Staatsanwaltschaft lässt Beweismaterial aus dem Missbrauchsfall eines verstorbenen Priesters vernichten: Generalstaatsanwalt bedauert Fehler

Saarbrücken (dpa/lrs) – Der Saarbrücker Generalstaatsanwalt Manfred Kost hat sich dafür entschuldigt, dass sichergestelltes Material im Fall des unter Missbrauchsverdachts stehenden und Ende 2022 gestorbenen katholischen Priesters Edmund Dillinger vernichtet wurde. Die Staatsanwaltschaft habe nach einem Prüfverfahren eine Vernichtung angeordnet, soweit es nicht dem Erben auf dessen Wunsch zurückgegeben wurde, teilte Kost am Freitag in Saarbrücken mit.

Dies sei aber «nicht die richtige Maßnahme» gewesen. Vielmehr hätte die Anklagebehörde prüfen müssen, «ob die Unterlagen noch für Vorgänge außerhalb der Strafverfolgung mit Blick auf Opferschutzinteressen und kircheninterne Aufklärungen oder gar bei neuen Ermittlungsansätzen zur Verfügung stehen sollten». Kost sagte: «Ich bedauere dieses Vorgehen und möchte mich dafür entschuldigen.» Das Material war am 5. Juli in einer Müllverbrennungsanlage vernichtet worden.

Der Neffe des gestorbenen Priesters, Steffen Dillinger, hatte am Vortag die Behörden für die Vernichtung von Unterlagen aus dem Nachlass seines Onkels kritisiert. Dazu hätten Terminbücher gehört, in denen der Geistliche täglich Termine, Anrufe und Treffen festgehalten habe. Das Material hätte zur Aufarbeitung auf Betroffenenseite wichtig sein können, sagte er.

Über Jahrzehnte soll der Priester vor allem Jugendliche sexuell missbraucht und seine Opfer in teils pornografischen Posen fotografiert haben. Nach dem Tod des Mannes hatte dessen Angehöriger unter anderem rund 1000 ungerahmte Dia-Aufnahmen in dessen Haus in Friedrichsthal bei Saarbrücken gefunden – und war damit im April an die Öffentlichkeit gegangen.

Ende Juni hatte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mitgeteilt, kein Ermittlungsverfahren zum Missbrauchsfall Dillinger einzuleiten. Nach Auswertung des Materials habe sich «kein Anfangsverdacht auf noch lebende Beteiligte an konkreten verfolgbaren Straftaten» ergeben.

Kost teilte weiter mit, dass jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Anfangsverdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen eingeleitet wurde. Es hätten sich zwischenzeitlich Hinweise «auf mögliche konkretisierbare Taten» ergeben, die bisher nicht Gegenstand des Prüfverfahrens gewesen seien. Die Generalstaatsanwaltschaft habe die Ermittlungen an sich gezogen.

Im Zuge der Vorermittlungen seien im Haus des Priesters Dillinger mehrere 1000 Fotografien etwa als Filmstreifen, Fotos oder Dias sowie schriftliche Unterlagen und Terminkalender des Geistlichen sichergestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Das Material habe keine Hinweise auf mögliche Missbrauchstaten enthalten.

Bei der Frage der Rückgabe von Unterlagen habe Steffen Dillinger bestimmte Dokumente zurückhaben wollen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Er sei damit einverstanden gewesen, dass die anderen Asservate vernichtet würden. Bei der Rückgabe der vereinbarten Unterlagen am 7. Juli habe er dann die Aushändigung der weiteren Unterlagen gewünscht, die zu jenem Zeitpunkt aber bereits verbrannt worden waren.

Die Vernichtung sei ein «übliches Vorgehen in Strafverfahren». Mit Blick auf die Prüfung von möglichen Opferinteressen hätte das jedoch nicht geschehen dürfen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Bei der Polizei in Mainz befänden sich nach wie vor jene Gegenstände mit möglicherweise strafrechtlich relevanten Inhalten, die der Neffe dort abgeliefert hatte.

Der saarländische Innenminister Reinhold Jost (SPD) hat «eine nachvollziehbare Aufarbeitung des vorliegenden Sachverhalts» durch die Fachaufsicht im Ministerium angeordnet. «Bei der Aufarbeitung geht es nicht nur um eine rechtliche oder juristische Bewertung, sondern insbesondere um die ethisch – moralische Dimension des zugrundeliegenden Sachverhaltes», teilte er mit.

Der ehemalige Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer, der den Missbrauchsfall in einem eigenständigen Projekt der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Trier untersuchen soll, teilte zur Vernichtung des Materials mit: «Es wäre für die Aufarbeitung und unsere Arbeit natürlich sehr wichtig gewesen, wir hätten uns selbst ein Bild machen können. So ist weiteren Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Das ist der Sache abträglich.»

Ein Ermittlungsverfahren gegen den Neffen hat die Staatsanwaltschaft Mainz unterdessen wegen Geringfügigkeit eingestellt. Der 54-Jährige stand unter Verdacht, im Nachlass gefundenes, jugendpornografische Material weder vernichtet noch einer Strafverfolgungsbehörde übergeben zu haben, wie die Behörde mitteilte.

Es ging um rund 4400 Dias oder Fotos aus dem Nachlass, die nun bei den Ermittlungen ausgewertet worden seien. Kein Bild habe kinderpornografische Darstellungen enthalten», hieß es. Zehn Bilder wurden demnach als strafrechtlich relevante jugendpornografische Schrift eingestuft, bei zwölf Bildern sei dies nicht eindeutig nachzuweisen, hieß es.

(Von Birgit Reichert, dpa)

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