Nach der offiziellen Information am 14. Januar 2022 über die Schließung einer Hausarztpraxis in Gerolstein hat sich für viele Menschen die dramatische Situation ergeben, kurzfristig selbst einen „Ersatz-Hausarzt“ finden zu müssen. Oft nicht mit Erfolg – viele wurden bei ihrer Anfrage von anderen Hausarztpraxen abgewiesen, die ohnehin schon an ihrer Kapazitätsgrenze waren.
Auch Bundestagsabgeordneter Patrick Schnieder hat sich an Gesundheitsminister Hoch gewendet mit der Aufforderung, die medizinische Versorgung unverzüglich wieder sicherzustellen. Der Eifel-Mosel-Zeitung liegt das Antwortschreiben vor:
„Sehr geehrter Herr Abgeordneter Schnieder,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 17.01.2022, mit dem Sie auf die Schließung der hausärztlichen Praxis Dr. Brochhausen in Gerolstein hingewiesen haben.
Gemäß § 75 Abs. 1 SGB V ist die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz als Selbstverwaltungskörperschaft der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz trägt dafür Sorge, dass in allen Landesteilen ausreichend Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen, die gesetzlich Krankenversicherte behandeln.
Die Bedarfsplanung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt auf der Grundlage der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Danach ist das Vorliegen einer Unterversorgung im hausärztlichen Bereich anzunehmen, wenn der Versorgungsgrad im jeweiligen Planungsbereich unter 75 % abgesunken ist. Der hausärztliche Versorgungsgrad für den Mittelbereich Gerolstein liegt laut aktuellem Planungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (Stand 01.09.2021) bei 110,49 %. Umgerechnet auf Vollzeitäquivalente sind 22 Ärztinnen und Ärzte zugelassen. Sofern die hausärztliche Einzelpraxis von Herrn Dr. Brochhausen nicht nachbesetzt werden kann und sich im Mittelbereich ansonsten keine weiteren Veränderungen ergeben, würde sich ein Versorgungsgrad von 105,47 % errechnen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat mitgeteilt, dass der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen dem Antrag von Herrn Dr. Brochhausen auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen hat. Der Vertragsarztsitz wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung in der Januar-Ausgabe 2022 des Ärzteblattes Rheinland-Pfalz ausgeschrieben. Interessentinnen und Interessenten haben die Möglichkeit, sich auf den Sitz zu bewerben.
Die Kassenärztliche Vereinigung unterstützt den Arzt derzeit intensiv bei der Suche nach einer geeigneten Nachfolge. Die persönlichen Berater der KV befänden sich hierzu im direkten Austausch mit Herrn Dr. Brochhausen. Die Kassenärztliche Vereinigung habe außerdem bereits Kontakt mit der übrigen Ärzteschaft vor Ort aufgenommen, um die Versorgungssituation zu besprechen und verschiedene Lösungsansätze zur Stabilisierung der Versorgungslage aufzuzeigen. Dabei werde auch über die Aufnahme neuer Patientinnen und Patienten durch die bereits in der Region vorhandenen Praxen gesprochen. Die kommunalen Vertretungen seien ebenfalls involviert und im Austausch mit der KV.
Die Kassenärztliche Vereinigung hat mir zugesichert, dass sie bestrebt sei, eine kontinuierliche Patientenversorgung zu gewährleisten.
Um die Patientinnen und Patienten bei der Suche nach Ärztinnen und Ärzten zu unterstützen, hat der Bundesgesetzgeber die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, für ihren Zuständigkeitsbereich eine Terminservicestelle einzurichten. Zu den Aufgaben der Terminservicestelle gehört auch, Versicherte bei der Suche nach einer Hausärztin bzw. einem Hausarzt zu unterstützen, die bzw. der sie dauerhaft betreut. Die Terminservicestelle ist Teil des Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz. Dieser ist täglich an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr unter der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 116 117 (ohne Vorwahl) kostenfrei erreichbar. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Zahl der Anrufe bei der 116 117 deutlich angestiegen, so dass es teilweise zu längeren Wartezeiten kommen kann. Ich habe die Kassenärztliche Vereinigung daher gebeten, die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hotline weiter aufzustocken.
Ergänzend bietet die Kassenärztliche Vereinigung auf ihrer Internet-Seite www.praxis-finder-rlp.de eine Suchmöglichkeit nach ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen aller Fachrichtungen. Dort ist auch vermerkt, ob eine Praxis barrierefrei zugänglich ist.
Unabhängig davon, dass der Sicherstellungsauftrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegt, ist die Sicherung der ambulanten ärztlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Bereich, schon lange ein wichtiges Anliegen der Landesregierung.
In ihrem aktuellen Koalitionsvertrag hat die Landesregierung festgehalten, dass sie den sogenannten „Masterplan zur Stärkung der ambulanten Versorgung in Rheinland-Pfalz“ fortsetzen und ausbauen will. Mit diesem Masterplan haben wir gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesärztekammer, dem Hausärzteverband, der Mainzer Universitätsmedizin und den kommunalen Spitzenverbänden ein Bündel von Maßnahmen entwickelt, die helfen, die ambulante ärztliche Versorgung auch in ländlichen Regionen zu sichern.
So fördert das Land in vielen Verbandsgemeinden und kleineren verbandsfreien Gemeinden Praxisneugründungen, Praxisübernahmen oder die Anstellung von Hausärzten jeweils mit bis zu 20.000 Euro. Die Einrichtung von Zweigpraxen wird mit bis zu 15.000 Euro gefördert. Es werden gezielt Verbandsgemeinden als Fördergebiete ausgewählt, in denen die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte darauf hinweist, dass künftig voraussichtlich mehr Nachbesetzungsbedarf besteht – auch dann, wenn der Versorgungsgrad gegenwärtig gut ist. Diese Förderprogramme des Landes greifen deshalb auch in Gerolstein.
Das Land finanziert außerdem Wiedereinstiegskurse für Ärztinnen und Ärzte, die z.B. aufgrund einer Elternzeit längere Zeit nicht praktiziert haben. Zudem gibt es Stipendien des Landes für Studierende, die sich im Praktischen Jahr für einen Ausbildungsabschnitt im Fach Allgemeinmedizin entscheiden. Die Kassenärztliche Vereinigung bezuschusst ergänzend bis zu zwei ambulante Praxis-Monate (Famulatur) während des Medizinstudiums.
Wichtige Bausteine des Masterplans sind auch der von der Landesärztekammer auf den Weg gebrachte Quereinstieg in die Allgemeinmedizin, die Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin und die Einrichtung des allgemeinmedizinischen Kompetenzzentrums an der Universitätsmedizin Mainz.
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung wurde eine Beratungsstelle für Kommunen geschaffen, die sich im Bereich der ambulanten Versorgung engagieren möchten. Für die Umsetzung dieses Projekts erhält die KV seit 2018 Fördermittel des Landes im Rahmen einer Anteilfinanzierung.
Im Rahmen der Landarztoffensive wurde die Zahl der Studienplätze in Rheinland-Pfalz erhöht und eine Landarztquote eingeführt. Medizinstudienplätze werden vorab an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich dazu verpflichten, im Anschluss an ihr Studium eine hausärztliche Tätigkeit in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebiet aufzunehmen. Mit dieser Maßnahme tragen wir dazu bei, langfristig wieder mehr Ärztinnen und Ärzte für den ländlichen Raum zu gewinnen.
Die Landesregierung wird sich gemeinsam mit ihren Partnerinnen und Partnern auch weiterhin für die Stärkung der ärztlichen Versorgung einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Hoch“