Keine Gnade: Weitere 16 Jahre Haft für Weinstein

Von Christina Horsten, dpa

Los Angeles/Chicago (dpa) – Der bereits im Gefängnis sitzende ehemalige Hollywood-Mogul Harvey Weinstein ist wegen Sexualverbrechen zu einer weiteren langen Haftstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Los Angeles legte für den 70-Jährigen am Donnerstag 16 Jahre Haft fest. Weinstein sitzt derzeit bereits eine Haftstrafe von 23 Jahren ab, zu der er 2020 nach einem Prozess in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt worden war.

Bei dem Gerichtstermin schilderten mehrere Frauen noch einmal, wie Weinstein sich an ihnen vergangen habe. Weinstein selbst erschien in grauer Gefängniskleidung und im Rollstuhl. Er verteidigte sich kurz vor der Strafmaßverkündigung und bat das Gericht um «Gnade»: «Ich bestehe darauf, dass ich unschuldig bin.» Speziell auf eine der Frauen bezogen, sagte Weinstein, dass er sie nicht vergewaltigt habe. «Bitte verurteilen Sie mich nicht zu lebenslanger Haft. Das verdiene ich nicht. So viele Dinge sind falsch mit diesem Fall.» Weinsteins Verteidiger hatten bereits zuvor angekündigt, sowohl das Urteil aus New York als auch das aus Los Angeles anfechten zu wollen.

Viele Kommentare auf Social Media

Zahlreiche Menschen kommentierten das Strafmaß in den sozialen Medien. «Liebe und Licht an alle seine Opfer», schrieb die Dokumentarfilmerin und Tochter der ehemaligen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Christine Pelosi. «Ihr habt Trost und Heilung verdient.»

Bei dem Prozess in Los Angeles hatte eine Jury Weinstein im Dezember wegen Sexualverbrechen in drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, schuldig gesprochen. In einem Punkt wurde er freigesprochen, in drei weiteren Punkten gab es keine Einigung. Die Vorwürfe stammten von vier Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Unter den Klägerinnen war unter anderem Jennifer Siebel, die jetzige Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben. «Gerechtigkeit», schrieb Siebel nach der Strafmaßverkündung bei Twitter. «Und noch mehr Arbeit vor uns.»

In New York war Weinstein wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen worden. Der Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Der Fall hatte damals die #MeToo-Bewegung maßgeblich mit ausgelöst. Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Vom Hollywood-Mogul zum Sträfling

Der 1952 im New Yorker Stadtteil Queens in eine wohlhabende Familie hineingeborene Weinstein war einst ein reicher und mächtiger Hollywood-Mogul, der mit seiner Firma Erfolgsfilme wie «Der englische Patient», «Pulp Fiction», «Good Will Hunting» oder «Gangs of New York» produzierte und für «Shakespeare in Love» selbst einen Oscar gewann. Nun sitzt er wegen gesundheitlicher Probleme meist im Rollstuhl und könnte den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen.

Auch in einem ähnlichen Fall wurde am Donnerstag ein Strafmaß verkündet: Der bereits wegen Sexualstraftaten im Gefängnis sitzende Ex-Popstar R. Kelly (56) wurde von einem Gericht in Chicago übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge zu 20 Jahren Haft verurteilt. Anders als im Fall von Weinstein entschied das Gericht im Fall von Kelly allerdings, dass er seine Haftstrafen größtenteils parallel absitzen dürfe. Kelly war im vergangenen Jahr in New York unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger bereits zu einer Haftstrafe von 30 Jahren verurteilt worden.

«39 Jahre für Harvey Weinstein. 30 Jahre für R Kelly», schrieb die US-Schauspielerin Ellen Barkin bei Twitter. «Die Lehre: … hört auf, Frauen zu vergewaltigen.»

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Harvey Weinstein in drei Punkten schuldig gesprochen

Von Barbara Munker, dpa

Los Angeles (dpa) – Harvey Weinstein sitzt seit 2020 bereits eine langjährige Haft wegen Sexualstraftaten ab – jetzt kommen weitere Jahre hinter Gitter dazu: zwölf Geschworene in Kalifornien haben den ehemaligen Hollywood-Mogul in drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, schuldig gesprochen. Nach mehr als 40-stündigen Beratungen über zehn Tage hinweg gab die Jury am Montag (Ortszeit) im Gericht in Los Angeles das Urteil bekannt.

Doch es war keine totale Niederlage für den 70-jährigen Weinstein. In einem Fall wurde er freigesprochen, in drei weiteren Anklagepunkten konnten sich die acht Männern und vier Frauen nicht auf ein einstimmiges Urteil einigen. Für diese drei Vorwürfe, darunter Vergewaltigung und erzwungener Oralverkehr, stellte die Richterin ein sogenanntes Fehlverfahren («Mistrial») fest.

Bis zu 24 Jahre Haft möglich

Im Falle eines Schuldspruchs in allen Anklagepunkten drohten Weinstein über 60 Jahre Haft. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft sind nun immerhin noch bis zu 24 Jahre Haft möglich. Das Strafmaß soll zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden.

Weinstein, im grauen Anzug, habe den Kopf nach unten gesenkt, als das erste Schuldurteil verlesen wurde, berichteten im Gericht anwesende Journalisten. Das seit Oktober laufende Verfahren drehte sich um sieben Anklagepunkte, darunter Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe. Die Vorwürfe stammten von vier Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben.

Klägerinnen sagten teils unter Tränen aus

Teils unter Tränen und mit drastischen Details hatten die Klägerinnen die angeblichen Übergriffe von Weinstein beschrieben. Nach Darstellung von Weinsteins Verteidigern waren sexuelle Handlungen einvernehmlich oder einige der vorgebrachten Vorwürfe von den Frauen frei erfunden. Weinsteins Anwälten zufolge hätten die Klägerinnen mit dem einflussreichen Filmproduzenten Sex gehabt, um in Hollywood weiterzukommen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten als «degenerierten Vergewaltiger» dargestellt, der seine Macht dazu benutzt habe, Frauen nachzustellen und wie ein Raubtier zu handeln.

Unter den Klägerinnen war unter anderem Jennifer Siebel, die jetzige Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Als angehende Schauspielerin und Produzentin habe sie 2005 mit Weinstein über berufliche Projekte sprechen wollen, sei aber dabei in einem Hotelzimmer von ihm vergewaltigt worden, sagte sie im Zeugenstand aus. In den beiden Anklagepunkten, die Siebel betrafen, konnte die Jury kein einstimmiges Urteil fällen.

Dies sei «enttäuschend» gewesen, sagte Siebels Anwältin Elizabeth Fegan in einer Mitteilung, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Doch die Tapferkeit und den Mut, den die Frauen im Zeugenstand bewiesen hätten, werde dadurch nicht geschmälert. Dank ihrer «heroischen Taten» werde Weinstein nun wahrscheinlich den Rest seines Lebens hinter Gitter – «wo er hingehört» – verbringen, schrieb Fegan.

Die drei Schuldsprüche betrafen ein als Jane Doe 1 umschriebenes Model, das im Zeugenstand erklärt hatte, sie sei im Februar 2013 für ein Filmfestival aus Rom nach Hollywood gereist. Weinstein sei unter dem Vorwand, reden zu wollen, in ihr Hotelzimmer gekommen. Er habe sie dort zum Oralverkehr gezwungen und vergewaltigt, sagte sie unter Tränen aus.

Sprecher: «Harvey ist natürlich von dem Urteil enttäuscht»

«Harvey ist natürlich von dem Urteil enttäuscht», sagte Weinstein-Sprecher Juda Engelmayer in einer Mitteilung. Sie glaubten aber, dass der Fall von Jane Doe 1 in einem Berufungsverfahren anzufechten sei. Weinstein sei entschlossen, weiter juristisch vorzugehen.

Mit dem Verfahren in Kalifornien stand Weinstein ein weiteres Mal wegen sexueller Übergriffe vor Gericht. Ein Prozess in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung endete 2020 mit einem Schuldspruch in zwei von fünf Anklagepunkten und einer Haftstrafe von 23 Jahren. Das Verfahren in New York markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte, doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Weinsteins Anwaltsteam hat kürzlich Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Eine Entscheidung darüber könnte 2023 fallen. Doch mit dem neuerlichen Schuldspruch dürfte der einst mächtige Hollywood-Mogul, der mit seiner Firma Erfolgsfilme wie «Der englische Patient», «Pulp Fiction», «Good Will Hunting» oder «Gangs of New York» produzierte, seine Hoffnungen auf eine baldige Freilassung aufgeben.

Film «She Said» handelt von Enthüllungen

Vor fünf Jahren, im Oktober 2017, hatten die Schauspielerin Ashley Judd und andere Frauen erstmals in einem investigativen «New York Times»-Artikel öffentlich ausgepackt. Weitere Frauen warfen dann in einem Bericht der Zeitschrift «The New Yorker» Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Der neue Film «She Said» der deutschen Regisseurin Maria Schrader dreht sich um ebendiese Enthüllung des Weinstein-Skandals durch zwei Journalistinnen der «New York Times».

Weltweit sahen Betroffene eigene Erlebnisse in denen der mutmaßlichen Weinstein-Opfer wieder. Unter dem Schlagwort «Me too» («Ich auch») fanden sie öffentlich Gehör – mit Folgen für weitere einflussreiche Leute, die angeprangert, gefeuert oder angeklagt wurden. Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

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