Schutz vor zu hohen Preisen: Kartellamt soll «Biss» bekommen

Berlin (dpa) – Das Bundeskartellamt soll mehr «Biss» bekommen – und Verbraucher mehr Schutz vor überhöhten Preisen. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch eine Reform des Wettbewerbsrechts auf den Weg. Das Kartellamt soll mehr Eingriffsrechte bekommen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte in Berlin, Ziel des Gesetzes sei es, Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen – «also dafür zu sorgen, dass die Preise nicht künstlich hochgehalten werden». Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einem Kartellamt «mit Biss». Kritik an den Plänen kam aus der Opposition und der Wirtschaft.

Mit den geplanten Änderungen beim Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollen Störungen des Wettbewerbs im Sinne der Verbraucher besser abgestellt werden können, so das Wirtschafts- sowie das Justizministerium. Die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts sollten geschärft werden – dort, wo die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegenstehe, etwa weil es nur wenige Anbieter im Markt gebe und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten seien. Weiterlesen

Spritpreise: Kartellamt hat keine Hinweise auf Absprachen

Bonn (dpa) – Das Bundeskartellamt hat bei einer Untersuchung des Raffineriegeschäfts in Deutschland bislang keine Anzeichen für verbotene Preisabsprachen der Mineralölgesellschaften entdeckt. Dies geht aus einem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht hervor. Anlass der im Frühjahr gestarteten Untersuchung war eine laut Behörde «nachhaltige Entkopplung» der Tankstellenpreise von der Entwicklung des Rohölpreises in den Wochen und Monaten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine.

«Unsere Untersuchung zeigt, dass sich diese Entwicklung nicht allein auf Kostensteigerungen zurückführen lässt», sagte Behördenpräsident Andreas Mundt laut einer Mitteilung. Dem widerspreche vor allem die Tatsache, dass die meisten Mineralölkonzerne in dieser Zeit mit ihren Raffinerien sehr große Gewinne erwirtschaftet hätten. Weiterlesen

Für Amazon gelten verschärfte Regeln – Bundeskartellamt stellt überragende marktübergreifende Bedeutung fest (§ 19a GWB)

Bonn. Das Bundeskartellamt hat gestern entschieden, dass die Amazon.com Inc., Seattle, USA ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit unterfällt Amazon gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB.

Die Vorschrift des § 19a GWB ist aufgrund einer Gesetzesänderung seit Januar 2021 in Kraft. Das Bundeskartellamt kann in einem zweistufigen Vorgehen Unternehmen, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Amazon ist der zentrale Schlüsselspieler im Bereich des E-Commerce. Die Angebote des Konzerns u.a. als Händler, Marktplatz, Streaming- und Cloud-Anbieter sind zu einem digitalen Ökosystem verbunden. Wir haben entschieden, dass der Konzern auch im kartellrechtlichen Sinne ein Unternehmen von überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Konkret bedeutet diese Entscheidung, dass wir bei Amazon mögliche wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen gezielt aufgreifen und unterbinden können, und zwar effektiver als das bisher der Fall war. Bei seinen Marktplatzdienstleistungen für Dritthändler halten wir Amazon für marktbeherrschend. Damit greift hier zusätzlich die parallel anwendbare klassische Missbrauchsaufsicht, auf deren Grundlage wir derzeit schon Verfahren gegen Amazon führen.“

Amazon gehört mit weltweiten Umsatzerlösen von rund 400 Mrd. Euro im Jahr 2021, davon ca. 32 Mrd. Euro in Deutschland, zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt. Nach Einschätzung des Bundeskartellamtes wird mehr als jeder zweite Euro im deutschen Online-Einzelhandel auf der Amazon-Handelsplattform (amazon.de) ausgegeben. Neben der E-Commerce-Tätigkeit als Händler und Marktplatz gehören zu den Angeboten von Amazon an Endkunden auch digitale Inhalte (z.B. Filme, Serien oder Musik) im sog. Prime-Abonnement. Für Unternehmen – insb. Dritthändler – bietet Amazon neben den Marktplatzdienstleistungen weitere Dienstleistungen u.a. im Bereich Logistik, Werbung und Zahlungsabwicklung an. Im Bereich des Cloud-Computing gilt Amazon mit Amazon Web Services (AWS) mittlerweile als führend und erzielt dadurch einen Großteil seiner Konzerngewinne (so ca. 56 Prozent des Jahresüberschusses in 2021).

Amazons überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinne des § 19a Abs. 1 GWB verschafft dem Unternehmen eine Machtposition, die ihm vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnet.

Zunächst hat das Unternehmen durch die unter amazon.de betriebene Handelsplattform eine zentrale strategische Position im deutschen Online-Einzelhandel. Bei Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler in Deutschland verfügt Amazon über einen umsatzbezogenen Marktanteil von über 70 Prozent und ist damit nach Auffassung des Bundeskartellamtes marktbeherrschend. Die enorme Bedeutung der Amazon-Handelsplattform wird durch die eigene Einzelhandelstätigkeit auf der Plattform sogar noch verstärkt (sog. Hybridstruktur). Damit einher geht eine Regelsetzungsmacht, die erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftstätigkeit und den Geschäftserfolg anderer Unternehmen eröffnet. Das bedeutet, Amazon kann den Zugang anderer Unternehmen zu Absatz- und Beschaffungsmärkten kontrollieren und dabei seine Doppelrolle als Händler und Marktplatz ausspielen. Sein breites Portfolio an Geschäftstätigkeiten hat Amazon zu einem stark integrierten digitalen Ökosystem verbunden, das dazu beiträgt, Nutzergruppen im Ökosystem zu halten. Eine besondere Rolle spielt dabei das Prime-Abonnement, mit dem Endkunden neben einer versandkostenfreien Lieferung vielfältige weitere Dienstleistungen angeboten werden. Mehr als 17 Mio. auf amazon.de registrierte Nutzerinnen und Nutzer besitzen ein kostenpflichtiges Prime-Abonnement. Zudem verfügt Amazon über erhebliche Ressourcen wie wettbewerbsrelevante Daten und eine starke Finanzkraft.

Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet. Innerhalb dieses Zeitraumes unterliegt Amazon in Deutschland der besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt nach § 19a Abs. 2 GWB.

Das Bundeskartellamt hat zu seiner Entscheidung heute ebenfalls einen Fallbericht veröffentlicht. Dieser ist hier abrufbar.

Hintergrund

Weitere Amazon-Verfahren

Gegen Amazon führt das Bundeskartellamt aktuell zwei Verfahren nach den Regelungen der klassischen Missbrauchsaufsicht, die schon vor der jüngsten Gesetzesnovelle gültig waren (siehe Pressemitteilung vom 18. Mai 2021). In einem Verfahren untersucht das Bundeskartellamt, inwieweit Amazon durch Preiskontrollmechanismen bzw. Algorithmen Einfluss auf die Preissetzung der auf dem Amazon-Marktplatz tätigen Händler nimmt. In einem zweiten Verfahren prüft das Bundeskartellamt inwieweit Vereinbarungen zwischen Amazon und Markenherstellern, u.a. Apple, die Dritthändler vom Verkauf von Markenprodukten auf dem Amazon Marktplatz ausschließen, einen Verstoß gegen Wettbewerbsregeln darstellen. Schon 2018 hatte das Amt mit einem Missbrauchsverfahren Amazons Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen gegenüber Dritthändlern aufgegriffen. Das 2019 abgeschlossene Verfahren hatte weitreichende Verbesserungen für die Händler erwirkt (siehe Pressemitteilung vom 17. Juli 2019).

 

Bundeskartellamt erhebt keine kartellrechtlichen Einwände gegen Erwerb einer Beteiligung von RWE an E.ON

Bonn, 26. Februar 2019: Das Bundeskartellamt hat heute das Vorhaben der RWE AG freigegeben, eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von 16,67 Prozent an der E.ON SE zu erwerben. Das Vorhaben ist Teil des geplanten umfassenden Tauschs von Geschäftsaktivitäten zwischen den beiden Unternehmen. Die Entscheidung des Bundeskartellamtes erfolgt zeitgleich mit der Freigabe der EU-Kommission hinsichtlich des Erwerbs weiterer E.ON-Vermögenswerte durch RWE. Die Prüfung des Erwerbs der Mehrheitsbeteiligung an der Innogy SE durch E.ON durch die EU-Kommission dauert noch an. Weiterlesen

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