Oper für Wittlicher Frauen und drei Männer

Erfolgreiches Musikkabarett mit Konduettina zum „Weltfrauentag“ in der Synagoge

Foto © Gesine Kulcke

Es ist nicht ohne, in die strukturschwache Eifel zu fahren, um vorzuführen, was die da oben mit denen da unten machen. Opernmobil oder auch Opern auf Rädern nennen sie das, wenn sie wie am Freitagabend, 6. März 2020 nach Wittlich fahren, um mundgerechte Opernhäppchen an Kulturbanausen im ländlichen Raum zu verabreichen.

Sie diagnostizieren einen opernpädagogischen Förderbedarf und begegnen ihm, indem sie die Oper als permanente Vertonung des Austauschs von Körperflüssigkeiten entlarven. Oper ist Hysterie, Oper ist Polygamie, Oper ist das Richtige im Phallischen, Rigoletto keine Pizzeria und Die Zauberflöte kein Dildo, wie die drei Diven von „Konduettina“ in der Wittlicher Synagoge über hundert Förderbedürftigen und einem vorlauten Schüler aus der siebten Reihe stimmgewaltig vorführen. Und sie wissen nicht nur, wovon sie singen, sie können singen – ob Petry oder Mozart.

Das Musikkabarett geht auf, darf nicht anders sein, sonst träfe es den McKinsey, den Seehofer und den Bouffier nicht, wo es sie treffen muss. Denn Martina Schmerr, Bettina Hackenspiel und Kerstin Kuschik machen anders als hochmütige Hochkulturfanatiker sie und nicht die Wittlicherinnen als die eigentlichen Kulturbanausen aus. Mit Massenware von der Stange wird die Opernkultur geopfert und mit ihr jene, die mit Volkstümeleien abgespeist werden.

Die Wittlicherinnen hätten jedoch Potenzial, wie die Diven das Gästebuch der Synagoge wissen lassen. Zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag muss gesagt werden, dass sich dieses nur entfalten wird, wenn das Recht auf fairen Lohn geachtet wird. Da geht es den laut Erni Schaaf-Peitz, die die Diven im Namen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) anlässlich des Frauentages nach Wittlich geholt hat, unerwartet zahlreich erschienenen Frauen und drei Männern wie den Operndiven: Sie trauern Samt und Seide nach, die es niemals für sie gab.

Das Bild von der nach Samt und Seide kreischenden Operndiva braucht es vielmehr wie das Bild von der mit Kindern kuschelnden und spielenden Erzieherin, damit ihnen genommen und verweigert werden kann, was ihnen zusteht, um aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben zu können. Ganz wunderbar lässt sich mit diesen Bildern in einer kultur- und frauenfeindlichen Gesellschaft legitimieren, dass McKinsey gebucht wird, um wegzurationalisieren, was sich nicht mit wenigen Strichen auf einem Bierdeckel vermessen lässt. Der Abend lebt davon, dass er vorführt, wie Männer ganz oben hessische Mundart, Wolfgang Petry und Andrea Berg mit Opernkultur für das kulturbenachteiligte, weibliche Milieu anrühren: das lacht – und versteht.

Konduettina tritt das nächste Mal am 21. Juni 2020 mit dem aktuellen Programm in Frankfurt auf.

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen