Paul von Rusdorf

Hochmeister des Deutschen Ordens aus Roisdorf

Paul von Rusdorf
Paul von Rusdorf

Den Staat des Deutschen Ordens mit seinem Herzland Ostpreußen gibt es schon lange nicht mehr, aber im Mittelalter und der frühen Neuzeit war er einer der großen politischen Akteure im Ostseeraum. Der einst im Heiligen Land gegründete Deutsche Orden, der Hauptträger dieses Staates, fühlte sich dem Kreuzzugsgedanken verpflichtet und hatte zwischen Danzig und dem Baltikum energisch versucht, das Christentum den dortigen heidnischen Völkern notfalls mit Feuer und Schwert aufzuzwingen. Kein Wunder, dass er sich dabei viele Feinde machte, zumal die deutschen Ordensritter in baltisch-slawischer Umgebung vielfach als landfremde Eindringlinge empfunden wurden. Als 1386 der litauische Großfürst Władysław II. Jagiełło polnischer König wurde, machte diese Verbindung  zweier Hauptgegner des Ordensstaates – Litauer und Polen – die Lage besonders brenzlig. Im Jahr 1410 kam es bei Tannenberg in einer der berühmtesten Schlachten Europas zum blutigen Aufeinandertreffen dieser osteuropäischen Großmächte. Das bis dahin als unbesiegbar geltende Heer des Ordens, das ebenso wie der Gegner Krieger unterschiedlichster Länder aufwies, erlitt eine katastrophale Niederlage.

Zwei Jahre später taucht in den Urkunden erstmals Paul von Rusdorf als Mitglied des Deutschen Ordens auf. Bereits 1413 übte er als Komtur und Vogt wichtige Ämter im Ordensstaat aus, weitere – mit heutzutage so fremd wirkenden Bezeichnungen wie Treßler und Trappier – kamen bald hinzu. Ob Ordensritter Paul schon in der Schlacht von Tannenberg mitkämpfte, ist nicht bekannt. Altersmäßig wäre dies durchaus möglich gewesen, denn sein nicht genau bekanntes Geburtsjahr wird meistens um 1385 vermutet. Paul stammte aus einer kurkölnischen Ministerialienfamilie der Voreifel. Sie hatte ihren Sitz im heute zu Bornheim gehörenden Roisdorf und war durch verwandtschaftliche Beziehungen mit vielen linksrheinischen Adelsfamilien verbunden. Der Dienst im Deutschen Orden fern von Eifel und Rhein stand für manche Eifler Adlige schon lange hoch im Kurs. Bereits zweihundert Jahre vor Paul von Rusdorf war der Eifler Gerhard von Malberg Hochmeister des Deutschen Ordens gewesen. In dieses höchste Amt des Ordens wählte das Generalkapitel des Ordens im Jahr 1422 den klugen und in der Ordensverwaltung erfahrenen  Rheinländer Paul. Er trat sein Amt in einer der schwierigsten Phasen des Ordensstaates an. Die Ordensritter waren nicht nur durch die Niederlage von Tannenberg geschwächt, sondern ihr Staat stand auch wirtschaftlich vor enormen Problemen. Der Ordensstaat musste sich der ökonomischen Konkurrenz der Hanse erwehren, deren Mitglieder von Danzig bis Estland erfolgreich Handel trieben. Paul von Rusdorf versuchte, durch Erhöhung von Steuern und Abgaben die finanzielle Lage seines Staates zu verbessern, aber dies führte zu Unmut unter der Bevölkerung, zudem wollten die Städte stärker an den Einnahmen beteiligt werden.

Der Adel, aber auch andere Stände im Ordensland, lagen in fast ständigem Streit mit der Regierung. Heftig wurde über Reformen gestritten. Hochmeister Paul versuchte, das althergebrachte System mit den Privilegien der Ordensritter möglichst zu bewahren, fand dabei aber nicht die  geschlossene Unterstützung aller Ordensritter. Sein größter Gegner innerhalb des Ordens war der gleichaltrige Eberhard von Saunsheim, der als Deutschmeister Macht und Einfluss besaß und sowohl innen- als auch außenpolitisch ein scharfer Kritiker der Politik des Hochmeisters war. Außenpolitisch gelang es Hochmeister Paul, die nach der Tannenberg-Schlacht angeschlagene Position des Ordens zu stabilisieren und Gegensätze zwischen Litauen und Polen auszunutzen. Zu seinen ersten Handlungen als Hochmeister hatte 1422 der Friedensvertrag vom Melnosee mit Polen und Litauen gehört, durch den die Grenzen Ostpreußens für viele Jahrhunderte dauerhaft festgelegt wurden. Wegen anderer Streitigkeiten dauerte die Feindschaft vor allem mit Polen jedoch an. 1431 erklärte der  Hochmeister dem Königreich Polen sogar den Krieg; die Kämpfe endeten – wenig erfolgreich für den Orden – 1436 mit dem Frieden von Brest. Solche kriegerische Aktivität hielt spätere preußische Historiker nicht davon ab, den Rheinländer als „kraftlos“ zu verunglimpfen und ihm persönlich die gesunkene Bedeutung des Ordens anzurechnen. Der körperlich kleine Mann aus Ruisdorf war offenkundig kein Haudrauf, sondern verband religiös fundierte Prinzipienfestigkeit mit persönlicher Liebenswürdigkeit. Lange konnte sich Hochmeister Paul auf diese Weise behaupten, aber letztlich unterlag er – gesundheitlich stark geschwächt – dem Dauerfeind Eberhard von Saunsheim und dessen Anhängern. Anfang Januar 1441 gab Paul sein Hochmeisteramt auf, nur eine Woche später starb er. Paul von Rusdorf wurde auf der Ordensburg Marienburg, dem größten Backsteinbau Europas, beigesetzt. Aus dem Staat, den der Eifler fast zwei Jahrzehnte gelenkt hatte, ging wenige Generationen später Preußen hervor, das bis ins 20. Jahrhundert die europäische Geschichte maßgeblich mitgestaltete.

Verfasser: Gregor Brand

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