Die „Hetzgemeinde“ hat Schnappatmung

Daun. Falls es so etwas wie “Schwarm-Intelligenz” tatsächlich geben sollte, dann gibt es mit Sicherheit auch eine “Schwarm-Schnappatmung”. Dass die Flut an Verballhornungen und Selbstbeweihräucherung oft den gegenteiligen Effekt haben, wird von einer Minderheit in der „Gemeinde” entweder nicht erkannt oder bei der Verbreitung von Halbwahrheiten billigend in Kauf genommen. Gegenteiliger Effekt meint: Die Beschimpften stehen hinterher oft besser da als vorher. Es ist ja auch wirklich nicht so schwer, eine relativ kleine „Gemeinde“ hinter dem Ofen hervorzulocken und zur Gruppenhatz aufzurufen. Es reicht, einfach eine andere Meinung zu vertreten als der moralisch geprägte Mainstream und schon geht der gemeine Wutbürger im Kollektiv an die Decke. Nach den Ursachen fragt im „Schwarm“ sowieso niemand.  

So hatte es für den unvoreingenommenen Betrachter den Anschein bei einer theatralisch geführten Diskussionsveranstaltung am vergangenen Donnerstagabend, 02.02.2012, zu der Wolfgang Jenssen als Fraktionsvorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion – auf Nachfrage – im Namen der SPD, FWG, FDP und Grünen auch die Eifelzeitung eingeladen hatte. Rund 100 Bürgerinnen und Bürger mögen es gewesen, darunter viele Freunde und Sympathisanten der SPD und SPD-nahen „Zirkel“ im vorderen Teil des Auditoriums. Landrat Onnertz, offiziell als Gast eingeladen, war der Hauptredner in der Diskussionsrunde. Im hinteren Teil des Auditoriums saßen eher die Interessierten, die den Kreissparkassenkonflikt aus der Ferne eher nüchtern betrachtet haben und sich mit Applausbekundungen sehr zurück gehalten haben.

Als außenstehender Betrachter hatte man fast den Eindruck, die Sympathisanten, die sich zu Wort gemeldet haben, waren Teil des Programms. Vertreter der CDU und der BUV waren in der Diskussionsrunde nicht zugegen, wie mehrmals betont worden ist. Interessant – weder CDU, noch BUV oder LINKE waren für dieses Podium eingeladen, wie die Eifel-Zeitung erfahren hat. Im Auditorium saßen dennoch Zuhörer von CDU und BUV und LINKE. Die Veranstaltung war schließlich offen zugänglich. Wer sich neue Erkenntnisse in Sachen KSK erhofft hatte, wurde eher enttäuscht. Ein Schlagabtausch im besten demokratischen Sinne konnte der Abend  von vornherein nicht sein. Das war auch sicherlich nicht so erwünscht oder angedacht. Neues wurde an diesem Abend nicht erzählt. Die Veranstaltung war eher eine Art „kollektives  Lippenbekenntnis. Die Meisten haben wahrscheinlich tatsächlich geglaubt, was sie da erzählt haben. So kam es denn auch, dass öffentlich geäußerte Positionen bis auf ganz wenige Wortmeldungen immer in die gleiche Richtung gingen. Die Position der Linken kam nur insofern zur Sprache, als dass die Führungskompetenz des Vorstandsvorsitzenden von zwei Rednern angezweifelt wurde. Sie werteten das Votum der Mitarbeitervertreter im Verwaltungsrat gegen ihren eigenen Chef als Beleg für Probleme in diesem Bereich. „Dann hätten sie zum Verwaltungsratsvorsitzenden gehen müssen, denn dessen Aufgabe ist es, bei derartigen Problemen der erste Ansprechpartner zu sein“, konterte der Landrat. Eine solche Aussprache sei jedoch niemals geschehen. Auch könne das bekannt gewordene Schreiben Grau‘s an die Verwaltungsratskollegen, sie mögen sich auch eine Karriere außerhalb der KSK vorstellen, nicht als Argument dafür gelten, der Vorstand habe mit unzulässigem Druck gearbeitet und sein Vertrag sei deshalb nicht verlängert worden.

Erfahren wollten die Anwesenden Neues über den seit 9. Dezember 2011 schwelenden Konflikt um die Vorstandspersonalie bei der KSK Vulkaneifel. Die meisten waren sich einig: Sie forderten nach wie vor Aufklärung über die Hintergründe der nunmehr vorzeitigen Entlassung des KSK-Vorstandsvorsitzenden. Sie sehen den Landrat, den Landkreis, sowie die Kreissparkasse beschädigt und sie wollen, dass die Kasse aus dem Schussfeld politischer Grabenkämpfe herausgehalten wird. Sie vermuteten Machtspiele und Intrigen als Motiv hinter der umstrittenen Entscheidung und sind überzeugt: „Das dürfen wir mit uns und mit unserer Kreissparkasse nicht geschehen lassen!“ Da hatte niemand die Frage gestellt: Wer eigentlich den Konflikt ursächlich in die Öffentlichkeit gezogen hat? 

Aus Sicht des Landrates liegt die Problematik nicht in der Nichtverlängerung des Vertragsverhältnisses, bzw in dem Beschluss, dem Vorstandsvorsitzenden keinen neuen Vertrag zu geben, sondern in der Art und Weise wie das geschehen ist. In der Eifel-Zeitung müsse der Landrat lesen, er habe kein Demokratieverständnis und er lässt solange abstimmen bis es im passt. Das sei alles Unsinn. Der Landrat sprach von Pflichtwidrigkeit, hätte er die Kreistagssondersitzung nicht anberaumt. Schließlich sei der Kreis Träger der KSK. Und wenn der KSK ein erfolgreicher Vorstand „genommen“ wird, sei es die Verpflichtung, dass das Entscheidungsgremium des Trägers sich darüber unterhält – mehr nicht. Der Landrat sei nicht mit einem Vorschlag in die Sitzung gegangen und habe gesagt „wir wollen den Grau jetzt halten“. Onnertz Entscheidungsvorschlag sei gewesen, den Verwaltungsrat nochmals zu bitten, darüber nachzudenken. Das sei etwas ganz anderes.

Der Landrat sagte weiter, es sei auch „dummes Zeug“ was in der Zeitung geschrieben steht: Die Rechtsauffassung der CDU und der BUV in Sachen rechtlicher Bewertung der Zuständigkeit – Kreistag oder Verwaltungsrat – habe sich bestätigt – alles dummes Zeug! Darüber hätte es nie eine Diskussion gegeben. All das macht ihn so fertig, deshalb würde er auch sein Landratsamt aufgegeben, wenn er einen vernünftigen Nachfolger finden könnte. Weil, das macht so keinen Spaß mehr – so der Landrat in einem Atemzug. Die anstehende Umbaumaßnahme der KSK stellte der Landrat an diesem Abend auch in Frage: Ich weiß nicht, ob das jetzt noch notwendig ist.
 
Die aufklärende Meinung eines Teilnehmers aus dem Auditorium: – was überhaupt Sinn und Zweck eines Vorstandsvertrages sei –  war in dieser Diskussionsrunde nicht wirklich gewünscht. Weitere Kritikpunkte, die gegen Grau sprechen können, wurden ebenfalls relativiert. Die KSK hatte von der Bankenaufsicht BaFin anlässlich einer Prüfung sehr schlechte Noten bekommen, zudem seien in der Lehman-Krise etwa 2,5 Millionen Euro unter Graus Führung verlorengegangen. Das Gegenargument des Landrates lautete sinngemäß: Nur wenige Monate nach dieser Prüfung seien alle BaFin-Kritikpunkte vollständig ausgeräumt gewesen und der – im Übrigen zu jener Zeit für alle Kreditinstitute weltweit zu verkraftende – Geldverlust wegen Lehman sei vergleichsweise gering, so dass die KSK die Krise als eine der Besten gemeistert hätte. Dass die Lehman-Papiere in 2001 nach Informationen der Eifel-Zeitung rund 4 Millionen Euro gekostet hatten, darüber wurde nichts gesagt.   

Karl-Wilhelm Koch, Fraktionsvorsitzender der Grünen, argumentierte als Mathematiker – er ist kein Verwaltungsratsmitglied, behauptet aber: wenn in einem Gremium von 15 Leuten die fünf Mitarbeitervertreter das Risiko auf sich nehmen, gegen ihren Chef zu votieren, dann tun sie das nur, wenn sie sich untereinander und mit anderen abgestimmt haben, andernfalls wären sie mit dem Klammerbeutel gepudert. Von einer Abstimmung jeglicher Art sei ihnen nichts bekannt, äußerten sich indes die Verwaltungsratsmitglieder Wolfgang Jenssen (SPD) und Dr. Edmund Geisen (FDP). In derartiges seien sie jedenfalls nicht involviert worden, auch seien ihnen von den anderen Verwaltungsratsmitgliedern keine sachlichen Gründe gegen Graus Vertragsverlängerung genannt worden. „Alles, was ich weiß, weiß ich nur aus der Presse“, sagte das FDP-Bundestagsmitglied Dr. Edmund Geisen. Für das fehlende Verwaltungsratsmitglied der FWG sprach Alfred Lorenz als Fraktionsvorsitzender der Kreis-FWG: „Unser Mitglied weiß nichts anderes, als das, was die Vorredner gesagt haben.   

Für das Verständnis vieler ausgetauschter Meinungen und Argumente dürfte kühles Fachwissen vonnöten sein, um deren Stichhaltigkeit zu beurteilen. Doch eines war auf der Veranstaltung am 02.Februar auch für Unbeteiligte zu verstehen: es überwiegten mehr die emotionalen Gründe in der Diskussion. Die rein sachlichen Dinge wurden mehr oder weniger alle von der Sparkassenaufsicht begründet. Das sei zwar gesetzeskonform, aber inhaltlich trotzdem falsch. Die Landtagsabgeordnete und 1. Kreisbeigeordnete Astrid Schmitt (SPD) fügte zum Abschuss noch hinzu: „So etwas bleibt nicht in den Kleidern stecken!“   

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