Evangelischer Kindergarten Vitelliuspark feierlich eingeweiht

Wittlich. Mehrfach Grund zum Feiern gab es vor einigen Tagen in der Römerstraße. Offiziell konnte der erste im Passivhaus-Standard zertifizierte Kindergarten in Rheinland-Pfalz, der  „Evangelische Kindergarten Vitelliuspark“ in Betrieb gehen. Zu dem Festakt mit über 100 geladenen Gästen waren unter anderem Irene Alt, Ministerin für Integration, Familie, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz und Landrat Gregor Eibes in den Vitelliuspark gekommen. Bürgermeister Joachim Rodenkirch und Vorsitzender der Stiftung Stadt Wittlich nutzte die Gelegenheit der Ministerin Grüße an ihren Minister- und Kabinettskollegen, Innenminister  Roger Lewentz mitzugeben: Das innovativ aufgestellte Wittlich wolle mit gleichem Energie-Standard und ressourcenschonend wie beim Kindergarten Vitelliuspark ein neues Rathaus für die Stadt neben der Verbandsgemeinde Wittlich-Land realisieren.

Inoffiziell bezogen hatten die ersten Kinder bereits am 19. März 2012 den Kindergarten Vitelliuspark. Seit Mitte März betreibt die Evangelische Erziehungshilfe Veldenz in dem Neubau einen viergruppigen Kindergarten in kleiner Altersmischung. Nach der aktuell vorgesehenen Betriebsstruktur wird der Kindergarten 60 neue Plätze, davon 28 Plätze für Kinder unter drei Jahren, anbieten. Damit wächst das Angebot von Kindergartenplätzen in der Stadt Wittlich auf über 700, davon rund 130 für Kinder unter drei Jahren. Der neue Kindergarten liegt stadtnah, ist auch gut zu Fuß zu erreichen und bietet für unterschiedlichsten Bedarf Öffnungszeiten zwischen 5.30 und 22.30 Uhr. Das Angebot richtet sich ausschließlich an Wittlicher Bürger. Dies trägt dem gesellschaftlichen Wandel im 21. Jahrhundert Rechnung und dem Bedarf von Alleinerziehenden, Schicht- und Nachtarbeitern. Ein Ansatz des Trägers: Berufstätige sollen nicht mehr gezwungen sein, prekäre Beschäftigungsverhältnisse annehmen zu müssen, um Erwerbstätigkeit und Kindererziehung vereinbaren zu können.
 

Premiere ist das Projekt auch für die Stiftung Stadt Wittlich. Sie nutzte erstmals eigenes Stiftungskapital, um damit ein Grundstück im ehemaligen Konversionsgelände zu kaufen und den Kindergarten „schlüsselfertig“ an die Evangelische Erziehungshilfe Veldenz als Betriebsträger des evangelischen Kindergartens zu übergeben. Die Stiftung erhofft sich mit dem Projekt eine höhere Rendite für ihr Stiftungsvermögen als am derzeit „schwächelnden Kapitalmarkt“.
Am Festakt nahmen rund 100 geladene Gäste und die Kinder mit einer musikalischen Einlage teil. Gottes Segen erbaten in einführenden Worten und im Gebet Pfarrerrin Susanne Triebler und Pfarrer Dr. Jörg Weber, Vertreter des Superintendenten und Bildungsreferent im Kirchenkreis. Mit Hilfe der Stadt und der Stiftung sei ein Kindergarten entstanden, in dem es auch um religiöse und interreligiöse Bildung der Kinder gehe. Man wolle den Horizont auch in ökumenischer Hinsicht weiten gleich welcher Nationalität und gleich welcher Religion.

In ihrem Grußwort betonte Ministerin Irene Alt unter anderem: Jeder neue geschaffene Betreuungsplatz enttlaste die Eltern und bedeute Bildung und Betreuung von Anfang an für die Kinder. Ein Platz in der Kita sei für alleinerziehende Mütter und Väter, die besondere Entastung benötigen, „eine ganz wichtige Voraussetzung, damit sie arbeiten und so ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können“.

Im Jahr 2012 würden 414 Mio. Euro in die rheinland-pfälzischen Kitas investiert, 2013 seien es 440 Mio. Euro bei einem Gesamthaushalt von 600 Mio. Euro. Damit werde man die bis 2013 geforderte Betreuungsquote von 35 Prozent für die Unterdreijährigen schaffen.  Unter den rund 2500 Kitas in Rheinland-Pfalz steche der Kindergarten Vitelliuspark in mehrfacher Hinsicht heraus: Durch die Zertifizierung als Passivhaus, zum anderen durch die sogenannte Schichtgruppe mit einer Betreuungszeit von 5.30 bis 22.30 Uhr. Grundsätzlich begrüße sie alle Maßnahmen, die zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf führten.

Dabei dürfe aber die pädagogische Situation der Kinder nicht vergessen werden. Sichergestellt sein müsse, dass die Kinder verlässliche Beziehungen zu vertrauten Bezugspersonen aufbauen können. Sie wünsche allen viel Erfolg und danke allen Beteiligten für die Umsetzung dieses „Vorzeigeprojekts“.

Zu dem besonderen Tag gratulierte auch Landrat Gregor Eibes. Die Symbiose zwischen modernsten Energiestandards mit den baulichen Anforderungen als Kindergarten sei „besonders gut gelungen“. Die Öffnungszeiten zeigten, dass gesellschaftliche Anforderungen im Wandel begriffen seien und man sich diesen Entwicklungen stellen müsse. Eibes machte aber deutlich, dass diese Aufgaben nicht allein von den kommunalen Schultern getragen werden könnten. Bei einer zunehmenden Umverteilung von Lasten durch Bund und Länder auf die Kommunen stoße man an Grenzen. Sonst stelle sich am Ende nur noch die Entweder-oder-Frage und müssten bisherige Standards gesenkt werden.

Für eine Stärkung statt Schwächung der Kommunen als „Keimzellen der Gesellschaft“ sprach sich auch Bürgermeister Joachim Rodenkirch aus, gleichzeitig Vorsitzender der Stiftung Stadt Wittlich. Man sei stolz auf dieses Projekt. Es zeige, wie innovativ Wittlich ist. Gleiches gelte für das geplante Passiv-Rathaus Wittlichs. Die Ministerin bat er, dafür ihr Gewicht in die Waagschale beim Ministerkollegen Roger Lewentz zu werfen. Innovation bedürfe des politischen Rückenwinds und nicht, nur nach „kleinkrämerischer Art zu rechnen“. Allen beteiligten Gremien an dem Projekt dankte Rodenkirch für die Unterstützung, die dieses Projekt nach modernsten Standards erst möglich gemacht hätten.

Wolf-Rüdiger Pfalz, Leiter Evangelische Erziehungshilfe Veldenz, sah beste Vorzeichen, dass die anvertrauten Kinder hier eine Kindheit der inneren Erstarkung erleben könnten, selbstbewusst werden und „nicht jedem Rattenfänger nachlaufen“. Man danke für den großen Vertrauensvorschuss als neuer Betriebsträger in der Stadt Wittlich, den man nicht enttäuschen werde.

Architekt Hajo Edelhoff (Gebäude- und Liegenschaftsmanagement GLM der Stadt Wittlich) ging ausführlich auf den planerischen und baulichen Werdegang des Gebäudes ein. Die jüngste erfolgreiche Zertifizierung als Passivhaus beschert der Stiftung eine zusätzliche Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung. Energetisch ein Passivhaus, wird es durch die darin lebenden Kinder zum Aktivhaus. Die Ausrichtung der Dachflächen ermögliche das Installieren einer Photovoltaikanlage, sodass der Komplex in mehrfacher Weise ein „Energiegewinnhaus“ werde.

Kindergartenleiterin Daniela Mittasch ließ den Festakt mit Gedanken zum Thema Stifte ausklingen, die das Gebäude sowohl innen als auch außen optisch tragen: Stifte symbolisierten Kreativität, und Dokumentation. Angespitzt, vielfältig und bunt machten die einzelnen Farben der Stifte und Lebensfarben der Nationalitäten ein Ganzes: Ein buntes und lebendiges Bild. Zum heutigen Tag schrieben die angespitzten Stifte ein großes DANKE an alle. /hg. 

Hintergrund:
Das Gebäude mit einer Nutzfläche von rund 960 Quadratmetern kostet rund 2,2 Mio. Euro. Das Land Rheinland-Pfalz fördert den Bau der Stiftung mit einem Zuschuss von 332.000 Euro aus dem Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2008-2013“; der Kreis hat 230.081,35 Euro als örtlicher Träger der Jugendhilfe bewilligt. Des Weiteren stellt das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung eine Zuwendung in Höhe von 25.000 Euro für hochenergieeffiziente Gebäude zur Verfügung.
Mit den Architektenleistungen hat die Stiftung Stadt Wittlich das Gebäude- und Liegenschaftsmanagement (GLM) der Stadt Wittlich beauftragt. Das Gebäude  wurde von Architekt Hajo Edelhoff so konzipiert, dass es unterschiedlichen Nutzungen und Raumaufteilungen auch in der Zukunft gerecht wird. Als Passivhaus ausgelegt, unterstreicht es auch die Nachhaltigkeit und zeitgemäßes Bauen im 21. Jahrhundert. Der Heizwärmebedarf liegt kleiner 15 kWh/Quadratmeter jährlich. Umgerechnet in Heizöl kommt ein Passivhaus im Jahr mit weniger als 1,5 Liter pro Quadratmeter aus. Es handelt sich um den ersten in Rheinland-Pfalz zertifizierten Kindergarten in Passivhausbauweise. Das entsprechende Prädikat wurde am Dienstag vergangener Woche erteilt.

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