Falschmeldung über Erdbeben in NRW – Menschen in Panik

Duisburg/Köln (dpa) – Eine Falschmeldung über ein unmittelbar bevorstehendes Erdbeben in Nordrhein-Westfalen hat in der Nacht zum Mittwoch mehrere Tausend Menschen ins Freie getrieben. Die Warnung habe sich über die sozialen Medien vor allem in den rumänischen Communities in verschiedenen Städten verbreitet, teilte die Polizei mit. Einsatzkräfte hatten Mühe, die Menschen zu beruhigen. Einige hätten aus Sorge vor einstürzenden Häusern stundenlang im Freien gestanden, andere hätten in ihren Autos übernachten wollen. Weiterlesen

Erdbebenhilfe für Syrien auf «kritisch niedrigem Niveau»

Istanbul/Damaskus (dpa) – Die Hilfe kommt an, aber es reich längst nicht aus: Neun Tage nach den verheerenden Beben ist der Bedarf nach Hilfsgütern in Syrien riesig. «Trotz der Ankunft von 90 Hilfs-Transportern sinkt die Menge der humanitären Mittel in Lagerhäusern in Syrien auf ein kritisch niedriges Niveau», schrieb Samantha Power, Chefin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe (USAID), am Mittwoch bei Twitter. 350 000 Menschen seien allein in Syrien nach jüngsten Schätzungen vertrieben worden – in einem Land mit ohnehin rund 6,5 Millionen Vertriebenen landesweit.

Nach der Katastrophe mit inzwischen 40 000 bestätigten Todesopfern schwinden die Hoffnungen, noch Überlebende zu finden, immer weiter. Dennoch werden die Such- und Rettungsarbeiten fortgesetzt. In der stark betroffenen Provinz Hatay in der Türkei begannen unterdessen auch Aufräumarbeiten, wie eine Reporterin des Staatssenders TRT berichtete. Dem Sender zufolge wurde zudem eine 45-Jährige am Mittwochmorgen in der Provinz Kahramanmaras lebend gerettet. Sie war demnach 222 Stunden lang verschüttet. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Weiterlesen

Das Leid der Kinder in der Erdbebenzone

Von Anne Pollmann, dpa

Kirikhan/Adana (dpa) – Die zehnjährige Saadet Agri starrt ins Nichts. Statt in ihrem Kinderbett in Antakya liegt das Mädchen in einem der 1500 Betten im Stadtkrankenhaus im türkischen Adana. Die Decke ihres Kinderzimmers ist in der Nacht des Erdbebens auf sie und ihren elfjährigen Bruder Mahmut herabgestürzt. Beide Kinder haben die Beine gebrochen.

Saadet ist seitdem verstummt. Keinen Ton habe sie seit der Nacht rausgebracht, sagt ihr Vater Serkan. Dass er nur Mahmut und Saadet, nicht aber die Mutter der Geschwister aus den Trümmern retten konnte, wissen die Kinder noch nicht.

Saadet und Mahmut sind nur zwei von vielen Kinder, die ein Elternteil oder beide in den Trümmern verloren haben. Wenige Wochen alte Babys liegen in Krankenhäusern und niemand weiß, zu wem sie gehören. 1000 Kinder kann das türkische Familienministerium derzeit niemandem zuordnen, rund 790 davon werden noch behandelt.

«Mama, warum ist unser Haus eingestürzt?»

Allein in der Türkei sind laut Unicef 4,6 Millionen der 13,5 Millionen Betroffenen Kinder. In Syrien seien es 2,5 Millionen. «Kinder und Familien brauchen dringend zusätzliche Unterstützung», heißt es von der UN-Organisation. «Mehr sauberes Wasser. Mehr Wärme. Mehr Schutz. Mehr Medikamente. Mehr Finanzierung.»

Die Beben der Stärke 7,7 und 7,6 hatten im türkisch-syrischen Grenzgebiet Anfang vergangener Woche für schwere Zerstörungen gesorgt. Die Zahl der Toten ist mittlerweile auf mehr als 40 000 gestiegen.

«Die Kinder fragen mich: Mama, warum ist unser Haus eingestürzt? Was soll ich antworten, wir wissen es ja selbst nicht», sagt die dreifache Mutter Sevilay Bem. Ihr zweijähriger Sohn klammert sich an ihr Bein. Auf einer freien Fläche umgeben von Ruinen in der Stadt Kirikhan teilen sie sich mit 20 Bekannten einen Ofen und zwei Zelte, die nicht größer als 15 Quadratmeter sind.

Kinder wachen nachts schreiend auf

In einer Ecke des staubigen Zelts liegt ein Mädchen, sie ist frisch operiert. Auch ihr haben die herabstürzenden Betonteile die Beine gebrochen, die nun von einem starren Gestell und durch Schrauben zusammengehalten werden. Zur Versorgung der Wunde gehen sie ins einige Hundert Meter entfernte Zeltlager, sagt Sevilay.

Seit dem Erdbeben wachten die Kinder nachts teilweise schreiend auf, sagt Sevilay. In etwas anderem unterzukommen als in einem Zelt, ist für die Familie derzeit undenkbar. Die Kinder gab es damals noch nicht, aber Sevilay hat schon einmal alles hinter sich lassen müssen. Sie ist vor knapp zehn Jahren vor dem Krieg in Syrien in die Türkei geflüchtet. Wo es für sie dieses Mal hingeht, weiß sie noch nicht.

Die achtjährige Rabia wohnt im Zelt nebenan mit ihrem Vater und ihrer Mutter. «Morgens bringen sie uns Suppe, mittags bringen sie uns Suppe, abends bringen sie uns Suppe», erzählt sie über ihren neuen Alltag. «Und manchmal auch Helva». Anstatt hier rumzusitzen, würde sie eigentlich lieber in die Schule gehen. Ihr Lieblingsfach ist Türkisch.

Vom Erdbeben betroffene Kinder zeigten ganz unterschiedliche Symptome, berichtet ein Psychiater dem Sender TRT. Manche würden unaufhörlich weinen, andere könnten nicht schlafen, verweigerten das Essen und könnten nicht allein gelassen werden. Wieder andere begännen zu halluzinieren und hörten Stimmen. Experten raten dringend zu professioneller Hilfe, wenn Kinder in der Katastrophe ihre Eltern verloren haben. Dass das all den betroffenen Kindern zukommt, scheint unvorstellbar.

Saadet und ihr Bruder Mahmut müssen noch einige Tage im Krankenhaus behandelt werden, hört ihr Vater von den Ärzten. Erst wenn sie gesundheitlich wieder stabiler sind, will er ihnen sagen, dass sie ihre Mutter nicht wiedersehen werden.

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Das tote Dorf: «Erdogan wohnt im Palast, wir sitzen hier»

Von Anne Pollmann, dpa

Ördekdede (dpa) – Dorfbewohner Ismail Mikyaz hat sich sein eigenes Grab gebaut. «Mein Mann hat mir immer gesagt: “Mach dir keine Sorgen, das Haus ist stabil”», sagt seine Frau Zeynep. Doch Ismail wurde in dem Haus erschlagen, das er vor 60 Jahren mit seinen eigenen Händen in dem kleinen Dorf Ördekdede errichtet hat.

Mehr als die Hälfte der Dorfbewohner ist durch das Beben getötet worden. Als die Steine auf das Ehebett des Paares niedergingen, habe er sich verabschiedet: «Meine Frau, lass mich sterben.»

Witwe Zeynep blickt nun auf die Trümmer ihres Hauses. Sie habe ihn nicht retten können. In der Erdbebennacht rollt sich die 83-Jährige aus dem Bett und zieht sich durch eine kleine Öffnung aus den Trümmern, bis sie unter freiem Himmel liegt. Im Regen liegend hört sie zu, wie ihr Dorf schreiend laut in sich zusammenstürzt, während die Erde unter ihr mit einer Stärke von 7,7 bebt.

«Vorher waren wir um die 70 Leute. 36 davon sind tot»

Das Dorf Ördekdede liegt 80 Kilometer von der Großstadt Kahramanmaras entfernt, wo Tausende in den Trümmern von Wohnblöcken starben. «Vorher waren wir um die 70 Leute. 36 davon sind jetzt tot», erzählt der Dorfvorsteher Sezai Tan. 115 von 120 Häuser seien komplett zerstört. «Die fünf übrigen sind so beschädigt, dass man sie nicht betreten darf.»

Kücük Hasan Barik hat das Erdbeben überlebt und blickt von dem Haufen, der sein Haus nun ist, auf das Dorf. «Ich bin fertig mit der Welt.» Die Worte kommen zischend aus seinem Mund. Das Erdbeben schüttelte ihn derart, er fiel auf der Treppe im Haus und schlug sich die Hälfte seiner Zähne aus. Er weiß nicht, wo er hin soll, nirgendwo sei Platz und er hat auch kein Material, um sein Haus zu reparieren. Er dreht sich um die eigene Achse und erklärt, wo überall um ihn herum Menschen gestorben sind. Überall.

«Erdogan wohnt in seinem Palast und wir sitzen hier», sagt Zeyneps Sohn Nusret. Erst am siebten Tag des Bebens habe der staatliche Katastrophenschutz Afad seiner Mutter ein Zelt vorbeigebracht. Staatliche Hilfsorganisationen seien nur zur Stippvisite da gewesen, gemeinsam mit staatlichen Medien. Die verbreiteten «Lügen». Die meiste Hilfe, die ankomme, sei die von Privatleuten, sagt er und zeigt auf frisch gebackene Hackfleischfladen auf dem Gartentisch vor ihm. Ein Mann aus der Gegend verteilt sie gerade im ganzen Dorf. Auch die Leiche des Vaters haben Leute aus dem Dorf aus den Trümmern gezogen. Die Notstruktur, wie sie in Städten entsteht, hat es bis jetzt nicht in das Dorf geschafft.

«Hast du einen Fettstift?»

Wenige Kilometer entfernt, im Dorf Karacay, sitzt die 94-jährige Meyrem Yasim auf einem Plastikstuhl vor einem Afad-Zelt am Rande eines Feldes, blickt auf die umliegenden Berge und wärmt sich im Sonnenlicht. Nachts fallen die Temperaturen hier deutlich unter Null. Das Zelt, dass sie sich mit anderen Frauen teilt, sei beheizt, aber man friere trotzdem, sagt sie und weint. Ob es an etwas fehle? «Nein, wir haben alles.» Später fragen die anderen Frauen dann doch hinter vorgehaltener Hand: «Hast du einen Fettstift?» Ihre Lippen sind von der Kälte aufgesprungen. «Und Unterhosen?»

Es hätte noch schlimmer kommen können in Ördekdede, meint eine Bewohnerin. Denn im Winter gehen die meisten der Bewohner in die Stadt, weil es auf dem Dorf bitter kalt wird und häufig kein Gas zum Heizen da ist. Sie selbst ist Anfang der 90er aus Kuwait nach Syrien geflohen, als der zweite Golfkrieg ausbrach. Als in Syrien der Krieg ausbrach, floh sie aus Aleppo hier ins Dorf. «Ich habe mich dran gewöhnt», sagt sie. Die Tränen in ihren Augen lassen daran zweifeln.

Wie es für Zeynep weitergeht, weiß sie noch nicht. Ihre Kinder leben in Frankreich und Deutschland. Die Türkei und ihr Leben hier verlassen, das wollte sie eigentlich nie. Wenn sie geht, dann nur auf Zeit. Sie will zurück hierher, nach Ördekdede, ihrem Zuhause und zurück zu Ismail, der nun wenige Meter weiter begraben liegt.

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Assad will weitere Grenzübergänge in die Türkei öffnen

New York/Aleppo (dpa) – Zur Verbesserung der humanitären Hilfe in schwer zugänglichen Erdbebengebieten Syriens will Präsident Baschar al-Assad Diplomaten zufolge zwei weitere Grenzübergänge in die Türkei öffnen.

Bab Al-Salam und Al Ra’ee sollten für drei Monate geöffnet werden, berichtete UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths dem UN-Sicherheitsrat am Montag mehreren Diplomaten zufolge. Griffiths hält sich derzeit in Syrien auf und traf Assad am Montag in Damaskus. Weiterlesen

Acht Tage nach Erdbeben kaum mehr Hoffnung auf Überlebende

Aleppo (dpa) – Mehr als eine Woche nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Hoffnung gering, weitere Überlebende zu finden. «Die Rettungsphase, bei der Menschen lebend aus den Trümmern gezogen und bei der unter Trümmern Verstorbene gefunden werden, neigt sich dem Ende», sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths gestern während eines Besuchs im syrischen Aleppo.

Jetzt beginne die humanitäre Phase, um Betroffene mit Unterkünften, «psychosozial» sowie mit Lebensmitteln, Schulunterricht und «einem Sinn für die Zukunft» zu versorgen.

Grenzübergänge werden wohl geöffnet

Zur Verbesserung der humanitären Hilfe in schwer zugänglichen Erdbebengebieten Syriens will Präsident Baschar al-Assad Diplomaten zufolge zwei weitere Grenzübergänge in die Türkei öffnen. Bab Al-Salam und Al Ra’ee sollten für drei Monate geöffnet werden, berichtete Griffiths dem UN-Sicherheitsrat gestern mehreren Diplomaten zufolge. Weiterlesen

Satellitenbilder zeigen langfristige Folgen der Erdbeben

Darmstadt (dpa) – Die schweren Beben in der Türkei und in Syrien haben nach Daten von Satelliten womöglich langfristige geologische Folgen. «In der Küstenstadt Iskenderun scheint es erhebliche Absenkungen gegeben zu haben, die zu Überschwemmungen geführt haben, während das Beben viele Hügel im ganzen Land einem ernsthaften Erdrutschrisiko ausgesetzt hat», hieß es von der europäischen Raumfahrtagentur Esa.

Der Sender NTV hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass Gebäude in der türkischen Küstenstadt wegen überfluteter Straßen evakuiert werden mussten. Weiterlesen

«Unglaublich anstrengend»: Rettungsteams aus Türkei zurück

Von Petra Albers und Volker Danisch, dpa

Köln (dpa) – Applaus, Blumen und Pralinen für die Helferinnen und Helfer: Mehrere Such- und Rettungsteams aus Deutschland sind nach tagelangem Einsatz im Erdbebengebiet der Türkei nach Hause zurückgekehrt. Am Flughafen Köln/Bonn landete gestern Abend ein Flugzeug mit fast 100 Einsatzkräften des Technischen Hilfswerks (THW) sowie der Hilfsorganisationen I.S.A.R. Germany und BRH Bundesverband Rettungshunde. Bei ihrer Ankunft wurden sie von Familienangehörigen, Kameraden und in Deutschland lebenden Türken mit lautem Jubel empfangen.

«Wir wollen einfach persönlich Dankeschön sagen», sagt Cansu Güler, die mit Rosen gekommen ist. «Meine Heimat hilft unserer Heimat, das ist so wunderbar. Wir sind hier geboren und aufgewachsen, aber die Türkei ist auch unsere Heimat.» Gülsah Demirhan und zwei Freundinnen halten eine deutsche und eine türkische Flagge nebeneinander. «Ich habe viele Freunde im Erdbebengebiet», erzählt Demirhan. «Wir fühlen eine tiefe Verbundenheit mit den Rettungsteams. Das wollen wir durch diese Geste einfach zeigen.»

«Froh, dass wir einen Beitrag leisten konnten»

Mit vielen anderen Menschen bilden sie ein Spalier, als die Retter zwei Stunden später als erwartet in die Ankunftshalle treten. Ein Mädchen hält ein Schild mit der Aufschrift: «Willkommen! Du bist der beste Papa der Welt!» – ehe es seinem Vater in die Arme fällt.

Auch THW-Einsatzleiter Jörg Eger freut sich auf seine Familie. «Es war ein anstrengender Einsatz mit großen Herausforderungen», sagt er. «Aber wir sind froh, dass wir einen Beitrag leisten konnten und erleichtert, dass wir alle gesund wieder zurück gekommen sind.» Das THW-Team war am Mittwoch mit vier Hunden sowie 16 Tonnen Ausrüstung in der Türkei eingetroffen. In der Nacht zum Sonntag hatte es gemeinsam mit türkischen Helfern eine 88-Jährige lebend aus Trümmern im Erdbebengebiet gerettet.

Das Team der in Nordrhein-Westfalen beheimateten Organisationen I.S.A.R. und BRH war mit sieben Hunden seit vergangenem Dienstag in Kirikhan im Einsatz und hat nach eigenen Angaben dort vier Menschen lebend aus den Trümmern gerettet. Darunter war auch eine Frau, die in einer rund 50 Stunden dauernden Rettungsaktion aus einem eingestürzten Gebäude befreit wurde.

«Die Dimension des Geschehens war einfach unvorstellbar»

Notarzt Daniel Lankers, der der verschütteten 40-Jährigen immer wieder Mut zugesprochen hatte, wird bei seiner Ankunft in Köln/Bonn von den Wartenden besonders laut bejubelt und gefeiert. Die Frau war allerdings nach ihrer Rettung im Krankenhaus gestorben.

Astrid Kalff von I.S.A.R. hatte ihre Hündin Hope immer wieder über die Trümmer geschickt. «Der Einsatz war unglaublich anstrengend, die Dimension des Geschehens war einfach unvorstellbar. Die Wahrscheinlichkeit, noch jemand lebend zu finden, war äußerst gering», sagt sie. «Aber am Ende hat unser Team vier Leben gerettet – das macht uns sehr stolz.»

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Acht tote Schnabelwale an Zyperns Küste gestrandet

Nikosia (dpa) – Mindestens acht Schnabelwale sind in den vergangenen Tagen an der Nordwestküste der Mittelmeerinsel Zypern angeschwemmt worden. Zur Todesursache sei noch nichts bekannt, hieß es von der zuständigen Fischereibehörde der Mittelmeerinsel. «Wir sind uns noch nicht im Klaren, was geschehen ist», sagte der Sprecher der Fischerei- und Meeresforschungsbehörde, Ioannis Ioannou, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Bei sieben der Tiere handelte es sich demnach um Cuvier-Schnabelwale (Ziphius cavirostris), die weltweit am weitesten verbreitete Art. Beim achten Tier stand die Bestimmung zunächst noch aus. Weiterlesen

Trotz Beben: Türkischer Angriff in Syrien

Damaskus (dpa) – Trotz der Erdbebenkatastrophe greift die Türkei Aktivisten zufolge weiterhin Ziele in Syrien an. Ankara habe mit einer Drohne ein Fahrzeug der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) attackiert und dabei einen Zivilisten getötet, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Bei dem Angriff am Sonntag in der Stadt Kobane nahe der türkischen Grenze wurden den Angaben nach auch mehrere Menschen verletzt. Den Aktivisten zufolge handelt es sich um den ersten türkischen Angriff mit einer Drohne seit die heftigen Erdbeben die Region vor einer Woche erschüttert haben. Weiterlesen

Hoffnung und Trauer: Erschöpfte Helfer in der Türkei

Von Anne Pollmann , dpa

Kahramanmaras (dpa) – Uwe Enze sitzt vor den Trümmern eines Wohnhauses in der Stadt Kahramanmaras. Neben ihm liegt seine völlig erschöpfte Suchhündin Pia. Gleich geht es wieder los. Enze laufen Tränen über die Wangen, wenn er von den Erlebnissen der letzten Tage erzählt: «Wir sind alle eine große Menschenfamilie. Das sollten wir alle beherzigen», sagt er und legt sich die Hand auf Herz.

60 Überlebende hat die Hündin schon in den Trümmern gefunden. Die Freude dann sei unbeschreiblich. Und Tote? Er hat aufgehört zu zählen. Auch dafür fehlen Enze die Worte. Seit Tagen schwankt er zwischen «Verzweiflung, Hoffnung, Fassungslosigkeit».

Als Uwe Enze von dem Beben aus den Nachrichten hört, meldet sich der Hundetrainer umgehend als Freiwilliger beim türkischen Konsulat. Zwölf Stunden später sitzt er im Flieger. «Die Organisation vor Ort ist unbeschreiblich gut.» Für Schlaf ist seitdem kaum Zeit. Am Morgen wacht er mit eingefrorener Mütze in seinem Zelt auf. Enze ist einer von mehr als Hunderttausend Freiwilligen, die in die Erdbebenregion gereist sind.

Eine der Geretteten ist Fatma-Nur. Die zweieinhalbjährige hat 56 Stunden unter den Trümmern gelegen. Zwei Tage lang hätten sie um das kleine Mädchen gebangt, erzählt der Vater. Er und seine Frau hätten sich in zwei Stunden aus den Trümmern befreit, aber an die einzige Tochter, die Helfer später in den Trümmern unter ihrem Bett fanden, kamen sie ohne Hilfe nicht.

Waren es Helfer, die Fatma-Nur gerettet haben? Die Abgrenzung zwischen Helfern und Opfern verwischen vor Ort. Jeder, der kann, packt an. In den Trümmern stehen Väter, Mütter und Tanten von Getöteten und suchen weiter nach Angehörigen von Nachbarn, Freunden oder nach völlig Unbekannten.

Enze kann die «Solidarität, Herzlichkeit und Dankbarkeit» der Menschen vor Ort kaum fassen. «Das was wir von den Leuten empfangen, beeindruckt mich sehr.» In der Ahrtal-Katastrophe habe es auch viel Hilfe gegeben, aber hier in Kahramanmaras, das sei unbeschreiblich. «Die Leute hier fallen uns um den Hals.» Immer wieder würde ihnen auch Futter für die Hündin vorbeigebracht, ohne dass sie danach fragen.

Die Solidarität erlebt auch Tuncay Ilker. Der Koch aus Istanbul sitzt auf der Ladefläche eines großen Lkw im Zentrum der zerstörten Stadt und rührt in einem gigantischen Kessel Linsensuppe. Menschen hätten alles verloren und würden das wenige, was sie haben, noch mit allen teilen wollen.

Dass noch viele weitere unter den Trümmern verschüttet liegen, verrät der Geruch in der Luft der Stadt mit ehemals 800 000 Einwohnern. Wie viele von ihnen überlebt haben, keiner weiß es. Einige Helfer reisen bereits ab, andere kommen wieder oder reisen neu an. Turkish Airlines verabschiedeten am Sonntagabend deutsche Helfer mit Rosen am Flughafen in Istanbul, wie ein Sprecher berichtete. Jeder Tag in der Katastrophe birgt neue Herausforderungen, kleiner werden sie mitnichten.

Dass auch dann weiter geholfen wird, wenn es für viele Menschen in Deutschland in den Hintergrund rückt, dafür will der Bremer Morteza Eshghparast vom Verein Dunya sorgen. «Wir wollen langfristig unterstützen.» Auch ihm kommen die Tränen. Er habe selber mehrere Tote geborgen. «Aber wir müssen einen klaren Kopf behalten, damit wir helfen können.»

Auch nach unglaublichen sieben Tagen werden noch immer Überlebende gefunden. Dass einer irgendwann der letzte sein wird, ist unbestritten – auch dass die Schutthaufen dann irgendwann mit Maschinen abgebaggert werden. Was das für die Menschen bedeutet, die vor den Trümmerbergen zumindest auf den Fund der Körper ihrer Familien oder ihrer Freunde hoffen, ist kaum vorstellbar. Enze und Hündin Pia denken zumindest bisher noch nicht daran abzureisen.

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