. Platin und Palladium – bei letzterem hatte Russland 2018 einen Förderanteil von 43 Prozent – werden für Auto- und Industrie-Katalysatoren gebraucht. Das Land ist außerdem ein wichtiger Goldproduzent.

Mit Blick auf den Bedarf an Batterie-Rohstoffen durch die E-Mobilität gibt es europäische Initiativen, um mehr Metalle in heimischen Lagerstätten abzubauen. Ob das reicht, wenn Verkehr und Energiesystem komplett umgebaut werden sollen, bezweifeln Experten.

«Es macht uns schon Sorgen, wenn es zu größeren Lieferausfällen aus Russland käme», sagt ein Analyst. Man müsse versuchen, rasch weitere Lieferverträge zu verhandeln – sonst schlittere man in die nächste Rohstoffkrise.

Die Ukraine spielt bei Metallrohstoffen international ebenfalls eine gewisse Rolle. Unter anderem werden Eisen, das für bestimmte Batterietypen wichtige Mangan und das Leichtmetall Titan exportiert – letzteres etwa für die Herstellung von Farben mit Titandioxid

6. Stahl

Ohne Stahl keine Autos, keine Maschinen, keine Bauwerke. Einerseits werden aus Russland kommende Metalle wie Nickel in den Legierungen verwendet, zum anderen ist das Land selbst ein großer Produzent von Fertigstahl. Der Severstal-Konzern kündigte nach den EU-Sanktionen an, nun auf andere Märkte außerhalb Europas setzen zu wollen.

Die Ukraine hat ebenfalls eine große Stahlindustrie, 2020 war sie der viertgrößte Nettoexporteur. Experten befürchten ein knappes Angebot, sollten Lieferungen in den Westen ausfallen. Die Stahlbranche des Landes ist – wie die Kohleförderung – vor allem im Donbass ansässig.

7. Uran

In Deutschland läuft die Kernkraft aus, doch andere EU-Länder wie Frankreich sind weiter auf Nuklearbrennstoffe wie Uran angewiesen. Von 2015 bis 2020 nahm Russland bei der Förderung natürlichen Urans laut BGR Platz 7 ein, bei 6 Prozent Weltmarktanteil. Auf Rang eins lag mit großem Abstand die Ex-Sowjetrepublik Kasachstan. Direkte Uranlieferungen aus Russland oder der Ukraine nach Deutschland gibt es allerdings schon seit vielen Jahren nicht mehr, so die BGR.

8. Agrarrohstoffe

Die Ukraine gilt als «Kornkammer Europas», auch für die EU ist sie wichtiger Agrarhandelspartner und laut dem europäischen Bauernverband der viertgrößte externe Lebensmittellieferant. Besonders wichtig sind

Getreide- und Pflanzenölimporte. Aber auch in Russland ist die Produktion dieser landwirtschaftlichen Güter ein bedeutendes Geschäft, hinzu kommen Exporte von Fleisch- und Milcherzeugnissen.

 

 

 

Dosen immer wertvoller: Hohe Nachfrage treibt die Preise

Verpackungen
Von Helge Toben, dpa

Hilden/Bonn (dpa) – Computerchips, Fahrradteile, Möbelholz: Engpässe allerorten und die Preise steigen. Betroffen von den weltweiten Turbulenzen in den Lieferketten ist auch die Verpackungsindustrie, zum Beispiel bei Konservendosen.

Der Branchenverband Metallverpackungen ist alarmiert. «Die Hersteller von Verpackungen und Verschlüssen aus Metall haben im laufenden Jahr eine erhebliche Verknappung von Vormaterial erfahren», sagt eine Sprecherin. Insbesondere bei Weißblech und Aluminium sei die Versorgungslage nach wie vor sehr angespannt. «Mehrmengen zu bekommen, ist sehr schwierig» Bei sogenanntem Kaltband-Stahl, das etwa für Stahlfässer verwendet wird, habe sich die Situation zwar leicht verbessert. Ein Ende der Knappheit sei jedoch auch dort nicht in Sicht. Für alle Vormaterialien gelte, dass die Lieferfristen deutlich länger seien. Nach Verbandsangaben kommen pro Jahr gut zwei Milliarden Lebensmitteldosen aus Weißblech in den deutschen Einzelhandel. Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen