Der etwas andere Kommentar

Thema: Die aktuell erfolgte Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Landau gegen den RLP-Landtagsabgeordneten Michael Billen, Kaschenbach/Eifel, wegen Beihilfe zur Verletzung von Dienst- und Privatgeheimnissen.

Die Anklage kann auch Un-Billen erregen!

Das Wort „Unbillen“ gehört zu den „beliebten Fehlern“ im Umgang mit der deutschen Sprache, denn eigentlich kann man nur von „Unbilden“ sprechen, wenn man z.B. „ärgerliche Wetterlagen“ beschreiben will. Aber es gibt im Mittelhochdeutschen den Begriff „unbil“, der mit „ungemäß“ gleichzusetzen ist. Das Wort wird schon mal im Sinne von „Unrecht“ verwendet. Und in diesem Zusammenhang – und weil der Name des Landtagsabgeordneten dazu anregt – ist mir der Titel zu dieser Geschichte eingefallen. Michael Billen – nein, eigentlich seine Tochter, eine Polizistin, wird zunächst angeklagt, drei Kollegen dazu angestiftet zu haben, für sie im polizeilichen Informationssystem POLIS zu recherchieren. Dabei sei sie an Angaben über zwei Personen gekommen, die als „Geschäftspartner“ für die Landesregierung von Rheinland-Pfalz von großer Bedeutung waren.

Vater Billen soll die Informationen „aufgrund einer gemeinsamen Absprache“ bei seiner Tochter „entgegengenommen“ und Presseorganen zugänglich gemacht haben. Meint man bei der Staatsanwaltschaft Landau. – Nein, sagt Billen, er habe sie nicht von seiner Tochter erhalten, sondern „abgegriffen“ und nicht an die Presse weiter gegeben. Aber gegen ihn wird (s. „Thema“) nun auch Anklage erhoben. Man muss sich fragen: Warum hätte Billen einen solchen Weg wählen sollen, wie die Anklage ihm unterstellt, da er doch als Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der „Ungereimtheiten“ bei der Umsetzung (und Finanzierung!) des Projektes „Nürburgring 2009“ eigentlich selbst Zugang zu POLIS hätte haben können? Nur: Er hätte offiziell einen Antrag stellen müssen.

„Zufällig abgegriffen“

Nachteil bei dieser Abwicklung: Er hätte sich nach § 203 (Verletzung von Privatgeheimnissen) strafbar gemacht, wenn er mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Nun hat Billen POLIS-Wissen „zufällig abgegriffen“, wie er sagt, ist zufällig in den Besitz gekommen. Und zum gleichen Zeitpunkt gab es dann Veröffentlichungen in zwei Tageszeitungen, aus denen hervorging, dass die zwei „Geschäftspartner“ der Landesregierung bereits ein Vorleben hatten, das eigentlich „die Wissenden“ zur Vorsicht veranlassen musste. Aber die Landesregierung hatte da schon längst ihre Partner von Experten durchleuchten lassen. Sagt man. Die hatten – so sagt man auch – nichts Negatives entdecken können. Aber wahrscheinlich auch nicht in POLIS geschaut. – Oder man hielt, was da zu lesen war, für unerheblich. – Bedeutung erhielten die Einträge wohl offensichtlich erst, nachdem Mathias Billen – übrigens ein CDU-Mann – ins Spiel kam.

Da waren die POLIS-Ergebnisse, ganz gleich woher sie kamen (wenn sie denn stimmen) für eine bestimmte Politiker-Gruppe schon peinlich. – Sehr peinlich. – Was jetzt schon vergessen scheint:

Zum Zeitpunkt, zu dem der „Fall Billen“ öffentlich wurde, gab es unter den Landtagsabgeordneten eine Reihe von Politikern (nicht nur Billen!), die um den Inhalt von POLIS wussten. Woher? – Keiner weiß es. Aber auf den Gängen des Landtages war POLIS Thema. Warum sollen das  nicht Journalisten aufgeschnappt haben, die ständig in Mainz unterwegs sind und zu Parteifreunden „aller Farben“ Kontakt haben?

Es war immer schon einfach, sich über Personen via POLIS zu informieren. Auch wenn man nicht berechtigt war, dieses polizeiliche Informationssystem zu nutzen. Man musste dann eben „anstiften“. – Nach Möglichkeit “unauffällig“.
„Kannst Du mir mal …?

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein SPD-Politiker möchte – um besser mit Jemandem verhandeln zu können – etwas über dessen „schwarzen Flecken“ auf seiner (angeblich) „weißen Weste“ wissen. Weil das SPD-Mitglied weiß, dass es einen CDU-Politiker gibt… – Na ja, der hat eine Sekretärin, die mal bei einem Ordnungsamt war. – You understand? – Also geht die zu ihrem alten Chef und fragt: „Kannst du mir mal einen Gefallen tun?“ – Der schaut also nun – und er ist dazu berechtigt, bzw. könnte eine Berechtigung nachweisen – bei POLIS nach und… – In diesem Fall, den es tatsächlich gegeben hat (!), war die „Weste weiß“. Der Fall wäre auch niemals aufgefallen, wenn ich ihn nicht recherchiert hätte. Für Ungläubige aller Parteien: Ich habe sogar mit der Sekretärin persönlich gesprochen und mir den o.g. Ablauf bestätigen lassen. – Ein scheinbar ganz normaler Vorgang. – Es war kein Unrechtsbewusstsein spürbar. Da hatte also ein SPD-Politiker einen CDU-Politiker angestiftet… – Wo ist das Problem? In einem Land, in dem sogar die Staatsanwaltschaft mit Wissen der Politik (ein „vorsichtige“ Formulierung) das Haus eines Journalisten durchsuchen lassen kann. Ein glatter Verstoß gegen bestehende Gesetze!

Aber zurück zum Fall Billen:

Hier erinnert sich eine bestimmte politische Gruppe – und die Staatsanwaltschaft – plötzlich an § 37 des Landesdatenschutzgesetzes. Da ist zu lesen: „(1) Wer gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, erhebt, speichert, nutzt, sperrt, löscht, zum Abruf bereit hält oder übermittelt, oder abruft, einsieht, sich verschafft oder durch Vortäuschung falscher Tatsachen ihre Weitergabe an sich oder einen anderen veranlasst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.“

Der erste Teil dieses langen Satzes ist im Falle Billen wichtig: Gegen Entgelt? – Nein. – In der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern? – Nein. – Oder zu schädigen? – Nein. – Im Gegenteil: Billen hat eigentlich so gehandelt, was im BGB als „Geschäftsführung ohne Auftrag“ bezeichnet ist. Er hat versucht, den Ministerpräsidenten und die verantwortlichen Minister vor einem Bruch ihres Amts-Eid zu bewahren. Mit ihrem Eid haben die Amtsträger sich verpflichtet, „dem Wohle“ der Bürger (und Steuerzahler) zu dienen, „seinen Nutzen zu mehren“ und – ganz wichtig – „Schaden von ihm (zu) wenden“.

Amtseide nur eine Worthülse?

Aber Billen hat wohl den Wert eines Amtseids überschätzt: Schon in einem Kommentar zum Amtseid (durch Maunz/Herzog/Scholz) ist zu lesen, dass „sämtliche Amtseide“ … „in keiner denkbaren Beziehung strafbewehrt“ sind. Da ist dann zu lesen, „dass eine flagrante Verletzung der im Eid übernommenen Verpflichtungen“ nicht z.B. als Meineid oder Ähnliches gewertet werden kann. – Ist der Amtseid tatsächlich nur eine Floskel, eine Worthülse, um dumme Wähler in den Schlaf zu singen?

Es kommt also nicht auf den Eid, sondern mehr auf den Charakter des jeweiligen Politikers an. Was dann zu der Frage führt: Wer von den Herren Bamberger, Beck, Billen, Bruch, Deubel, Hering, Kühl usw. verfügt über mehr Charakter? – Warum ist welchen Herren ein Mathias Billen unangenehm? – Im Volksmund heißt es: „Gleich und Gleich gesellt sich gern.“ – Gegen wen? Hätte Mathias Billen z.B. offiziell Kenntnis von den Fakten erlangt, die über „Geschäftspartner“ der Landesregierung in POLIS zu lesen waren, hätte er die niemals nach § 353b (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) weiter geben dürfen.

Funktionierendes System

Dass überall – zur gleichen Zeit – Landtagsabgeordnete praktisch aller Parteien auf den Fluren hinter vorgehaltener Hand über den „Skandal einer angeblichen genauen Überprüfung der Geschäftspartner der Landesregierung“ flüsterten, wird unter den Teppich gekehrt. Man versucht Mathias Billen „zur Schlachtbank“ zu führen. – Natürlich aus politischen Gründen. Billen passt nicht „ins System“. – Ein Mann der seine Wähler vertritt. Was das herrschende System uns in RLP gebracht hat, sieht man an den Beispielen „BikeWorld Nürburgring“, „Nürburgring 2009“, „Schlosshotel Bergzabern“, ARP-Museum Remagen“, „Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern. – Ein funktionierendes System. Man muss es nur aus der richtigen Richtung betrachten.

Und die Herren Politiker, die für die mehr oder weniger großen Skandale verantwortlich zeichnen, die haben alle einen Amtseid geschworen. Aber ein Ministerpräsident Kurt Beck sagte am Samstag vor seinen Genossen in Daun: „Jetzt versuchen sie, uns zu verleumden. Das gehört zum Geschäft der Hilf- und Hoffnungslosen.“ – 

Ich, lieber Landes-Fürst, bekenne mich zu dieser Gruppe, wenn die derzeitige politische Situation in Rheinland-Pfalz die Ausgangsbasis für Denkansätze ist. – Warum denn wohl, Herr Beck? Lassen Sie mich mal die Frage stellen, die man dann auch schon mal hört, wenn es um Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit – eben Charakter – eines Menschen geht:

Wir manche zu unangehm

Von welchem der oben genannten Politiker würden Sie, lieber Leser, einen Gebrauchtwagen kaufen?

Von Kurt Beck zum Beispiel? – Wie sagte doch Bernhard Vogel (CDU), auch mal Ministerpräsident des Landes bei der Niederlegungen dieses Amtes, aber auch seines Landtagsmandats: „Gott schütze Rheinland-Pfalz.“ Man sollte sich nicht auf andere verlassen. – So übernahm dann später Rudolf Scharping (SPD) das Amt des Ministerpräsidenten. – So konnte dann auch  Dr. Kafitz zum Geschäftsführer der Nürburgring GmbH avancieren. – Das Unglück nahm seinen Lauf – und hat inzwischen auch einen Namen: „Nürburgring 2009“.

Und ich musste als Journalist einen Prozess führen, um die Staatsanwaltschaft Koblenz an den Paragraphen 5 des Grundgesetzes erinnern zu lassen. Ich war einer Reihe von Beteiligten am „Nürburgring-Skandal“ mit meinen Recherchen und meinem Nachhaken zu unangenehm geworden.

Mangels öffentlichem Interesse?

Der letzte Abschnitt im Beschluss des Landgericht Koblenz in „meiner Sache“ lautet:   „Da somit kein Anfangsverdacht einer Straftat des Beschuldigten Hahne vorliegt, war die mit der Beschwerde angegriffene Durchsuchungsanordnung aufzuheben, ohne dass darauf eingegangen werden muss, ob der Durchsuchungsbeschluss formal den gesetzlichen Anforderungen genügt.“  Die Begründung der Staatsanwaltschaft Koblenz zur dann folgenden Einstellung des Ermittlungsverfahrens war noch durchsichtiger: Wegen Mangel an (oder geringem) öffentlichem Interesse. Darum habe ich dann ein Buch geschrieben, das aus den oben genannten Gründen nun die Öffentlichkeit interessiert. – Wie sicherlich auch das Verfahren gegen Michael Billen. – Auch ein Hilf- und Hoffnungsloser, Herr Beck?                                                                       

Wilhelm Hahne             
 

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