Kommunalreform: „Gutachtergläubigkeit“ oder „Die Macht des Faktischen“

Zum Thema der Kommunal- und Verwaltungsreform hat Hans-Peter Stölben, ehemaliger Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz in Mayen, seit 2009 mehrfach zum Teil mehrseitige Artikel in der Eifel-Zeitung veröffentlicht, bei denen es vor allem um die Auswirkungen der Reform der Verbandsgemeinden auf den Fortbestand des Landkreises Vulkaneifel mit seiner Kreisstadt Daun gegangen ist. Hierbei hat er sehr früh auf die existenzbedrohenden Gefahren für unseren Landkreis, auf Risiken und Folgen, aber auch auf Chancen des Überlebens hingewiesen und die fortwährenden Versäumnisse, das Nichtstun und die Arroganz der kommunalpolitischen Protagonisten beim Namen genannt. Über manchen Köpfen ist nur noch der Himmel.

Aus dem Dornröschenschlaf ist man trotz meiner fortgesetzten Mahnungen erst dann aufgewacht, als sich abzeichnete, dass die Mehrzahl der Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Obere Kyll in die Verbandsgemeinde Prüm wechseln wollte. Hier hat man dann erstmals begriffen, dass ein solcher Weggang nicht nur das Verlassen des Landkreises bedeuten könnte, sondern mit einem solchen Schritt der Landkreis selbst in größte Bedrängnis gerät und sein Ende damit verbunden sein könnte. Als letzte Ortsgemeinde hat jetzt Gönnersdorf mit Zweidrittel-Mehrheit in einer Bürgerbefragung für den Anschluss an die Verbandsgemeinde Prüm votiert.

Vielen Bürgern nicht bekannt
Stölben: „Zu dem, was sich an der Oberen Kyll anbahnt, einige Hintergrundinformationen, die wie ich feststelle, vielen Mitbürgern überhaupt nicht bekannt sind:“

Am 07. November 1970 wurden 14 Ortsgemeinden des damaligen Landkreises Prüm in den Landkreis Daun (heute Vulkaneifelkreis) umgegliedert. Die meisten hiervon gehörten fortan zur neugebildeten Verbandsgemeinde Obere Kyll.

Dass der Landkreis Daun die damalige Reform überlebte, war nur einer Persönlichkeit, nämlich Julius Saxler zu verdanken. Julius Saxler, ehemaliger Verbandsbürgermeister in Daun war gleichzeitig Mitglied des Landtages und hier lange Jahre Vorsitzender des Haushalts-und Finanzausschusses und zur Zeit der damaligen Kommunalreform Vorsitzender des federführenden Innenausschusses. Zudem war er Vorsitzender des Rundfunkrates und später sogar des Verwaltungsrates des heutigen SWR. Das Angebot, bei Kabinettsbildungen ein Ministeramt zu übernehmen, hat er wegen der ihm liebgewordenen Ämter und Funktionen ausgeschlagen, ohne das dies ihm etwas von seiner politischen Einflussnahme genommen hätte.

Julius Saxler war im Gegensatz zu denen, die uns heute als Landtagsabgeordnete in Mainz vertreten ein politisches Schwergewicht. Die heutige Besetzung erfüllt mich mit Sorge, zumal mir die Landkreise um uns herum besser aufgestellt scheinen. Nach diesem Intermezzo zum Fusionswunsch der 11 Gemeinden der Oberen Kyll zurück. Ich gehöre zu denen, die den Fusionsabsichten dieser Gemeinden mit Verständnis und viel Respekt begegnen.

Versäumnisse der letzten 45 Jahre
Es gehört zu den gravierendsten Versäumnissen der letzten 45 Jahre, dass es nicht gelungen ist, der 1970er Kommunalreform eine Verlagerung auch der staatlichen Kompetenzen im den Landkreis Daun folgen zu lassen. Diese Gemeinden werden bis heute von Prüm aus betreut, was Amtsgericht, Polizei, Kataster und vielleicht noch weitere staatliche Aufgabenwahrnehmungen angeht.Soweit mir bekannt, war es lediglich Landrat Karl-Adolf Orth, der in der Zeit, wo ich Fraktionsvorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion war, bei der Landesregierung einen Vorstoß gemacht hat, diese Kompatibilität herzustellen. Leider ohne Erfolg. Soweit mir bekannt ist, hat es in der Folgezeit entsprechende Anläufe nicht mehr gegeben. Man hat das Thema einfach schleifen lassen. Diese 45-jährige Diskrepanz zwischen kommunaler und staatlicher Aufgabenwahrnehmung an der Oberen Kyll dürfte neben den auch mir bestens bekannten finanziellen Desastern zumindest mitverantwortlich sein, dass sich die Gemeinden dort für eine Rückkehr nach Prüm entschieden haben.

Akt der Hilflosigkeit  
Die Antwort des Landkreises Vulkaneifel auf diese sich nun abzeichnende Entwicklung war die Bestellung eines Gutachtens, dass Herr Prof. Oebbecke erstellt und vor wenigen Tagen von Landrat Thiel in einer sehr gut besuchten Pressekonferenz erläutert wurde. In meinem letzten Beitrag zur Kommunalreform in der Eifel-Zeitung habe ich die Bestellung dieses Gutachtens als „Alibi“, ja als einen Akt der Hilfslosigkeit für jahrelanges Nichtstuns bezeichnet. An dieser Auffassung halte ich fest und versage mir die Hintergründe dieses Nichtstun hier nochmals darzustellen.

Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die angestrebte Fusion der Ortsgemeinden der VG Obere Kyll mit der VG Prüm rechtswidrig, in wesentlichen Punkten sogar verfassungswidrig sei. Dieser Rechtsauffassung kann ich mich ohne auf Details eingehen zu wollen sogar anschließen. Auch mir ist es völlig  schleierhaft, wie man bei dieser Konstellation Aufgaben wie Schulen, Kreisstraßen, aber auch die Maßstäbe für das Erheben der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage auseinanderklamüsern kann. Ich gehe bei diesem Gutachten mit einigem Augenzwinkern davon aus, dass es nicht von vorneherein zu den 98% bestellter Gutachten gehört, wo der Auftraggeber das Endergebnis bereits vorgeben hat.

Feststellen muss ich jedoch, dass die Landesregierung nach Erklärung des Innenministers dieses Gutachten links liegen lässt und auf der Grundlage anderer Gutachten dabei ist, die angestrebte Fusion in einem entsprechenden Gesetzesentwurf rechtlich zu fassen.

Richterliche Entscheidung eher bedeutungslos
Hier setzt nun meine pragmatische Überlegung an. Wenn die Landesregierung jetzt Nägel mit Köpfen machen sollte, wonach alles aussieht, könnte der Landkreis Vulkaneifel erst dann die Verfassungswidrigkeit angehen, wenn das Gesetz in Kraft getreten und vollzogen ist. Bis eine höchstrichterliche Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz ergangen ist, können Jahre ins Land gegangen sein. Bis dahin sind aber längst Fakten entstanden, deren komplette Rückabwicklung kaum vorstellbar ist. Bei anderen, beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren z.B. bei der Fusion der Verbandsgemeinden Manderscheid und Wittlich-Land hat man inzwischen den Eindruck, dass man sich nur wenige Monate nach der Fusion, die allerdings im gleichen Landkreis erfolgt ist, mit den eingetretenen Fakten abgefunden hat und die Aufrechterhaltung des Klageweges sogar inzwischen als peinlich empfunden wird.

Vielleicht rügt der Verfassungsgerichtshof selbst bei festgestellter Verfassungswidrigkeit den Gesetzgeber nur mit erhobenem Zeigefinger, bei der nächsten Kommunalreform – vielleicht in 50 Jahren – verfassungskonformer vorzugehen. Verfassungsrechtsprechung ist selten ex tunc sondern fast immer ex nunc (für die Zukunft entschieden).

„Murks in Potenz“
Der Hauptfehler dieser Kommunalreform ist, dass sie nicht aus einem Guss ist. Die Reform der Landkreise und der Verbandsgemeinden hätte zusammen erfolgen müssen. Die jetzt laufende Reform ist „Murks in Potenz“. Nochmals bezogen auf die Obere Kyll: Sollte die derzeitige Landesregierung auch nach der Landtagswahl 2016 am Ruder bleiben, wovon derzeit nicht auszugehen ist, dann wird ein eventueller Spruch des Verfassungsgerichtshofes, der die Verfassungswidrigkeit des Fusionsgesetzes feststellen sollte, sogar als Brandbeschleuniger herhalten, indem die betroffene VG Obere Kyll auch kreismäßig dem Landkreis Bitburg-Prüm zugeschlagen wird. Auf diesem Wege würde die Verfassungswidrigkeit nachträglich geheilt und alles wäre wieder paletti. Sollte jedoch die nächste Landesregierung CDU-geführt sein, wofür aus heutiger Sicht einiges spricht, kann ich mir auch hier eine Rolle rückwärts genau sowenig vorstellen, wenn durch eine solche Fusion Fakten einmal geschaffen sind. Eine Rolle rückwärts würde bei der Bevölkerung , die die Fusion ja ausdrücklich gewollt hat, auf totales Unverständnis stoßen und wäre der Lächerlichkeit preisgegeben.

War Kreisumbenennung Etikettenschwindel?
Meine Hoffnung ist, dass eine von der CDU-geführte Landesregierung mit total neuen Überlegungen an das Thema einer Kreisgebietsreform herangeht und sich sogar mit der Schaffung eines großen „Eifelkreises“ anfreunden kann, der dann aber weit über die Grenzen des bisherigen Vulkaneifelkreises hinausgehen müsste. Wenn auch die SPD in eine solche Richtung mitmarschieren könnte, umso besser. Vorschläge, wie eine solche Kreisgebietsreform im Norden von Rheinland-Pfalz aussehen könnte ist in meinen Beiträgen in der Eifel-Zeitung nachzulesen. Ich finde es bis heute noch als gewissen Etikettenschwindel den Landkreis Daun in Vulkaneifelkreis umbenannt zu haben, ohne auch jemals den Versuch gestartet zu haben, Teile der VG Manderscheid und einen Großteil der VG Ulmen für den Landkreis begeistert zu haben, Hier liegen nämlich wesentliche Teile der Vulkaneifel, wobei der Zug Manderscheid betreffend ohnehin jetzt abgefahren ist. Das Begehren der Stadt Manderscheid in die VG Daun zu wechseln wurde gerade mal so zur Kenntnis genommen,

Wohin führen die Besucherströme?
Die letzten Jahre sind geprägt von Nichtstun, Dornröschenschlaf und bei einigen gepaart mit einer arroganten Überheblichkeit. Dies alles hat den Landkreis Vulkaneifel in diese prekäre Situation geführt. Zum wiederholten Male appelliere ich an den Landkreis und seine Kreisstadt Daun endlich anzufangen mit den Pfunden zu wuchern die wir auf die Waage bringen können. Obwohl seit 2009 immer von mir angemahnt, sind z.B. die dringend notwendigen Hausaufgaben bezüglich Besuch der weiterführenden Schulen, Krankenhausfrequentierung, Arbeitsplatzsituation und Einkaufsverhalten immer noch nicht angegangen, obwohl hierfür aussagekräftige Daten zu gewinnen doch nicht schwerfallen dürfte. Bezeichnend ist, dass bei den letztjährigen Kommunalwahlen in der Stadt Daun nur Stadtbürgermeister Martin Robrecht das Thema „Daun als Kreisstadt“  zu sichern auf seiner Agenda hatte und dies  als Priorität Nr.1 auf seinem Flyer ausgewiesen war. Zumindest er hat die Brisanz, die in diesem Thema liegt offensichtlich erkannt.

v. Hans-Peter Stölben, Daun

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