Johannes Klassen

Die Geschichte der Hohen Domkirche zu Trier ist im 20. Jahrhundert in musikalischer Hinsicht mit keinem anderen Eifeldorf enger verbunden als mit Wallenborn. Aus diesem nur rund 500 Einwohner zählenden Ort in der Vulkaneifel gingen mit Professor Klaus Fischbach (geboren 1935) und Dr. Johannes Klassen zwei herausragende Musiker hervor, die über fünf Jahrzehnte lang als Domkapellmeister entscheidend zum kirchenmusikalischen Ruf Triers beitrugen.

Johannes Klassen wurde am 21. 12. 1904 als Sohn des Volksschullehrers Franz Klassen und dessen Ehefrau Barbara (geb. Becker) geboren. Wie sein älterer Bruder Peter besuchte er als Internatsschüler das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier. Peter drängte es zum Medizinstudium und er wurde später Chefarzt in Bonn; sein Sohn Dr. med. Dr. phil. Franz-Josef Klassen sowie weitere Nachkommen setzen diese ärztliche Tradition fort.  Johannes dagegen fiel schon in der Schulzeit vor allem durch besondere Musikalität auf. Er war nicht nur als Schüler im Domchor, sondern ihm wurde sogar im Abiturzeugnis attestiert: „Eignet sich als Chorleiter“. Nach dem Abitur studierte Johannes Klassen zunächst Theologie in Trier. Auf die Priesterweihe im April 1930 folgten zwei Jahre als Kaplan im saarländischen Hülzweiler, ehe Klassen, ermutigt vom Musikkenner Bischof Bornewasser, 1932 an der renommierten Musikhochschule Köln ein weiteres Studium aufnahm. Nach 1933 musste der Sohn tiefgläubiger Katholiken erleben, wie sich auch an dieser Institution die NS-Ideologie ausbreitete. Wegen Nichterwiderung des Hitler-Grußes wurde Klassen mit Wirkung vom 1. März 1935 von der Hochschule verwiesen. Glücklicherweise durfte er jedoch zunächst an der Musikhochschule München und später an der Universität Bonn weiterstudieren. Wenige Monate vor Beginn des Weltkriegs legte er sein Examen als Kapellmeister ab. Bischof Bornewasser hatte diese formelle Qualifikation gar nicht abgewartet, sondern den jungen Priester bereits 1934 zum Domkapellmeister ernannt und ihm zahlreiche Aufgaben übertragen, die mit dem Musikleben des Bistums verbunden waren: Klassen wurde unter anderem Gesangslehrer am Priesterseminar, Musikdozent an der Theologischen Fakultät, Berater für Kirchenmusik sowie Orgel-und Glockensachverständiger. Neuen Ideen und Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen, nahm Klassen ab 1941 auch Damen in den Domchor auf – ein geradezu revolutionärer Schritt für die katholische Chormusik, der aber dazu beitrug, dem Chor  ein reichhaltigeres Gepräge zu geben und seine Klangmöglichkeiten zu erweitern. In brillanter Weise durch Klassen geschult, erwarb sich der große Chor – zeitweise bis zu 130 Mitglieder – auch durch Radioaufnahmen und bei Auslandsaufenthalten höchste Anerkennung. Eine Italienreise 1953 führte nicht nur zu Siegen bei einem internationalen Chorwettbewerb, sondern auch zu einer Begegnung mit Papst Piux XII. Als der Papst meinte, bei einigen der dunkelhaarigen Sängerinnen im Chor handele es sich wohl um Römerinnen, entgegnete ihm der humorvolle Eifler schlagfertig: „Eure Heiligkeit, dies sind die letzten, die von den Römern in Trier übrig geblieben sind.“ Zeitzeugen heben  bei Klassen immer wieder dessen herzliches und heiteres Wesen hervor. Der lebensfrohe promovierte Kirchenmusiker, Verfasser von Schriften zum Werk des Komponisten Palestrina, war nicht nur gern Mitglied der Katholischen Deutschen Burschenschaft Sigfridia zu Bonn, sondern hielt auch stets engen Kontakt zu seiner Wallenborner Heimat, aus der neben ihm und Professor Fischbach sogar noch weitere hauptberufliche Kirchenmusiker hervorgingen. 

Klassens Kompositionen umfassen ganz überwiegend Chorwerke, von denen die Motette „Justorum Animae“ als bedeutendstes gilt. Sein kompositorisches Schaffen wäre sicherlich noch umfangreicher, wenn ihm seine unglaublich intensive Arbeit als Domkapellmeister mehr Zeit dafür gelassen hätte. Ob Klassens rastloser Einsatz mit zahllosen Auftritten und Proben von denkwürdiger Intensität mit dafür ursächlich waren, dass er 1957 zwei Tage nach seinem 53. Geburtstag „in der Blüte seiner künstlerischen Schaffenskraft“ (K. Fischbach) kurz vor Weihnachten den Folgen eines Gehirnschlags erlag, steht nicht fest.  Sicher ist jedoch, dass allein schon die Biographie dieses großen Chorleiters das früher gelegentlich geäußerte Vorurteil „Eiflia non cantat“ (Die Eifel singt nicht) gründlich widerlegt.

 Verfasser: Gregor Brand
 

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