Klagen gegen IHK-Kammerbeiträge: TechniGruppe beantragt Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Koblenz/Daun. Am Montag, den 20.09.2010, fand am Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz die Berufungsverhandlung über drei Klagen der Dauner Unternehmen TechniSat Digital GmbH, TPS-Technitube Röhrenwerke GmbH und TELESTAR-DIGITAL GmbH wegen der Beitragserhebung durch die IHK Trier statt. Die drei Unternehmen hatten vergangenes Jahr vor dem Verwaltungsgericht Trier beantragt, die Beitragsbescheide der IHK Trier aufzuheben. Erstinstanzlich waren die Klagen abgewiesen worden.

Das OVG Koblenz beschäftigte sich zum zweiten Mal mit der Frage der Rechtmäßigkeit von IHK Trier-Beitragsbescheiden, da es bereits im Rahmen des sogenannten Eilverfahrens vergangenes Jahr mit dieser Angelegenheit befasst war. Damals hatten die OVG-Richter in ihrem Beschwerdebeschluss deutlich gemacht, dass aufgrund des sogenannten Äquivalenzprinzips die IHK gehalten ist, die Höhe der Beiträge so zu gestalten, dass grundsätzliche eine Gleichgewichtslage zwischen der beitragsrechtlichen Belastung und dem Nutzen des Mitglieds besteht. Hieran knüpfte die Argumentation der TechniGruppe in der mündlichen Verhandlung an.  Nach Auffassung der klagenden Unternehmen steht die Höhe der Beiträge in einem groben Missverhältnis zu dem Vorteil, den er abgelten soll. Sie trugen vor, dass ein IHK-Beitrag, der sich bei TPS im Jahre 2007 auf mehr als 51.000,00 EUR belief und bei TechniSat auf fast 30.000,00 EUR, keine angemessene Gegenleistung für Vorteile darstellt, die man als Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit ziehen kann. Auch der Hinweis der IHK-Vertreterin Sylva Gäbler, dass sechs Mitarbeiter der Kläger unentgeltlich an einem IHK-Buchhaltungsseminar teilgenommen haben, konnte die Klägerseite nicht davon überzeugen, damit eine ausreichende Gegenleistung für die gezahlten fast sechsstelligen IHK-Beiträge erhalten zu haben.

Die Anwälte der TechniGruppe reklamierten erneut, dass entgegen der Aufforderung des Verwaltungsgerichtes die IHK Trier bis jetzt die Kalkulation für den Hebesatz nicht nachvollziehbar vorgelegt habe. Stattdessen habe die Beklagte lediglich die Bilanz 2007 und zwischenzeitlich auch die Bilanz 2009 vorgelegt, aus denen nur ihr enormer Kostenaufwand hervorgeht. Die Vertreter der IHK betonten, keine weiteren Angaben zur Kalkulation des Hebesatzes in Höhe von 0,39 % des Gewerbeertrages machen zu können. Aufgrund ihres Finanzbedarfs habe die IHK Trier gar keine andere Möglichkeit, als eine Festlegung des Umlagebeitrages in dieser Höhe. Dabei sei besonders darauf geachtet worden, dass die Grundbeiträge niedrig gehalten und die Umlagebeiträge gestaffelt nach der Leistungsfähigkeit der Unternehmen festgelegt worden seien; dies sei auch jeweils von der Vollversammlung so akzeptiert worden, so Gäbler. Dieses Argument ließ die Klägerseite nicht gelten und verwies darauf, dass die Beitragserhebung dazu da ist, die Kosten abzudecken, die notwendigerweise entstehen. Sie dienen gerade nicht der Finanzierung von wirtschaftlicher Unfähigkeit der IHK Trier.

Rechtsanwalt Dr. Amsel (Kanzlei Lauer-Nack & Thielen, Daun): „Die angebliche Orientierung der Beiträge am Leistungsvermögen der Mitglieder steht einer Absenkung des Hebesatzes nicht entgegen. Die Beklagte sieht offensichtlich ihre Rolle darin, möglichst hohe Ausgaben zu schaffen, da sie in der glücklichen Situation ist, solvente Mitglieder zu haben. Das kann jedoch nicht der gesetzlich verfolgte Zweck einer Kammer sei. Die Behauptung, der hohe Hebesatz sei von der Vollversammlung beschlossen, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Beschlüsse der Vollversammlung stets vom Präsidium vorgegeben und von der Versammlung nur noch abgesegnet, aber nicht hinterfragt oder gar geprüft werden. So funktioniert die Beschlussfassung bei jeder IHK, auch bei der Beklagten“, so Dr. Amsel.

Irene Roth, Mitglied der Geschäftsleitung und Justiziarin von TechniSat: „Der hohe Hebesatz der IHK Trier rechtfertigt sich allein aus dem hohen Finanzbedarf zu eigenen Zwecken. Nicht jedoch aus Leistungen für die Zwangsmitglieder.“ Sie stellte in der mündlichen Verhandlung fest, dass im privatwirtschaftlichen Bereich in ganz Deutschland wahrscheinlich nirgendwo ein Unternehmen zu finden sei, das bei 60 Mitarbeitern acht Geschäftsführer aufweise. Bei der IHK Trier sei dies jedoch so.

Außerdem wies der Klägervertreter Dr. Amsel noch einmal darauf hin, dass insbesondere der Aspekt zu beachten sei, dass mit 22 % der Kostenposition alleine Versorgungsansprüche (Pensionsrückstellungen) ehemaliger Vorstandsmitglieder der IHK Trier bedient werden. Diese Position macht in der Bilanz 2009 insgesamt 5.686.000,- Euro aus.

Klägervertreter Rechtsanwalt Thielen sprach die Kammerbeiträge der IHK Trier im Vergleich zu anderen IHK-Bezirken an. Im Vergleich zum IHK-Bezirk Rheinhessen (Mainz 0,05 %) liegt der IHK-Beitrag im Kammerbezirk Trier (0,39 %) acht Mal höher. Das veranlasste ihn in der mündlichen Verhandlung zu der Aussage, dass, wenn die IHKs in Deutschland im Wesentlichen die gleichen Leistungen erbringen und die IHK Trier einen achtfach höheren Beitragssatz hat als die IHK Rheinhessen, dann müsse die IHK Trier entweder um das Achtfache bessere Leistungen anbieten oder ihre Leistungen acht Mal so teuer erbringen.

Der Vorsitzende Richter des OVG Rheinland-Pfalz, Dr. Mildner führte dann aus, dass neben dem Streit um die Höhe der Beitragssätze ein weiterer Aspekt für das anhängige Verfahren wesentlich sei. Die Kläger hatten den Antrag gestellt, den Rechtsstreit im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu verweisen.

Die Rechtsanwälte der Kläger trugen vor, dass die Klärung der Streitfrage nach EU-Recht für den Erlass des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz notwendig sei. Der Beitragsbescheid der IHK Trier verstoße nach Auffassung der klagenden Unternehmen sowohl gegen die Niederlassungsfreiheit, gegen das europäische Beihilfe- und Wettbewerbsrecht, widerspreche der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes und stelle einen Verstoß gegen das europäische Demokratieprinzip dar. Der erkennende OVG Senat ließ hierzu beide Parteien die Argumente austauschen.

Sylva Gäbler, Justiziarin der IHK, sieht keine europäischen Normen tangiert. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach EU-Vertrag stelle ihres Erachtens die Pflichtmitgliedschaft in einer deutschen Kammer nicht dar. Schließlich könnte jedes Mitglied frei entscheiden, in welchem europäischen Mitgliedsstaat es sich niederlässt.

Die mündliche Verhandlung am OVG Rheinland-Pfalz endete, ohne dass zu erkennen war, wie der Senat entscheiden wird. Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren, voraussichtlich innerhalb der nächsten zwei Wochen.

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