Panzerknacker am Werk – Bank reduziert Service nach Automaten-Sprengung Von Julia Giertz, dpa

Die Panzerknackerbande aus der Walt-Disney-Welt hat mit den heutigen Tätern wenig gemein. Diese gefährden durch Sprengungen von Geldautomaten sogar Menschenleben. Banken ziehen jetzt Konsequenzen, die nicht allen Kunden gefallen dürften.

Heidelberg (dpa/lsw) – Der Sparkasse Heidelberg reicht es: Nach sieben Sprengungen ihrer Geldautomaten seit Anfang 2021 wird jetzt das Netz der Geräte stark reduziert. Im November, Dezember und Januar wurde die Sparkasse von Tresor-Knackern heimgesucht. Die letzte Sprengung fand in dem bei jungen Familien beliebten neuen Stadtteil Bahnstadt in einem Wohnhaus statt. «Die Täter gehen dabei mit äußerster Brutalität vor und nehmen immer mehr auch die Gefährdung von Leib und Leben in Kauf», heißt es in einer Mitteilung der Bank. Folge: Wegen höchster Gefährdungsstufe werden Maschinen an 9 von 24 Standorten abgebaut.

Die Heidelberger Banker sind nicht die einzigen, denen organisierte Banden übel mitgespielt haben. Im ganzen Land wurden 41 Automatensprengungen im Jahr 2020 registriert, davon schlugen 25 fehl. Das ist der höchste Wert seit 2017. Damals waren es noch 18 Fälle, davon 8 Versuche. Die Aufklärungsquote beträgt nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) 36,6 Prozent. Im vergangenen Jahr fiel die Zahl mit 23 geringer als 2020 aus – vermutlich wegen der Corona-Einschränkungen.

Baden-Württemberg ist regional sehr unterschiedlich betroffen. Von den 136 Fällen der vergangenen fünf Jahre entfielen 22 auf das Polizeipräsidium Mannheim, gefolgt von Heilbronn (21) und Freiburg und Karlsruhe (je 18). In Aalen und Ulm wollten Kriminelle in nur jeweils drei Fällen mit einem Gasgemisch oder Festsprengstoff Tresore knacken.

Diese Delikte verursachen Schäden in Millionenhöhe. Laut LKA summierte sich die Beute in den vergangenen fünf Jahren auf 7,5 Millionen Euro, der Sachschaden auf etwa 6,8 Millionen Euro. Im Durchschnitt werden pro Fall rund 55 000 Euro erbeutet. Die Beschädigungen belaufen sich auf knapp 50 000 Euro.

Bundesweit wird mehr als einmal am Tag einer von rund 60 000 Geldautomaten angegriffen, weiß Oliver Klempa, Experte für Sicherheitsfragen beim Sparkassenverband Baden-Württemberg. Dass noch keine Menschen zu Schaden gekommen sind, sei ein glücklicher Zufall. Die Kriminellen achten nicht immer darauf, ob ein Wohngebäude in der Nähe ist oder sie wissen nicht, wie weit die Teile fliegen können, ist Klempa überzeugt. «Für Anwohner ist so eine Sprengung ein Riesenschreck und nicht leicht zu verdauen, wenn es rumst.»

Nicht nur die Kreditinstitute sind Opfer von kriminellen Banden, die laut LKA oft aus Osteuropa oder den Niederlanden kommen, sondern auch deren Kunden. «Das ist ein Verlust an Service», meint der Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim mit Blick auf das immer dünnere Automatennetz. «Bargeld kann nicht mehr so spontan abgehoben werden, Wege verlängern sich.» Auch die Heidelberger Sparkasse bedauert den Schritt. «Aber alle bisherigen umfassenden Maßnahmen und hohen Investitionen in die Sicherheit der Geldautomaten waren nicht von Erfolg gekrönt», begründet ein Sprecher den drastischen Schritt. Außerdem sei von den bisherigen Standorten in einem Umkreis zwischen ein und drei Kilometern auch eine der 42 mit Selbst-Abhebe-Service ausgestatteten Filialen zu erreichen.

Burghof moniert, die deutschen Behörden nähmen das Problem zu wenig ernst. «Wir haben lange untätig zugesehen, obwohl es um Gewaltkriminalität geht.» Menschenleben seien nicht nur durch womöglich falsch dosierten Sprengstoff bedroht, sondern bei Fluchtfahrten der Täter mit Tempo 300 über die Autobahn.

Den Vorwurf der Ignoranz will die Polizei nicht auf sich sitzen lassen. Das LKA verweist auf einen Maßnahmenkatalog zum Schutz von Geldautomaten, den die Polizeien der Länder und des Bundes gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Deutschen Kreditwirtschaft und der Versicherungen entwickelt haben. «Aber zum Umsetzen kann man ja keinen zwingen», sagt der Sprecher des LKA. Außerdem scheitere die Verfolgung der Täter oft an mangelnder Rechtshilfe im Ausland.

Dass die vorgeschlagenen Maßnahmen wirken, zeige das Beispiel einer lange stark betroffenen Bank, sagt der LKA-Sprecher. Diese habe sich mit einem Maßnahmenmix zur Wehr gesetzt. Dazu gehören nächtliche Schließzeiten, Alarmauslöser, Videoüberwachung, Vernebelung bei illegalem Betreten der Räumlichkeiten, mechanische Sicherungen in den Geldautomaten und Einfärben der Scheine beim Öffnen der Geld-Kassette. Und überall am Standort wurde darüber sichtbar informiert. Bisher mit Erfolg – in diesem Jahr wurden noch keine Automaten des besagten Instituts angegriffen.

 

 

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