Kinderkriegen kann in der Vulkaneifel zum Problem werden

EAZ-Kommentar

In 2017 haben 430 Babys im Dauner Krankenhaus „Maria Hilf“ das Licht der Welt erblickt. Auf den ersten Blick schien das eine sehr erfreuliche Nachricht zu sein. Aber der Schein trügt schon damals. Viel mehr Geburten im gleichen Einzugsgebiet wird es in Daun nie geben. In der ländlich geprägten Eifelregion gibt es nur noch ein einziges Krankenhaus mit Geburts-hilfe. Rings um die Klinik in Daun haben sich im Laufe der letzten Jahre die Geburtshilfestationen in den Krankenhäusern von Gerolstein, Adenau, Prüm, Bernkastel-Kues, Traben-Trarbach und Zell wegen des immer größer werdenden Kostendrucks von ihren Geburtshilfestationen verabschiedet.

Fehlende Nachfolgerregelung

Ende 2018 schließt nun auch das letzte Krankenhaus zwischen Mayen und Wittlich in Daun die Geburtenstation. Am Geld liegt es nicht und Hebammen sind auch genügend vor Ort. Es fehlt an Fachärzten, die bereit sind, auch mal nachts aufzustehen. 17 Hebammen aus der Region im Alter zwischen 24 und 58 Jahren stehen jetzt vor dem Aus. Sie sind es, die die werdenden Mütter während ihrer Schwangerschaft begleiten.

Das fatale an der Sache: Es gibt offensichtlich keine jüngeren Gynäkologen, die bereit sind in die Vulkaneifel zu ziehen, und im Dauner Krankenhaus als Belegarzt für Geburtshilfe tätig zu werden. Mindestens zwei, besser drei bis vier Gynäkologinnen oder Gynäkologen und eine Kinderärztin oder ein Kinderarzt wären notwendig, um die Geburtshilfe in Daun aufrecht erhalten zu können, denn Hebammen dürfen keine Geburt alleine begleiten. Diese fehlenden Voraussetzungen haben zum AUS der Dauner Geburtshilfe beigetragen.

Bei Anfahrtswegen von 50 Kilometer und mehr wird es werdenden Müttern künftig große Sorgen bereiten, es rechtzeitig zur Klinik zu schaffen. Das ist übrigens kein Phänomen, das nur die Eifel betrifft. Das Problem ist überall in Deutschland. Seit 1991 wurden in ganz Deutschland ca. 45 Prozent aller Kreißsäle für immer geschlossen, obwohl im gleichen Zeitraum die Geburtenrate lediglich um knapp 12 Prozent gesunken ist. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Frau mit starken Wehen an einer Krankenhauspforte ohne Geburtshilfestation abgewiesen wird. Die leitende Hebamme Christiane Rübenach aus Alflen weiß von komplizierten Geburten, wo Frauen nach Neuwied, Homburg, Saarbrücken oder noch weiter weg verlegt werden mussten, weil näher liegende Krankenhäuser keinen Platz hatten. Die Situation wird ab Januar 2019 noch dramatischer, wenn die mehr als 400 Geburten des Dauner Krankenhauses auf umliegende Geburtshilfestationen verteilt werden müssen.

Festpreis pro Geburt

Das Problem sind aber auch die permanent steigenden Kosten in unserem Gesundheitswesen. Schlussendlich diktieren die Krankenkassen den Preis, den eine Geburt maximal kosten darf. Rein aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Krankenkassen arbeitet ein Krankenhaus erst kostendeckend, wenn es jährlich mindestens 800 Geburten abrechnen kann. Das jedenfalls haben die Krankenkassen so festgelegt. Daraus errechnet sich dann der Preis, den eine Geburt kosten darf. Keinen Cent mehr dürfen Krankenhäuser für eine Geburt den Krankenkassen in Rechnung stellen. Ganz egal, wie viele Geburten tatsächlich abgerechnet werden können. Die Qualität spielt scheinbar nur noch eine untergeordnete Rolle.

Nur die Fallzahl zählt

Die Zahl der Geburten im Dauner Krankenhaus hat sich in den letzten Jahren stabil auf weit über 400 Geburten eingependelt. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass die Krankenkassen dem Dauner Krankenhaus jede Geburt mit dem gleichen Gebührensatz pro Geburt honorieren, wie eine Klinik, die 800 oder mehr Geburten aufzuweisen hat. Fakt ist, die Kostenrechner der Krankenkassen entscheiden über die Zukunft der Geburtshilfestationen in den Krankenhäusern. Für diese Herrschaften mit dem spitzen Bleistift sind Geburten lediglich sogenannte „Fälle“. Mehr Erlöse erfordern also höhere Fallzahlen. Wenn man die notwenige Fallzahl nicht erreichen kann, müssen entweder die Mehrkosten vom Krankenhaus geschluckt werden, oder die Geburtshilfestation muss zugemacht werden, um Kosten einzusparen – Basta! So einfach ist das aus Sicht der Krankenkassen. Der Dauner Krankenhausträger hat diese Mehrkosten seit mehr als
20 Jahren selbst getragen. Aufgrund des fehlenden Fachpersonals war Daun jetzt gezwungen die Geburtenhilfe aufzugeben.

Moral und Qualität vor Wirtschaftlichkeit

Während in Rheinland-Pfalz 52 Prozent aller Krankenhäuser rote Zahlen schreiben, werden in Daun in der Summe noch schwarze Zahlen geschrieben. Die Mehrkosten der Geburtenhilfestation trug in der Vergangenheit das Krankenhaus immer selbst. Damit wird deutlich, dass in Daun der moralische Aspekt schon immer einen mindesthohen Stellenwert hat, wie der wirtschaftliche. Das hat sich besonders in der Qualität der Betreuung schwangerer Frauen ausgezahlt. Von den Krankenkassen gab es bisher keinerlei Unterstützung. Zudem verändern die Krankenkassen ständig die Rahmenbedingungen. Auch wird der aufgebürdete Verwaltungsaufwand für die Kliniken immer größer.

Die Möglichkeit über den sogenannten Sicherstellungszuschlag das Problem zu lösen, scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Mit diesem Instrument können Krankenhäuser im ländlichen Raum, die für Notfälle wichtig sind, ergänzende finanzielle Mittel bekommen, um überleben zu können. Auch Geburtshilfestationen sollten aus Sichtweise der Politik auf diese Weise unterstützt werden. Kurios in diesem Zusammenhang: die Krankenkassen lehnen dies kategorisch ab, obwohl es sich um eine bundesweite Regelungen handelt, wonach Krankenhäuser und Krankenkassen diesen Sicherstellungszuschläge vereinbaren sollen.

Genau da beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Weil die Kostenübernahme seitens der Krankenkassen nicht geklärt ist, wird es für ein betroffenes Krankenhaus wie Daun unmöglich sein, mindestens zwei gynäkologische und einen pädiatrischen Belegarzt zu finden.

Fazit:

Wie schizophren! Auf der einen Seite wird von der Politik der Geburtenrückgang beklagt (Demografischer Wandel), auf der anderen Seite sorgt die Politik noch nicht einmal für die notwenigen Rahmenbedingungen vor der Geburt. Kein Wunder, wenn immer mehr Krankenhäuser ihre Geburtshilfen schließen.

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