USA schließen militärisches Vorgehen gegen Iran nicht aus

Washington/Kairo (dpa) – Die US-Regierung hat ein militärisches Vorgehen nicht ausgeschlossen, um den Iran davon abzuhalten, in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. US-Außenminister Antony Blinken sagte gestern in einem Interview im Rahmen seiner Nahost-Reise dem Sender Al-Arabija, alle Optionen seien auf dem Tisch.

Auf die Nachfrage, ob das auch eine militärische Option mit einschließe, wollte Blinken das nicht ausschließen. «Alle Optionen sind auf dem Tisch», wiederholte er. Er sagte aber auch, dass der bevorzugte Weg der der Diplomatie sei. Der Iran habe die Chance gehabt, in das internationale Atomabkommen zurückzukehren, habe das aber abgelehnt, sagte Blinken. Bereits im Sommer 2022 hatte US-Präsident Joe Biden auch einen Angriff «als letztes Mittel» nicht ausgeschlossen. Weiterlesen

Wie Kampfjets der Ukraine helfen würden

Von Carsten Hoffmann, Andreas Stein und Ulf Mauder, dpa

Moskau/Berlin (dpa) – Für die Befreiung ihrer von Russland besetzten Gebiete setzt die Ukraine nicht nur auf Kampfpanzer aus Deutschland, den USA und anderen Staaten. Zur Unterstützung einer geplanten Offensive fordert sie auch Kampfjets vom Westen. Für Russland würde das, wie es in Moskau heißt, «nichts Gutes» bedeuten. Zu den möglichen Lieferungen einige Fragen und Antworten:

Welche Typen von Kampfflugzeugen will die Ukraine?

Die Ukraine hat im Gegensatz zu der klaren Forderung bei Kampfpanzern keine einheitliche Linie, wenn es um die Kampfjets geht. Vizeaußenminister Andrij Melnyk erwähnte faktisch alle bekannten Flugzeugtypen wie die US-amerikanischen F-16, F-35, die europäischen Entwicklungen des Eurofighters und der Tornados, die französischen Rafale und schwedische Gripen. Vor allem aber dürfte es um die F-16 gehen.

Die USA haben umfangreiche und überzählige Bestände an älteren Kampfflugzeugen – inklusive eines großen Flugzeug-Schrottplatzes auf der Luftwaffenbasis Davis-Monthan in Arizona, wo Militärmaschinen ausgeschlachtet werden. Bei den älteren Flugzeugtypen wie F-15 oder F-16 sowie F-10 («Warzenschwein») könnte es wohl möglich sein, die Instandsetzung auf dem freien Markt einzukaufen. Ersatzteile sind in großer Zahl vorhanden. Grundvoraussetzung ist die Ausbildung.

Wie begründet die Ukraine ihre Forderung nach Kampfjets?

Kriegsziel der Ukraine ist die komplette Befreiung des von Russland besetzten Staatsgebiets – einschließlich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim. Für einen effektiven Vormarsch der demnächst von westlichen Kampfpanzern gestärkten Bodentruppen müssen diese idealerweise von der Luftwaffe unterstützt werden. Aufgrund der weiter funktionierenden ukrainischen Flugabwehr setzt Russland eigene Jets nur begrenzt in Frontnähe für Bombardements ein.

Im Krieg gelingt es beiden Seiten immer wieder, gegnerische Flugzeuge abzuschießen. Berichte über direkte Luftkämpfe zwischen ukrainischen und russischen Kampfjets gab es nur in den ersten Kriegstagen. Westliche Jets könnten hier vor allem Lücken schließen helfen. Doch die Rückerlangung der Lufthoheit wäre auch nach der Lieferung Dutzender Kampfjets aus dem Westen nicht zu erwarten. Das wäre nur möglich, wenn die russischen Flugabwehrsysteme komplett ausgeschaltet werden.

Womit kämpfte die ukrainische Luftwaffe bisher?

Vor dem Krieg hatte die Ukraine den Londoner Analysten des International Institute for Strategic Studies zufolge etwa 110 einsatzfähige Kampfflugzeuge. 70 davon Jagdflugzeuge des sowjetischen Typs Mig-29 und Suchoi 27. Dazu noch 45 Suchoi 25 und 24 zur Bekämpfung von Bodenzielen. Während des Krieges soll Kiew den Waffenanalysten der Investigativgruppe Oryx zufolge weitere 18 Suchoi 25 aus verschiedenen Quellen erhalten haben. Polen lieferte zudem Medienberichten nach bereits Mig-29 in Einzelteilen, und auch die Bundesregierung steuerte Mig-29-Ersatzteile bei. Das russische Militär will dabei bereits mehr als das Dreifache aller real vorhandenen ukrainischen Flugzeuge abgeschossen haben.

Die westlichen Unterstützer der Ukraine haben inzwischen umfangreiche und schwere Waffen für den Kampf am Boden und zur Flugverteidigung geschickt. Abwehrsysteme wie Patriot und Iris-T wirken überaus effektiv gegen feindliche Flugzeuge, Raketen und Drohnen und dies 24 Stunden am Tag – und schützen doch nur auf einen gewissen Umkreis des eigenen Standortes. Anders Kampfflugzeuge, die zum Schutz großer Regionen geeignet sind, wenn auch nur für beispielsweise eineinhalb Stunden pro Flug.

Was bedeutet eine mögliche Lieferung für den Kriegsverlauf?

Mehr noch als zur Überwachung und dem Schutz gegen Angriffe können Kampfflugzeuge als sogenannte Luftnahunterstützung in Kämpfe am Boden eingreifen. Und mehr noch: Sie ermöglichen es, die Kraftquellen («center of gravity») des Gegners anzugreifen. Die Ukraine wäre befähigt, Nachschubwege, Aufmarschgebiete, Treibstofflager und strategische Ziele Russlands zu zerstören. Spätestens da – so befürchten einige – wird politisch gefährlich, was im Sinne der Selbstverteidigung nicht verboten scheint.

Russland würde die Lieferung von Kampfjets als weiteren großen Schritt sehen für die von Moskau ohnehin seit langem behauptete direkte Beteiligung des Westens an dem Konflikt in der Ukraine. Der für Rüstungsfragen zuständige russische Diplomat Konstantin Gawrilow sagte im russischen Staatsfernsehen, dass die Jets das Kampfgebiet geografisch vergrößern würden. Das bedeute «nichts Gutes» für Russland, sei aber auch keine Katastrophe.

Wie spiegelt sich die Forderung in der Debatte in Deutschland?

Mehrere Länder, darunter die USA und Polen, schließen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus. In der Bundesregierung will man dieses Signal nicht setzen. Weder als Vorhaben noch als Option akzeptieren derzeit Politiker der Ampel-Koalition diesen Schritt, ganz vorn Kanzler Olaf Scholz (SPD). Aber auch die Vorkämpfer der Leopard-Lieferung, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der Grüne Anton Hofreiter, machten deutlich, dass sie gegen eine Lieferung von Kampfjets sind.

Wie würde Russland auf die Lieferung von Kampfjets reagieren?

Russland hat zwar schon jetzt keine Luftüberlegenheit über der Ukraine – allerdings auch seine Kampfjet-Verbände noch nicht im vollen Umfang im Einsatz. Das russische Staatsfernsehen zeigt fast täglich voller Stolz die zerstörerische Kraft russischer Raketen, die von Flugzeugen abgeschossen werden. Der General und Militärpilot Wladimir Popow sagte in einem Interview der Moskauer Zeitung «MK», dass Russland die Kampfjets mit Luft-Luft-Raketen abschießen würde. Wenn das nicht gelinge, müssten sie auf den Luftwaffenstützpunkten durch Hochpräzisionswaffen zerstört werden.

Dabei wies auch das Verteidigungsministerium in Moskau zuletzt Angaben des Westens zurück, Russland könnten die Raketen und die Munition ausgehen. Von ihren Zielen der Besetzung der vier ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson will Russlands Machtführung nicht ablassen. Kremlchef Wladimir Putin hat immer wieder betont, dass die Atommacht Russland ihre Interessen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen werde.

Niederlande: Wem gehört das «Gold der Krim»?

Den Haag (dpa) – Im jahrelangen juristischen Tauziehen um den rund 2000 Jahre alten Goldschatz aus vier Museen der Krim steht nun eine endgültige Entscheidung zugunsten der Ukraine an. Der Generalstaatsanwalt der Niederlande empfahl dem höchsten Gericht des Landes am Freitag in Den Haag, den Kulturschatz der Skythen endgültig der Ukraine zuzusprechen.

In der Regel folgen die Richter des Hohen Rates der Empfehlung. Die wertvollen Kulturgüter waren in die Frontlinie des Konflikts von Russland und der Ukraine geraten. Weiterlesen

Ukrainische Soldaten beginnen Panzer-Ausbildung in Munster

Berlin (dpa) – In Deutschland sind die ersten ukrainischen Soldaten für eine Ausbildung am Schützenpanzer Marder eingetroffen. Die Gruppe landete am Donnerstag in Köln und sollte zeitnah mit dem Training an dem Waffensystem beginnen, wie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin aus Sicherheitskreisen erklärt wurde. Die Ausbildung ist Teil der deutschen Militärhilfe für die Ukraine. Die Bundesregierung hat beschlossen, den ukrainischen Streitkräften 40 Panzer vom Typ Marder zu überlassen sowie 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte schon Donnerstag während seines Antrittsbesuches bei der Truppe in Altengrabow (Sachsen-Anhalt) erklärt, die Ausbildung am Marder werde «in Kürze» im niedersächsischen Munster beginnen. «Und für die ukrainischen Soldaten, die auf dem Leopard ausgebildet werden, wird es etwas später sein», sagte er. Weiterlesen

Baerbock: «Krieg gegen Russland» – Moskau fordert Klärung

Moskau (dpa) – In Russland gibt es zunehmend Aufregung um eine Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) über einen «Krieg gegen Russland». Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, forderte am Freitag eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu «widersprüchlichen» Aussagen aus Berlin. Deutschland erkläre einerseits, in der Ukraine keine Konfliktpartei zu sein. Andererseits sage Baerbock, dass sich die Länder Europas im Krieg gegen Russland befänden. «Verstehen sie selbst, wovon sie da reden?», schrieb Sacharowa im Nachrichtenkanal Telegram.

Baerbock hatte am Dienstag beim Europarat in Straßburg mit folgenden Worten zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen: «Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.» Die russischen Staatsmedien griffen diese Aussage dankbar als zentralen Schlüsselsatz für Kriegspropaganda auf – als Beleg dafür, dass Deutschland und die anderen EU-Länder direkte Konfliktpartei in der Ukraine seien und gegen Russland kämpften. Weiterlesen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew (dpa) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Bedarf seines Landes an weiteren Waffenlieferungen über die nun zugesagten Kampfpanzer hinaus bekräftigt. «Die russische Aggression kann nur mit adäquaten Waffen gestoppt werden», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Die Ukraine braucht eigenen Angaben zufolge für die Abwehr der seit elf Monaten andauernden russischen Invasion unter anderem auch Kampfflugzeuge. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine solche Lieferung allerdings abgelehnt. Das an die Ukraine grenzende EU-Land Polen hingegen zeigt sich für diese Idee grundsätzlich offen. Auch die US-Regierung schließt die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus. Unterdessen sind die ersten ukrainischen Soldaten zur Ausbildung am Schützenpanzer Marder in Deutschland eingetroffen. Weiterlesen

US-Militär tötet wichtigen IS-Anführer in Somalia

Washington (dpa) – US-Streitkräfte haben in Somalia einen der wichtigsten Anführer der Terrormiliz IS in der Region getötet. Der Einsatz im Norden des Landes habe zum Tod von Bilal al-Sudani sowie rund zehn weiteren Anhängern der Extremisten geführt, teilte das Weiße Haus mit.

Bei al-Sudani habe es sich um einen «Schlüsselakteur und Vermittler für das globale Netzwerk» des IS gehandelt. Bevor er sich dem IS angeschlossen habe, sei er für die islamistische Terrormiliz Al-Shabaab tätig gewesen. Die US-Regierung gab keine konkreten Details zur Art des Militäreinsatzes bekannt. Weiterlesen

ISW: Russische Großoffensive in Luhansk wahrscheinlich

Washington (dpa) – Russlands strategischer Einsatz verschiedener Streitkräfte deutet nach Einschätzung des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) auf eine baldige Großoffensive in der Region Luhansk hin.

Das Aufgebot konventioneller Streitkräfte entlang der dortigen Front sowie der Umstand, dass an den Fronten in anderen Gebieten nur begrenzte Angriffe stattfänden, sprächen dafür, dass sich die russischen Streitkräfte auf eine «entscheidende Anstrengung» in Luhansk vorbereiteten, erklärte die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Mittwoch (Ortszeit). Weiterlesen

Heute Panzer, morgen Kampfjets? Waffen-Debatte ohne Ende

Von Christoph Driessen, dpa

Berlin (dpa) – Die Lieferung von 14 Leopard-2-Panzern war noch nicht offiziell bestätigt, da meldete sich der frühere ukrainische Botschafter Andrij Melnyk zu Wort. Mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein erklärte der jetzige Vize-Außenminister am Mittwoch im ntv-Interview, dies könne nur «der erste Schritt» sein. «Man sollte eigentlich darüber sich Gedanken machen wie im Zweiten Weltkrieg. Damals haben die Amerikaner der Sowjetunion über 8000 Panzer geschickt und 14.000 Kampfjets, damit die Entente den Krieg gegen Nazi-Deutschland gewinnen konnte.»

Die Ukraine benötige jetzt gleichfalls eine Verstärkung ihrer Luftwaffe, sie benötige moderne Kampfjets, Tornados. «Wir bräuchten Kriegsschiffe, damit die Küste geschützt werden kann. Wir bräuchten auch U-Boote.» Und das alles müsse viel schneller und zügiger gehen als bisher. Mit seinen Aussagen schien Melnyk die schlimmsten Befürchtungen aller Waffen-Skeptiker zu bestätigten: Egal wie viel Deutschland auch liefert, die Ukraine wird immer noch mehr wollen.

Die rote Linie verläuft nun bei Kampfflugzeugen

Nach der Waffenlieferung ist vor der Waffenlieferung. Seit Beginn des Krieges vor elf Monaten diskutiert Deutschland nunmehr nahezu in Dauerschleife darüber, wie stark es die Ukraine unterstützen will und wo die Grenze sein soll. Wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch im Bundestag ausführte, verläuft die rote Linie nun bei Kampfflugzeugen. Aber wenn man bedenkt, wie sich die Dinge seit den berühmten Ankündigung von Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), 5000 Helme zu liefern, entwickelt haben, ist da vielleicht noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Auffällig ist, dass es eine so intensive Waffen-Debatte wie in Deutschland in anderen Ländern nicht gibt. Nicht in Frankreich, nicht in Großbritannien, nicht in Polen, nicht in den Niederlanden. Warum ist das so? Die deutsche Geschichte! Die Bundesrepublik war im Kalten Krieg «Frontstaat», das heißt: Wenn es zu einem heißen Krieg gekommen wäre, hätte dieser als erstes Deutschland getroffen. Die Angst davor war im Alltag präsent. Wenn zum Beispiel von Ferne irgendein ungewohntes Grollen zu hören war, dann konnte es sein, dass irgendein Spaßvogel ausrief: «Die Russen kommen!» In der DDR lagen die Dinge wieder anders: Dort war Russland der große Bruder, den man fürchtete, aber auch respektierte. Die Angst davor, den «russischen Bären» zu stark zu reizen, sitzt in Deutschland deshalb tiefer als in anderen Ländern.

Dazu kommt die Last des Zweiten Weltkriegs. «Unternehmen Barbarossa» – Hitlers unvorstellbar grausamer Angriffskrieg gegen die Sowjetunion. Geschätzte Opferzahlen: zehn Millionen Soldaten der Roten Armee, 14 Millionen sowjetische Zivilisten. Und jetzt, nachdem deutsche Politiker jahrzehntelang Kränze in Moskau niedergelegt haben, sollen wieder deutsche Panzer gen Osten rollen?

Dieses Argument lässt sich allerdings auch umdrehen: «Die Lektion aus der Geschichte ist nicht die, dass deutsche Panzer, ganz egal was der Kreml auch tut, niemals gegen Russland eingesetzt werden sollten, sondern dass sie genutzt werden sollten, um die Ukrainer zu schützen, die mit am meisten unter Hitler und Stalin gelitten haben», meint der britische Historiker und Karlspreisträger Timothy Garton Ash.

So ähnlich fallen inzwischen praktisch alle Meinungsbekundungen westlicher Kommentatoren aus. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari («Eine kurze Geschichte der Menschheit») versicherte dem «Spiegel»: «Ich kann das den Deutschen als Jude und Israeli und als Enkel von Holocaust-Überlebenden sagen: Wir wissen, dass ihr keine Nazis seid. Ihr braucht das nicht mehr zu beweisen. Deutschland muss jetzt aufstehen und führen, denn Deutschland ist der Anführer Europas in dieser Lage.»

«Nie wieder Krieg» als BRD-Gründungsideal

Doch eine Führungsrolle fällt Deutschland auf militärischem Gebiet weiter schwer. Die Bundesrepublik hat das einfach nicht in den Genen. «Nie wieder Krieg» war eines ihrer Gründungsideale. Daneben habe es aber immer auch noch einen anderen Referenzpunkt gegeben, erläutert der Militärhistoriker Sönke Neitzel der Deutschen Presse-Agentur: «Nie mehr allein.» Alleingänge und Sonderwege sind der Bundesrepublik möglicherweise ein noch größerer Graus als militärische Abenteuer. Das gilt gerade auch für Olaf Scholz, der seit Beginn des Krieges immer wieder betont hat, dass Deutschland nur zusammen mit seinen Verbündeten handeln werde.

Die Beteiligung eines ganz bestimmten Verbündeten war jetzt bei der Panzer-Entscheidung von äußerster Wichtigkeit: Erst als die USA ebenfalls die Lieferung von Kampfpanzern zugesagt hatten und Scholz somit sicher sein konnte, dass sich Deutschland nicht allein exponieren würde, sprang der erklärtermaßen vorsichtige Politiker über seinen Schatten. Neitzel vermutet dahinter «die alte deutsche Urangst, dass die Amerikaner die Europäer allein lassen könnten». Schon Bundeskanzler Helmut Schmidt habe im Kalten Krieg im vertraulichen Kreis gesagt, im Falle eines russischen Angriffs werde man kapitulieren müssen, denn die USA würden für Europa nicht das Verglühen ihrer eigenen Städte im Atomkrieg riskieren.

Experte: Eigene Kriegsziele nicht ausreichend klar definiert

Wie geht es nun weiter? Die entschlossensten Befürworter von Waffenlieferungen plädieren dafür, dass Deutschland der Ukraine einfach alles geben soll, was sie haben will. Der Verteidigungsexperte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik hält diese Haltung für zu schlicht. «Mit dieser Begründung könnte man gleich auch – ich überspitze jetzt bewusst – Atomwaffen liefern», sagt er. «Die Ehrlichkeit gebietet es zu sagen, dass deutsche und ukrainische Interessen nicht immer deckungsgleich sind. Es mag im Interesse der Ukraine sein, auch noch die Krim zu befreien – aber vielleicht nicht im deutschen, weil wir auch in Zukunft noch mit Russland zusammenleben müssen.»

Der Kern des Problems liegt für Kaim darin, dass Deutschland seine eigenen Kriegsziele bisher nicht ausreichend klar definiert habe. Die Linie der Bundesregierung ist, dass sie die Ukraine nach Kräften unterstützt und die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj völlig unabhängig entscheidet, bis zu welchem Punkt sie gegen Russland weiterkämpfen will. Nach Meinung von Kaim müsste die Bundesregierung aber auch für sich selbst bestimmen, wie weit sie in dem Konflikt gehen will: «Wollen wir lediglich verhindern, dass die russischen Streitkräfte noch weiter vorrücken? Oder wollen wir erreichen, dass die ukrainische Armee die von Russland besetzten Gebiete in der Ostukraine zurückerobert – und vielleicht auch noch die Krim? Dann müssten wir natürlich noch viel, viel mehr Waffen liefern. Solange das nicht geklärt ist, wirkt der Bundeskanzler zwangsläufig wie ein Getriebener.»

Die entscheidenden Fragen sind nicht beantwortet

Man könnte dem entgegenhalten, dass in diesem Krieg mit seinen überraschenden Wendungen gar keine langfristigen Planungen möglich sind. Niemand weiß, was in Wladimir Putins Kopf vor sich geht, aber auch was zum Beispiel die Höhe der ukrainischen Verluste betrifft, tappen Experten weitgehend im Dunkeln. Militärhistoriker Neitzel glaubt, dass die Stärke der Ukraine überschätzt wird. «Die Vorstellung, dass die Ukraine jetzt mit 40, 50 Kampfpanzern eine Großoffensive startet und alle verlorenen Territorien zurückerobert, ist Unsinn», glaubt er. «Durch die russische Mobilmachung haben sich die Kräfteverhältnisse erheblich verändert.»

Die reale Gefahr ist in seinen Augen denn auch nicht der Ausbruch des Dritten Weltkriegs, sondern eine Niederlage der Ukraine. «Keiner von uns weiß, wie der Krieg in den nächsten Monaten weitergeht, aber es ist gut möglich, dass wir im Rückblick feststellen werden: Too little, too late.»

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Palästinenser: Mindestens neun Tote bei Militäreinsatz

Tel Aviv (dpa) – Bei einem israelischen Militäreinsatz in Dschenin im Westjordanland sind nach palästinensischen Angaben neun Menschen getötet worden. Mehrere weitere seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah am Donnerstag mit. Unter den Toten sei demnach auch eine Frau. Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdiensts Roter Halbmond war die Lage vor Ort am Vormittag weiter unübersichtlich.

Das israelische Militär teilte mit, die Einsatzkräfte seien bei der versuchten Festnahme mehrerer Mitglieder der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad unter Beschuss geraten. Zwei der Verdächtigen seien bei einem Fluchtversuch erschossen worden, ein weiterer habe sich gestellt. Sie wurden demnach verdächtigt, einen Terroranschlag geplant zu haben. Weiterlesen

Russland-Spionage beim BND: Mutmaßlicher Kurier verhaftet

Von Jörg Blank und Marco Krefting, dpa

Karlsruhe/Berlin (dpa) – Nach der Festnahme eines Mitarbeiters des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen Spionage für Russland sitzt nun auch ein mutmaßlicher Mittäter in Untersuchungshaft. Der Mann wird nach Angaben des Generalbundesanwalts in Karlsruhe vom Donnerstag verdächtigt, die von dem BND-Mitarbeiter ausspionierten geheimen Informationen nach Russland gebracht und dort einem Geheimdienst übergeben zu haben. Der am Sonntag bei seiner Einreise aus den USA am Flughafen München Festgenommene ist demnach deutscher Staatsangehöriger und kein BND-Mitarbeiter.

Der BND-Mitarbeiter Carsten L. war am 21. Dezember in Berlin wegen des Verdachts des Landesverrats festgenommen worden. Laut Generalbundesanwalt ist der nun ebenfalls beschuldigte Arthur E. der Mittäterschaft am Landesverrat dringend verdächtig. Die Ermittlungen seien in enger Zusammenarbeit mit dem BND und mit Unterstützung der US-Bundespolizei FBI geführt worden. Der Beschuldigte wurde demnach am Montag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes vorgeführt. Dieser habe den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet.

Staatsgeheimnis verraten

Der im Dezember festgenommene BND-Mitarbeiter soll nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr Informationen, die er im Zuge seiner Arbeit erlangt hat, an Russland übermittelt haben. Bei den ausspionierten Informationen handele es sich um ein Staatsgeheimnis im Sinne des Strafgesetzbuchs, hatte die Karlsruher Behörde damals mitgeteilt. Damals waren die Wohnung des Verdächtigen und zwei BND-Liegenschaften durchsucht worden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte von einem wichtigen Schlag gegen die russische Spionage gesprochen, falls sich der Verdacht bestätige.

BND-Präsident Bruno Kahl hatte im Dezember mitgeteilt, nachdem man im Rahmen der nachrichtendienstlichen Arbeit von einem möglichen Verdachtsfall in den eigenen Reihen Kenntnis bekommen habe, seien sofort umfangreiche interne Ermittlungen eingeleitet worden. Als diese den Verdacht erhärtet hätten, sei umgehend der Generalbundesanwalt eingeschaltet worden. Der BND arbeite eng und vertrauensvoll mit den Ermittlungsbehörden zusammen, um den Fall gründlich aufzuklären, hatte Kahl erklärt.

Landesverrat kann nach dem Strafgesetzbuch in besonders schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren oder auch einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht hat, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet.

Kahl: Zurückhaltung und Diskretion sehr wichtig

Kahl hatte damals betont, Zurückhaltung und Diskretion seien in dem Fall sehr wichtig. Mit Russland habe man es auf der Gegenseite mit einem Akteur zu tun, «mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben», ergänzte er. Jedes Detail des Vorgangs, das an die Öffentlichkeit gelange, bedeute einen Vorteil dieses Gegners in der Absicht, Deutschland zu schaden.

Beim BND selbst war zuletzt 2014 ein sogenannter Maulwurf – ein Doppelagent – aufgeflogen. Das Münchner Oberlandesgericht hatte den Mann zwei Jahre später wegen jahrelanger Spionage vor allem für den US-Geheimdienst CIA zu acht Jahren Haft verurteilt. Der damals 32-Jährige wurde des Landesverrats und der Verletzung von Dienstgeheimnissen schuldig gesprochen. Der gelernte Bürokaufmann hatte zwischen 2008 und 2014 mehr als 200 teils streng geheime oder brisante Dokumente des BND an die CIA weitergegeben und dafür mindestens 80.000 Euro kassiert.

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