DER UNFASSBARE LÄSST SICH EINGRENZEN

Trier – Gesänge und Wortbeiträge ergänzten sich optimal beim Abendlob gestern: Das Lewandowski-Ensemble aus Düsseldorf sang jüdische Musik, Reinhold Bohlen erläuterte die Bedeutung der Psalmen-Texte.

Das waren keine alltäglichen Klänge im Trierer Dom, die das Lewandowski-Ensemble aus Düsseldorf unter Leitung von Axel Weggen beim Abendlob am 15. April darbot. Der eindringliche und dichte Gesang auf Hebräisch sorgte für eine meditativ-besinnliche Stimmung im abgedunkelten Dom: typische Abendlob-Stimmung, wie sie so viele Pilger und Besucher seit der Wallfahrt von 1996, als diese besondere liturgische Form eingeführt wurde, schätzen gelernt haben.

Berukhim hab-ba’im – Gesegnet Sie alle, die Sie gekommen sind! Prof. Dr. Reinhold Bohlen, bischöflicher Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog im Bistum und Leiter des Emil-Frank-Instituts in Wittlich, betonte zu Beginn, dass „die Synagoge und die Kirche, Juden wie Christen, für ihr Beten aus den Psalmen schöpfen – in diesem Abendlob sogar gemeinsam“. In seinen Wortbeiträgen gab er wichtige Impulse zum Verständnis der vorgetragenen Werke.

„Die jüdische Tradition bezeichnet die Psalmen in ihrer Gesamtheit als Lobgesänge, als Preisungen“, sagte er. Und das, obwohl in vielen Liedern der Sammlung auch Trauer und Klage, Verlassenheit und bittere Not zum Ausdruck kämen. „Es geht um menschliches Leben in allen Facetten.“ Nichts von der widerspruchsvollen Selbsterfahrung des Menschen werde ausgeblendet.

Die Zusage der Liebe Gottes

Der erste Beitrag des Lewandowski-Ensembles, eine Vertonung von Psalm 103, 15-17 ist ein Beispiel dafür: „Der Mensch – wie Gras sind seine Tage, wie die Blume des Feldes, so blüht er. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin …“ Zeilen, die die Erfahrung der Vergänglichkeit des Lebens widerspiegeln. Aber dann, welcher Kontrast: „Doch die Liebe des Herrn währt immer und ewig, über denen, die ihn fürchten!“ Bohlen wies an der Stelle auf den neutestamentlichen Lobgesang Mariens hin, der diese Aussage aufgreife.

Auf dem Programm des Abendlobs mit jüdischer Musik unter Mitwirkung der Solisten Celine Freitag (Sopran) und Wolfram Wittekind (Tenor) standen unter anderem auch zwei Vertonungen von Hawdala und Kiddusch. Kiddusch ist der Segensspruch über den Wein zu Beginn des Sabbats und Hawdala der „Unterscheidungssegen“, der bei Einbruch der Nacht am Ende des synagogalen Abendgottesdienstes gesprochen wird. Beides sind Segenssprüche, die für das jüdische Beten charakteristisch sind.

Auch hier schlägt Bohlen wieder eine Brücke zum Neuen Testament: „Nur selten berichten die Evangelien vom Inhalt des Gebetes Jesu. Aber sie lassen erkennen, dass sein Gebet oft Danksagung nach der Art des großen jüdischen Dank- und Segensgebetes war.“ Diese Form des Gebets habe auf Wunsch von Papst Paul VI. auch wieder Eingang in die Eucharistie gefunden – „das ist Ausdruck unserer bleibenden Verwurzelung im Judentum“, sagte Bohlen. 

Vor dem gemeinsamen Vater unser und dem Schlusssegen sagte Bischof Dr. Stephan Ackermann, dass für ihn an diesem Abend im Angesicht des Heiligen Rocks und beim Hören der auf Hebräisch vorgetragenen Psalmen vor allem eines deutlich geworden sei: „Gott ist nicht abstrakt. Er ist Mensch geworden in einer konkreten Situation, an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit. Der Unfassbare lässt sich eingrenzen.“ Ohne diesen geschichtlichen Zusammenhang sei die Person Jesu nicht zu verstehen. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Juden und Christen und auf das Motto der Wallfahrt sagte Ackermann: „Das, was Juden und Christen trennt, ist der Glaube an Jesus. Das, was uns eint, ist unser Glaube an den einen Gott.“

Während der Wallfahrt findet täglich um 21 Uhr ein Abendlob im Dom statt. Heute: Der andere Chor Dillingen unter Leitung von Thomas Bernardy, Wort: Marliese Klees, Saarbrücken; am 18. April: Kammerchor Westeifel unter Leitung von Christoph Schömig, Wort: Mirijam Schaeidt OSB, Trier-Kürenz. Informationen rund um die Heilig-Rock-Wallfahrt gibt es im Internet unter www.heilig-rock-wallfahrt.de oder im Wallfahrtsbüro, Tel.: 0651-7105-8012.

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