Interview mit Julia Klöckner

Es war nur eine Frage der Zeit. Die Insolvenz am Nürburgring konnte man auch als Otto-Normalverbraucher fast erahnen. Die Menschen rund um die berühmteste Rennstrecke der Welt kennen ihren Nürburgring viel besser als die hochdotierten Theoretiker aus weit entfernten Agenturen. Alle vorhergesagten Prognosen waren das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben standen.

Die SPD-Landesregierung, allen voran Ministerpräsident Kurt Beck muss die Verantwortung tragen. Hinweise und Warnungen gab es zuhauf. Viel mehr hat man Staatsanwaltschaften beauftragt Hausdurchsuchungen bei Journalisten durchzuführen. Das „System Beck“ hat auf der ganzen Linie versagt. Zugeben will er es nicht. Über 500 Millionen Euro wurden von der SPD-Regierung in den Sand gesetzt. Jetzt muss der Steuerzahler die Zeche zahlen.

Seit November 2007 begleitet die Eifel-Zeitung das Projekt „Nürburgring 2009“. Wir staunen immer wieder, welch renommierte Blätter, bzw Journalisten von sich behaupten, den Skandal aufgedeckt zu haben. Die Eifel-Zeitung hat mit der Landesvorsitzenden der rheinland-pfälzischen CDU Julia Klöckner über die jüngsten Entwicklungen am Nürburgring gesprochen. Lesen Sie hier unser Interview.

EAZ: „Urlaub – die schönste Zeit des Jahres!“’ so heißt es im Volksmund. Bei all den Ereignissen rund um den Nürburgring, bleibt da eigentlich noch Zeit für Entspannung, Frau Klöckner?

Klöckner: Die Insolvenz am Nürburgring und deren Folgen beschäftigen mich auch im Urlaub von früh bis spät – Sie können sich vorstellen, nicht gerade zur Erheiterung meines privaten Umfeldes. Ich bin in großer Sorge, um die Eifel-Region. Für Arbeitnehmer, Selbständige und alle Anwohner ist die Insolvenz ein herber Rückschlag. Die Menschen vor Ort sorgen sich um ihre Existenz. Aber wir alle bekommen die Auswirkungen dieses Millionen-Fiaskos zu spüren. Der Landeshaushalt wird mit einer neuen Schuldenlawine überlastet. Der Steuerzahler – also wir alle – muss die Zeche bezahlen. Und die Alleinverantwortlichen weisen jegliche Schuld von sich. Das ärgert mich.

EAZ: Welche Auswirkungen hat die Insolvenz am Nürburgring auf die Landespolitik?

Klöckner: Das Nürburgring-Projekt entwickelt sich zum ungeheuerlichsten Skandal in der Geschichte unseres Landes. Wir sprechen hier von der größten staatlich organisierten Pleite in Rheinland-Pfalz. Auch bundesweit ist dies ein einmaliger Vorgang. Eine weitestgehend landeseigene Gesellschaft geht Pleite. Dies wird die Diskussion zum Länderfinanzausgleich noch anheizen. Das ist also die soziale Gerechtigkeit der SPD: Geld für Unterricht, Polizisten und bessere Straßen fehlt, weil Millionen Euro dem Größenwahn des Ministerpräsidenten zum Opfer gefallen sind. Das ist einfach nicht zu fassen …

EAZ: Was glauben Sie, wer in Herrn Becks Kabinett davon gewusst hat?

Klöckner: In einem funktionierenden Kabinett sind immer alle Mitglieder intern über die Vorhaben informiert. Erschreckender ist doch vielmehr, dass keines der Kabinettsmitglieder die berechtigten Fragen und Warnungen der Opposition ernst genommen hat. Fast schon stoisch wurden, ohne großartig zu überlegen, die fatalen Entscheidungen des Ministerpräsidenten abgesegnet. Die Grünen – als Wackel-Dackel der SPD – haben voll mitgemacht. Besonders Frau Lemke hat offensichtlich komplett vergessen, was die Grünen als außerparlamentarische Opposition gefordert haben. Stattdessen stellt sie sich nun schützend vor Beck, Lewentz, Hering und Kühl.

EAZ: Was bedeutet das für die Grünen?

Klöckner: Die Grünen haben sehr an Glaubwürdigkeit verloren. Als frühere Nürburging-Warner und Aufklärer haben sie einen enormen Schwenk vollzogen: von Glaubwürdigkeit zu Regierungsgehorsam. Die Eifel-Region hat das nicht verdient, wir Bürgerinnen und Bürger als Steuerzahler auch nicht.

EAZ: Fordern Sie nun den Rücktritt des Ministerpräsidenten?

Klöckner: Neben dem Ministerpräsidenten sitzen ja auch noch weitere Minister mit im Boot. Die Herren Beck, Hering, Kühl und Lewentz haben eine halbe Milliarde Euro in den Sand gesetzt und damit einer ganzen Region, ja dem ganzen Land dauerhaften Schaden zugefügt. Das ist so viel Geld, das an anderer Stelle fehlt. Wenn die Herren Charakter hätten, würden sie selbst das Feld räumen.

EAZ: Wie beurteilen Sie die Klagen der Landesregierung über die EU-Kommission, die angeblich die Rettungsbeihilfen verhindert habe und somit der Neustrukturierung im Wege stand.

Klöckner: Die Aussagen des Ministerpräsidenten und seines Finanzministers diesbezüglich sind feige und absolut falsch. Das ist ein ganz schlechtes Ablenkungsmanöver. Dabei ist die Sachlage eindeutig. Nicht der Überbringer der schlechten Botschaft ist schuld, sondern der, der Anlass für diese Botschaft gibt. Die EU-Kommission hält sich an einschlägiges Recht. Die Landesregierung akzeptiert das nicht.

EAZ: Am 1. August kommt der Landtag zu seiner Sondersitzung zusammen. Warum lässt sich die Landespolitik bis zur parlamentarischen Aufarbeitung des Themas so viel Zeit? Wäre ein früherer Termin nicht möglich gewesen?

Klöckner: Das sind zwei sehr gute Fragen, die Sie eigentlich an Herrn Köbler und Herrn Hering richten müssten. Die CDU hätte die Sondersitzung gerne sofort gehabt. Ohne Verzögerung! Das hat auch einen ganz bestimmten Grund: noch im Juli müssen im Zusammenhang mit der Insolvenz Entscheidungen getroffen werden. Die Parlamentsmehrheit, also SPD und Grüne, hat sich leider für den späteren Termin entschieden, zumal der auch besser in den Zeitplan des Kabinetts passt. Diesbezüglich hätte ich mir auch mehr Unterstützung vom Landtagspräsidenten gewünscht – im Sinne eines unabhängigen Parlamentarismus. Aber manch Einem mangelt es halt an souveräner Größe.

EAZ: Wieso konnte die CDU Rheinland-Pfalz der Insolvenz am Ring nicht früher Einhalt gebieten?

Klöckner: Die CDU hat im Landtag nun einmal nicht die Mehrheit. In allen für die Regierung kritischen Initiativen sind wir überstimmt worden. Fest steht auch, dass die SPD-Fraktion ihren Auftrag zur Kontrolle der Regierung im Landtag nie wahrgenommen hat. Vielmehr hat sich die Fraktion zum Gehilfen der Landesregierung entpuppt. Ohne parlamentarische Mehrheit und regierungskritischem Willen der Koalition ist es für eine Opposition unmöglich, die Regierung in ihren Mauscheleien zu stoppen. Trotzdem konnten wir durch beständiges Nachfassen, Anfragen stellen, Aktuelle Stunden, Untersuchungsausschuss und Plenardebatten erheblich zur Aufklärung beitragen. Ohne die CDU-Opposition wäre Vieles nicht ins Rollen gekommen.

EAZ: Welche Konsequenzen zieht die Opposition jetzt aus der Ring-Pleite?

Klöckner: Ganz klar, dass wir jetzt an die Bürgerinnen und Bürger rund um den Nürburgring denken müssen. Wir sind in großer Sorge um die Eifel-Region. Mitarbeiter und Anwohner haben zu Recht Angst um ihre Arbeitsplätze und die Zukunft der Rennstrecke. Wir werden die Menschen vor Ort nicht im Stich lassen. Deshalb werde ich am 2. August vor Ort am Nürburgring sein. Ich will zuhören und gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen suchen.

EAZ: Und wie soll es jetzt weitergehen?

Klöckner: Transparenz und völlige Aufklärung sind die beiden wichtigsten Schlagworte. Dazu bestehen durchaus Chancen. Allerdings muss es zu einem richtigen Insolvenzverfahren kommen. Eine Insolvenz in Eigenverwaltung, wie sie das Land anstrebt, muss mit großer Skepsis entgegengetreten werden – schließlich bleibt der Einfluss der Landesregierung am Nürburgring sonst weiterhin zu groß. Aber eines ist auch klar: Für das Land und die Steuerzahler bleiben Schulden in hoher dreistelliger Millionenhöhe. Das allein wird dem Land erhebliche Nachfolgelasten aufzwingen. Die CDU ist nach wie vor bereit dazu, meine Hand bleibt ausgestreckt, die Landesregierung sollte nun endlich über ihren Schatten springen – zum Wohle unserer Bürger.

EAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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