„Ich bin seit 2004 selbstständig und der Nürburgring ist mein erstes Projekt“

„Nach dem Betriebspachtvertrag zwischen der Nürburgring GmbH und der Nürburgring Automotive GmbH leistet die Nürburgring Automotive GmbH für die Nutzung der Liegenschaften am Nürburgring einen Pachtzins, mit dem im Ergebnis die Finanzierungskosten für das Projekt „Nürburgring 2009“ durch einen privaten Betreiber refinanziert werden sollen.“

Prof. Dr. Siegfried Englert, Staatssekretär
Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau
(am 24. August 2010 bei der Beantwortung einer „Kleinen Anfrage“ – in Vertretung)

Wer ist die Nürburgring Automotiv GmbH und wer steht – mit welchem Geld – dahinter?

„Ich bin seit 2004 selbstständig und der Nürburgring ist mein erstes Projekt“

Wer viel fragt, erhält viele Antworten. – Dieser Satz gilt auch im oben genannten Fall. Aber es gibt Antworten, die eigentlich Klarheit bringen und trotzdem – oder deshalb? – leicht vergessen werden. Jörg Lindner, geschäftsführender Gesellschafter der Lindner Unternehmensgruppe, betonte in der ersten offiziellen Presse-Erklärung der Landesregierung: „Für mich und meinen Partner Kai Richter ist heute ein besonderer Tag. Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz die Basis für eine erfolgreiche Zukunft des Nürburgrings zu schaffen, und ich bedanke mich für das Vertrauen.“ … „Wir freuen uns darauf, diese große gestalterische und operative Herausforderung anzunehmen.“

Welches Vertrauen? – Natürlich das Vertrauen der Landesregierung, die lt. Feststellungen des Landesrechungshof schon in der Vergangenheit nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Partner hatte. – (Diese Aussage ist natürlich auf den Nürburgring und seine Tochterfirmen beschränkt.)
Auf die Frage aus dem Publikum, wer mit welchen Sicherheiten für das Betreiberkonzept haftet, konnte man erst auf mehrfache Nachfrage bei der Vorstellung des „Dreamteams“ der Landesregierung in der „Hocheifel“-Halle in Adenau Ende März eine halbwegs zufriedene Auskunft erhalten: „Ich hafte!“ sagte Herr Lindner auf mehrfache Nachfrage. Er klärte auch darüber auf, das man als Betreiber eigentlich nicht über Geld verfügen müsse. – ???   –  Wofür auch? – Wenn doch das Land Rheinland-Pfalz… –

Kai Richter, der 50-Prozent-Eigner an der neuen Betreibergesellschaft brachte sich glänzend gegenüber dem interessierten Publikum in Positur, wenn er jene Worte sprach, die dieser Geschichte als Titel dienen:„Ich bin seit 2004 selbstständig und der Nürburgring ist mein erstes Projekt.“ Und als er nach dem Konzept gefragt wurde, nach dem nun die neue private Betreibergesellschaft die Abläufe optimieren und Gewinne erzielen will, da gibt er die aufschlussreiche Antwort: „Nun haben wir zunächst mal die Verträge geschlossen. – Und jetzt fangen wir an zu denken.“

Ist es da dem Steuerzahler – und Leser der „Eifel-Zeitung“ –  übel zu nehmen, wenn er sich schon ein paar Gedanken macht und von uns als Journalisten auch erwartet, dass wir Antworten auf seine Fragen finden und veröffentlichen? Das habe ich z.B. mit meiner Anfrage an das LKA in Mainz versucht. Die „nette“ Antwort haben wir in der letzten Ausgabe veröffentlicht, aber auch die Erkenntnisse, zu denen ich nach umfangreichen Recherchen gekommen war. Sowohl im Falle Jörg Lindner, dem Geschäftsführer der Nürburgring Automotive GmbH, als auch seinem  Mitgesellschafter Kai Richter. Ich habe es für richtig gehalten, noch am gleichen Tag den ermittelnden Leitenden Oberstaatsanwalt in Koblenz sachlich und ergänzend zu informieren, ihn sozusagen bei seinen aktuellen Ermittlungen zu unterstützen.

Am 29. Oktober, also zwei Tage nach Erscheinen meiner Geschichte in der „Eifel-Zeitung“ hatte ich dann schon eine „Unterlassungsverpflichtungserklärung“ der Anwaltskanzlei von Kai Richter in der Post, mit der Aufforderung, sie noch am gleichen Tag bis 18 Uhr unterzeichnet zurück zu senden. „Aufgrund der Massivität der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist eine besondere Dringlichkeit der Angelegenheit gegeben.“

Jörg Lindner hat sich noch nicht per Anwalt gemeldet. – Alles klar? Bei Kai Richter ist das wohl auch so. Jedenfalls bei vielen von mir genannten Details. Er, der Geschäftführer einer Firma, die sich mit Immobiliengeschäften beschäftigt, möchte nicht in Verbindung mit Immobiliengeschäfte gebracht werden. Und seine Frau – die ist natürlich tabu. Auch wenn sie als Geschäfts-Frau und -Partner beim Projekt „Nürburgring 2009“ auftritt? Außerdem hat meine Information wohl auch den Tieren geschadet. – Wer wiehert denn da?

Natürlich hat sich der Rechtsanwalt mal wieder zu „unwahren Tatsachenbehauptungen“ hinreißen lassen. Er stand wohl unter Zeitdruck und ist entschuldigt. Schon den ersten „Fehltritt“ der von Richter beschäftigten Rechtsanwaltskanzlei (Bonn, Berlin, Brüssel, Leipzig, London) habe ich nicht so ernst genommen. – Rechtsanwälte sind auch nur Menschen. Mein Vorname ist Wilhelm (= frei interpretiert „willenstarker Beschützer“) – nicht Kai („aus der Kiste“).

Die neue Betreibergesellschaft ist übrigens – nach den vergeblichen und etwas wirren Versuchen von Prof. Deubel – auf der Suche nach neuen privaten Investoren. Die Einladungsschreiben sind heraus. Man hat für den 10. November eingeladen. So bekommt auch die aktuelle Äußerung des Wirtschaftsministers von Rheinland-Pfalz eine besondere Bedeutung, der gerade wieder die ersten Millionenzahlungen der Pächter an die Nürburgring GmbH schon nach dieser, der ersten – natürlich erfolgreichen – Saison in Aussicht stellte. – Er hilft wo er kann. (Und die „Rhein-Zeitung“ berichtet)

Ich habe in der Vergangenheit schon mal versucht zu verdeutlichen, dass die so genannten Basis-Besucherzahlen am Nürburgring, wie sie in der Vergangenheit mit um 2 Millionen immer genannt wurden, in der Realität leider keine Bestätigung finden. (Lesen Sie in meinem Buch ab Seite 194 die Geschichte „Über Zäune und Zahlen“). Die „Rhein-Pfalz“ schrieb im Januar 2010: “…Im Mainzer Wirtschaftsministerium müssen nicht nur frühere Vorhersagen über Besucherschwärme am Nürburgring korrigiert werden. Offenbar hat die damalige Geschäftsleitung der zu 90 Prozent dem Land gehörenden Nürburgring GmbH unter Walter Kafitz auch die bisherigen Gäste falsch gezählt. Zwei Millionen sollen es gewesen sein, dafür aber ließen sich keine nachprüfbaren Unterlagen finden, sagte ein Sprecher des Ministeriums gestern am Rand der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtages.“  – Soweit die „Rhein-Pfalz“.

Nun ist es mir aber gelungen, zumindest mal an „alte“ interne Aufzeichnungen der Nürburgring GmbH der Jahre 1994 bis 2002 zu kommen, die aber praktisch 2001 enden. Sie bestätigen meine Recherchearbeit und die Ahnung der „Rhein-Pfalz“ und sollten eigentlich zukünftige Investoren (oder solche die es werden wollen) ein wenig vorsichtig machen. (s. Tabelle) – Und ich würde mich freuen, wenn ich in diesem Fall auch dem Wirtschaftsministerium ein wenig helfen könnte. Wenn ich diese Zahlen lese – mit denen Zahlen für verkaufte Karten – den publizierten Besucher-Zahlen gegenüber gestellt werden – wenn mir die jeweiligen Differenzen klar werden, dann fühle ich mich schon betrogen. – Denn so wie hier „gezählt“ wurde, so ging es auch nach dem Jahr 2000 weiter. – Und heute ist es kaum anders als „damals“*. Mit einem Unterschied: Jetzt sind die Zahlen „privat“. (Damals waren sie „amtlich“.) Aber vielleicht gehört das auch zum neuen Konzept, das bis jetzt niemand kennt.

Wilhelm Hahne

*Anmerkung: Natürlich sind die Herren Lindner und Richter nicht für die publizierten Zahlen der Veranstalter verantwortlich zu machen. Aber sie kennen jeweils die Zahl der verkauften Eintrittskarten (wie die Nürburgring GmbH „damals“ auch). Sollten die Herren meine obige Feststellung widerlegen wollen, genügt (über ihre Anwaltskanzlei) die Abgabe einer Eidesstattlichen Erklärung mit den echten Zuschauerzahlen (z.B. Truck GP und 24-Stunden-Rennen) an mich. – Ich werde dann gerne berichten und ergänzend kommentieren.

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