In den vergangenen 60 Jahren hat sich die Struktur der Dörfer sehr verändert. 1952 zählte Mürlenbach 900 Einwohner (heute rund 600). Man konnte so gut wie alles für den täglichen Bedarf im eigenen Dorf einkaufen: es gab 3 Bäckereien, 2 Metzgereien, 4 Gemischtwarengeschäfte und 1 Schuhgeschäft. Außerdem Hotels, Gaststätten, Gewerbebetriebe und etliche Handwerker. Das Dorf hatte noch einen eigenen Pfarrer, eine vierklassige Volksschule, einen besetzten Bahnhof mit Ladegleisen für den Güterverkehr, eine Poststelle und sogar einen eigenen Gendarmen – Herrn Stollenwerk.
Damals sausten die Kinder im Winter unbekümmert mit ihren Schlitten über die Dorfstraßen hinweg, die seinerzeit nur von wenigen Autos befahren wurden. Am 23. Januar 1952 war es frostkalt und es lag Schnee. Der 14-jährige Peter Jakobs spielte mit seinen Kameraden auf der Dorfwiese. Etwas entfernt fuhren andere Kinder ausgelassen mit ihren Rodelschlitten – einen Abhang nahe der Kyll hinunter. Unter ihnen war auch Dieter, der 4-jährige Sohn des Ortsgendarmen. Ihm wäre beinahe ein tragisches Unglück zugestoßen. Sein Schlitten hatte wohl mehr Schwung als ihm lieb sein konnte, denn plötzlich ertönte ein Schrei – und das Kind mitsamt dem Schlitten verschwand in der aufspritzenden Kyll, die gerade an dieser Stelle reißend vorbeifließt.
Als alle noch wie erstarrt dastanden, rannte Peter Jakobs zum Ufer und sprang sofort, unter eigener Lebensgefahr, mit voller Winterkleidung in die eiskalten Fluten. Er schaffte es, das Kind zu greifen und erreichte mit ihm das rettende Ufer. Dort, an der Böschung, warteten die herangelaufenen Kameraden und zogen den Kleinen und ihn aus dem Fluss. Das eisig-nasse Bad haben die beiden gut überstanden und sich nicht einmal eine Erkältung geholt.
Für seine mutige Tat wurde Peter eine Urkunde, unterzeichnet vom Ministerpräsidenten Altmeier, und die Lebensrettungsmedaille des Landes Rheinland-Pfalz verliehen. Ein Landtagsabgeordneter überreichte ihm beides – dazu noch einen 50-Mark-Schein. Landrat, Amtsbürgermeister, Pastor, Lehrer und weitere Honoratioren – alle kamen und hielten eine Rede. Presse und Rundfunk waren vor Ort und berichteten.
Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zeichnete den Jungen ebenfalls aus. Er erhielt für die unter Einsatz des eigenen Lebens erfolgreich durchgeführte Rettung aus Wassergefahr die „Silberne Plakette“, mit einer Urkunde, unterzeichnet vom Präsidenten Dr. Vollmer.
Erst anlässlich seiner Ehrungen als Lebensretter des 4-jährigen Dieter Stollenwerk wurde öffentlich, dass er bereits ein halbes Jahr früher – im Sommer 1951 – einen Jungen aus dem Wasser gerettet hatte. Beim Baden in der Kyll, damals ein übliches Sommervergnügen der Dorfjugend, war der 8-jährige Alwin Hammel in Lebensgefahr geraten. Peter sah diesen plötzlich wegsacken und nicht wieder auftauchen. Ein Tauchsprung – und schon hatte er den Jungen gepackt und brachte ihn an sicheres Land.
Die Mürlenbacher waren ebenso stolz auf ihren jungen zweifachen „Helfer in der Not“ wie auf ihre Bertradaburg, wo nach jahrhundertealter Überlieferung Karl der Große geboren wurde. Peter Jakobs war wahrscheinlich der jüngste doppelte Lebensretter Deutschlands! Er verstarb im Jahre 1985 im Alter von 48 Jahren.
von Ernst Becker, Mürlenbach
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