Johann Jakob München

Legendärer “Speicherer Här” aus Dudeldorf 144_muenchen_25_13

Unter den Tausenden tüchtiger Eifler Dorfpfarrer der letzten Jahrhunderte ragt Johann Jakob München als unvergessenes Original heraus. Die Erinnerung an den gebürtigen Dudeldorfer wird auch mehr als 150 Jahre nach seinem Tod über seinen Hauptwirkungsort Speicher hinaus nicht zuletzt durch zahlreiche Anekdoten lebendig erhalten.
Johann Jakob München wurde 1768 als Sohn des Dudeldorfer Bürgermeisters und Notars Johann München und dessen Ehefrau Margarete in ein familiäres Umfeld geboren, das im Rückblick durch die ungewöhnliche Vielzahl bedeutender Persönlichkeiten – insbesondere Theologen und Juristen – beeindruckt.

Wie seine Vettern Dominik Konstantin und Wendelin München schlug auch Johann Jakob die geistliche Laufbahn ein. Die Ausbildung erfolgte zunächst in Luxemburg, danach revolutionsbedingt in Trier. In der turbulenten Zeit nach der französischen Revolution wurde der selbstbewusste Dudeldorfer 1794 von Weihbischof J. M. J. von Pidoll zum Priester geweiht. Verblüffenderweise war München aber bereits ein Jahr zuvor in seinem Heimatort als Pastor tätig. Das beruhte, worauf der München-Biograph Professor Andreas Heinz hinwies, auf der merkwürdigen Tatsache, dass den Bürgern von Dudeldorf damals das im Bistum Trier höchst ungewöhnliche Sonderrecht zustand, ihren Pastor selbst wählen zu dürfen. In Ausübung dieses Rechts hatten die Dudeldorfer 1768 ihren studierten Mitbürger Nikolaus Josef Brand, einen Sohn des Notars und Gerichtsschreibers Adam Brand (ca. 1686–1749), zum Pastor gewählt. 1793 fiel die Wahl auf den Jungtheologen Johann Jakob München, dessen Großmutter Katharina Brand eine Tante des erwähnten Pastors Nikolaus Brand war. „Vielleicht hatte man sich gedacht, diesen frischgebackenen Theologen aus dem eigenen Ort zu einem Pastor nach eigenem Muster sich zurechtschneiden zu können. Doch damit war man bei München an den Falschen geraten“ (A. Heinz). Als der frisch gewählte Pastor München am ersten Adventssonntag erlebte, dass sich zahlreiche junge Dudeldorfer im Wirtshaus Nickels trotz Feierverbots schwer betranken, Karten spielten und seine Ermahnungen zum Aufhören dreist ignorierten, setzte er entschlossen die Machtmittel, die seinerzeit einem Pastor zustanden, ohne Rücksicht auf Verwandtschaft und Bekanntschaft ein. Die widerspenstigen Haupträdelsführer, darunter Johann Brand, Hubert Becker und Johann Philipp Brand, mussten vor dem Sendgericht dem Pastor zukünftig genauesten Gehorsam versprechen und als Buße jeweils ein halbes Pfund Bienenwachs an die Pfarrkirche abliefern.
Auch wenn es sich hier nur um eine kleine Episode aus der langen Priestertätigkeit Münchens handelt, so zeigt sie beispielhaft das zupackende Auftreten dieses Mannes, dessen untersetzte körperliche Statur der seines Zeitgenossen Napoleon entsprach. 1817 wechselte München, der 1809 Pfarrer in Heidweiler geworden war, nach Speicher. In diesem Südeifeldorf wirkte er fortan über 40 Jahre lang als Pfarrer und wurde in diesen Jahrzehnten für Generationen von Pfarrangehörigen zur prägenden Autorität. Zahlreiche Geschichten ranken sich bis heute um ihn, die alle das Bild einer charismatischen Respektsperson vermitteln, deren Humor tiefe Menschlichkeit ausstrahlte. Pastor München, der 1850 auch Definitor des Dekanats Bitburg geworden war, verstand sich meisterhaft darauf, harscher Wortwahl durch originell-groteske Zuspitzung die Härte zu nehmen. Typisch dafür ist eine Formulierung aus einer Karfreitagspredigt, in der er nach bildkräftiger Schilderung des Leidens Christi ausrief: „Da liegst du nun nackig und plackig, die Juden haben dich gepeinigt und mit Dornen gekrönt, sie haben dich gekreuzigt – nun ist es noch dein Glück, dass du nicht unter die Speicherer gefallen bist, sonst wär’s dir noch schlimmer ergangen!“

Zu denjenigen, die Pastor Münchens Menschlichkeit tief beeindruckte, gehörte der Speicherer Unternehmer, Meistertöpfer und Künstler Jakob Plein-Wagner (1836–1903), dessen Tante Helena bei Pastor München Haushälterin gewesen war. Wenige Jahre vor seinem Tod modellierte Jakob Plein, der wie Dutzende Jahrgänge Speicherer Kinder bei Pastor München Unterricht erhalten hatte, die hier abgebildete Figur des legendären Pastors. Ein weiteres originelles Denkmal des schon zu Lebzeiten eifelweit bekannten „Speicherer Här“ schufen die Speicherer 1920, als sie ihn auf einem 50-Pfennig-Notgeldschein abbildeten.
Im gesegneten Alter von fast 90 Jahren starb Johann Jakob München im Mai 1858 nach 65-jähriger priesterlicher Tätigkeit – zwei Monate nach seinem neun Jahre jüngeren Bruder Philipp Karl, dem langjährigen Präsidenten des höchsten luxemburgischen Gerichts.
Verfasser: Gregor Brand

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