Joseph Kentenich

Gründer der internationalen Schönstatt-Bewegung aus Gymnich

Joseph Kentenich
Joseph Kentenich

Das Bischöfliche Konvikt in Prüm, in dem ich während meiner Gymnasialzeit wohnte, wurde von Schönstätter Marienschwestern geführt. Auf den Namen ihres Gründers machte mich erstmals Schönstatt-Schwester Dietmara Seewald aufmerksam. Als die strenge Erzieherin uns jungen Konviktoristen gegenüber erwähnte, dass die Schönstatt-Gemeinschaft von „Pater Kentenich“ gegründet worden sei, fragte ich nach: „Wie hieß denn dieser Pater?“ Ich hatte nämlich verstanden, vom Pater – „den kennt ihr nicht“. Ihre knappe Antwort  „Kentenich“ empfand ich als ausweichend und fragte erneut:„Ja, aber wie hieß er denn?“ Darauf sie, jetzt mit betont deutlicher Aussprache: „Joseph Kentenich!“ Von da an sagte mir der Name dieses Mannes etwas; durch Fotos wurde mir auch sein Gesicht vertraut. Es war das eines weisen Greises mit wallendem Vollbart, bei dem eigentlich nur die Hornbrille erkennen ließ, dass man es nicht mit einem mittelalterlichen Heiligen zu tun hatte. Nur wenige Monate später erfuhren wir vom plötzlichen Tod des Priesters. Am 15. September 1968 war Josef Kentenich kurz nach seiner ersten Feier des Sonntagshochamts in der neu errichteten Dreifaltigkeitskirche auf Berg Schönstatt gestorben. Der Todestag von Pater Kentenich, dessen 1975 eröffneter Selig-und Heiligsprechungsprozess noch andauert, war seltsamerweise ausgerechnet der Festtag des „Gedächtnisses der Schmerzen Mariens“. Vermutlich gibt es keinen passenderen Tag im katholischen Kalender, denn die besondere Verehrung der Gottesmutter stand lebenslang im Zentrum der katholischen Frömmigkeit Kentenichs. Überdies war seine Biographie durch vielfältige Leiderfahrungen, zu denen zwei Weltkriege und das Konzentrationslager gehörten, geprägt worden.
Pater Kentenich mag zwar im Alter ausgesehen haben, als habe er ein Einsiedlerleben fern des Weltgeschehens geführt, aber von Beschaulichkeit konnte keine Rede sein. Bereits die familiären Umstände seiner Geburt 1885 in Gymnich waren aus damaliger Sicht alles andere als unproblematisch: Seine Mutter, die Magd Katharina Kentenich (1861–1939), war mit dem Vater des Kindes, dem 20 Jahre älteren Gutsverwalter Matthias Köp (1841–1931), nicht verheiratet. Der uneheliche Junge wuchs teils bei seiner alleinerziehenden Mutter, teils bei seinen Großeltern auf, ehe die Mutter den Achtjährigen in ein Waisenhaus nach Oberhausen brachte; dort verließ er als Dreizehnjähriger 1899 die Volksschule. Anschließend kam der sehr fromme Junge in das Missionsgymnasium der Pallottiner in Ehrenbreitstein, wo er 1904 Abitur machte. Es folgte ein Theologiestudium in den Einrichtungen der Pallotiner, ehe Josef Kentenich 1910 zum Priester geweiht wurde. Hinter diesem für einen Priester recht  „normal“ anmutenden Studienweg verbargen sich Jahre voller schwerer Glaubens- und Sinnkrisen und das niederdrückende Gefühl von Einsamkeit. Vielleicht hätten die Lebenszweifel den jungen Pallotiner – wie so viele junge Menschen um die Jahrhundertwende – in den Suizid getrieben, wenn er nicht neuen Lebenssinn in der seit Kindertagen stark ausgeprägten Marienfrömmigkeit gefunden hätte. Nach der Priesterweihe wurde Kentenich zuerst Lehrer an seiner früheren Schule in Ehrenbreitstein, dann wechselte er als Spiritual ins Studienheim der Pallotiner nach Schönstatt-Vallendar. Unter seiner geistlichen Führung bildete sich dort die Basis der Schönstatt-Bewegung. Die seit 1914 als Marianische Kongregation organisierten Schönstätter verkörperten mit ihrer Hinwendung zu geistlichen Idealen eine Gegenwelt zu der Kriegsrealität des Ersten Weltkriegs. Einen Monat vor Kriegsende fiel Josef Engling (1898–1918), einer von Pater Kentenichs hoffnungsvollsten Schülern, als Soldat in Nordfrankreich.
Nach Kriegsende brachte Kentenich mit Vorträgen, Kursen, und Exerzitien seine marianische Gläubigkeit und das Ideal der Werktagsheiligkeit Tausenden von Menschen, die ihn in Schönstatt aufsuchten, nahe. Neue Organisationsformen entstanden, so etwa das 1926 gegründete Säkularinstitut der Schönstätter Marienschwestern. Den Nationalsozialismus hielt Kentenich für fundamental antichristlich. 1941 wurde er von der Gestapo verhaftet und nach vierwöchiger Haft in einer Dunkelzelle und weiterer Gefängnishaft schließlich von 1942 bis April 1945 im KZ Dachau interniert. Die Nachkriegsjahre waren äußerlich gekennzeichnet durch eine rege internationale Reisetätigkeit des Paters, aber auch durch innerkatholische Auseinandersetzungen um seine Person und sein Werk. Unter den Pallotinern ebenso wie im Vatikan gab es manche, die an seiner katholischen Rechtgläubigkeit zweifelten. 1952 wurde Pater Kentenich gewissermaßen ins Exil nach Milwaukee/USA geschickt, aus dem ihm erst 1965 die Rückkehr erlaubt wurde. In den wenigen noch verbleibenden Lebensjahren widmete sich der charismatische Priester unermüdlich seiner längst international tätigen Bewegung. Als er im weltweiten Umbruchjahr 1968 starb, hinterließ Joseph Kentenich ein eindrucksvolles publizistisches Werk, das erst nach und nach erschlossen wird. Verfasser: Gregor Brand

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