Südlicher Schneeferner verliert Status als Gletscher

Klimawandel
Von Sabine Dobel, dpa

Garmisch-Partenkirchen (dpa) – Der heiße Sommer hat es weiter beschleunigt: Die Gletscher Deutschlands schwinden, viel schneller als von Wissenschaftlern noch vor kurzem erwartet. Nun verliert der Südliche Schneeferner seinen Status als Gletscher, wie die Bayerische Akademie der Wissenschaften am Montag mitteilte.

«Aufgrund der geringen Eisdicke kann auch keine Eisbewegung mehr erwartet werden, so dass der Südliche Schneeferner nicht länger als eigenständiger Gletscher betrachtet wird.» Nun gibt es in Deutschland nur noch vier Gletscher – die ebenfalls vom Abschmelzen bedroht sind.

 «Es passiert schneller als wir dachten»

Neue Georadar-Messungen von Mitte September zeigten das große Ausmaß des Verlustes am Südlichen Schneeferner, teilten die Forscher mit. Er ist demnach nur noch halb so groß wie vor vier Jahren, hat massiv an Dicke eingebüßt – und fließt wohl nicht mehr. In ein, zwei Jahren, so die Prognose, dürfte er ganz verschwunden sein.

Gletscher sind große Massen hauptsächlich aus Schnee, Firn und Eis, die meist von Bergen langsam in Richtung Tal strömen. Nur sich wenigstens in wesentlichen Teilen eigenständig bewegende Massen werden als Gletscher bezeichnet. Die meisten der heute existierenden Gletscher entstanden während der letzten Eiszeit vor etwa 15 000 Jahren.

Ein extremes Abschmelzen gerade in diesem Jahr beobachteten Glaziologen auch in anderen Teilen der Alpen. Nach Daten der Universität Innsbruck hat etwa der sieben Quadratkilometer große Hintereisferner im Ötztal, einer der größten Gletscher Österreichs, dieses Jahr fünf Prozent seines Volumens verloren.

Wissenschaftler sehen als Ursache den Klimawandel und warnen seit langem vor den Folgen. Die Lage am Südlichen Schneeferner sei nicht überraschend, aber «für alle, die sich damit beschäftigen», sei es dennoch eine schlechte Nachricht, sagte der Glaziologe Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. «Es passiert schneller als wir dachten. Vielleicht wacht der Rest der Republik jetzt auf und versteht, auf welchem Weg wir hinsichtlich der Klimakrise gerade sind – und welche Auswirkungen das in Deutschland haben wird.»

Saharastaub ist eine Ursache des Abschmelzens

Erst im vergangenen Jahr hatte ein Expertengremium seine Prognose für die den Gletschern verbleibende Zeit von zuvor 30 auf nur noch rund 10 Jahre zurückgenommen – selbst das scheint nun überholt. Neben der extremen Hitze des Sommers spielte in diesem Jahr der Saharastaub im März eine Rolle, der sich als rötliche Schicht auf den Schnee legte. Der dunklere Staub absorbierte mehr Energie, das Eis darunter taute stärker.

Die Dicke des Eises am Südlichen Schneeferner nahm laut Bayerischer Akademie der Wissenschaften in weiten Bereichen weiter deutlich ab und erreicht an den meisten Stellen nicht einmal mehr zwei Meter. Selbst an der tiefsten Stelle sei das Eis inzwischen weniger als sechs Meter dick, im Vergleich zu etwa zehn Metern 2018. «Daraus lässt sich schließen, dass das verbleibende Eis innerhalb der kommenden ein bis zwei Jahre vollständig abschmelzen wird», urteilen die Wissenschaftler. Zugleich habe sich die Gletscherfläche seit 2018 auf weniger als einen Hektar halbiert.

Nun gelten die verbliebenden Eismassen nicht mehr als Gletscher. Als Konsequenz würden die Vermessungen eingestellt, die erstmals 1892 stattfanden und seit der Mitte des 20. Jahrhunderts regelmäßig wiederholt wurden, hieß es.

Auch das Eis der anderen vier Gletscher in Deutschland – Nördlicher Schneeferner und Höllentalferner an der Zugspitze sowie Blaueis und Watzmanngletscher in Berchtesgadener Alpen – war in diesem Sommer weiter geschmolzen.

Seit der Kaltzeit Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich das Eis immer weiter zurückgezogen. Damals waren Südlicher und Nördlicher Schneeferner sowie Höllentalferner an der Zugspitze ein großer Gletscher namens Plattachferner, wie Inga Beck, Sprecherin der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus erläuterte. Er soll zeitweise eine Ausdehnung von etwa 300 Hektar gehabt haben. Zum Vergleich: Der Höllentalferner, der sich bisher recht gut hielt, hatte 2018 noch 16,7 Hektar – etwa die Hälfte des Oktoberfest-Geländes.

 

 

Extremschmelze beschleunigt Sterben der deutschen Gletscher

Klimawandel
Von Elke Richter, dpa

Garmisch-Partenkirchen (dpa) – Wo vergangenes Jahr um diese Zeit noch eine weiße Schneeschicht lag, glänzt dieses Jahr blau-grau und von gurgelnden Wasserrinnsalen durchzogen das blanke Eis: Die ohnehin im Sterben liegenden deutschen Gletscher leiden derzeit unter einer Extremschmelze. «2022 wird als ein Rekordjahr eingehen, das ist sicher», betont der Glaziologe Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. «Die Frage ist nur: Wie viel schlimmer wird es als im bisherigen Rekordjahr 2003?»

Fünf Gletscher gibt es noch in Deutschland, sie liegen allesamt in Bayern. Es handelt sich um den nördlichen und den südlichen Schneeferner sowie den Höllentalferner, die sich alle drei auf dem Zugspitzmassiv befinden. Hinzu kommen das Blaueis und der Watzmanngletscher in den Berchtesgadener Alpen. Im vergangenen Jahr nahm ein Expertengremium seine Prognose der den Gletschern noch verbleibenden Zeit von zuvor 30 auf nur noch rund 10 Jahre zurück – doch nun könnte es sogar noch schneller gehen. Weiterlesen

Abschmelzen eines Gletschers lässt Meeresspiegel steigen

Seattle (dpa) – In den kommenden 200 Jahren könnte allein der Pine-Island-Gletscher in der Antarktis gut fünf Zentimeter zur Erhöhung des weltweiten Meeresspiegels beitragen.

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es womöglich bereits zwei Zentimeter sein, wie amerikanische Forschende im Fachjournal «Science Advances» berichten. Das Abschmelzen des Gletschers mache derzeit etwa 40 Prozent des Eisverlustes in der Westantarktis aus, die besonders stark vom Abschmelzen des antarktischen Eises betroffen sei, erläutert das Team um Ian Joughin von der University of Washington in Seattle. Weiterlesen

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