Glosse: Bürger sei fleißig und säe, aber lass andere in den Genuss deiner Ernte kommen

Herr Graumaus ist ein Zeitgenosse, genauer gesagt ein Geldmensch, dessen Werdegang eine spezielle Würdigung verdient. Um es nicht zu lang zu machen, soll zu seiner Vergangenheit nur so viel gesagt werden, dass er am liebsten unauffällig blieb, um keinen persönlichen Ärger zu riskieren. So gesehen, blieb Herr Graumaus lange Zeit eine graue Maus und machte damit seinem Namen Ehre.

Vielleicht war das sein Erfolgsrezept, weshalb er es schaffte, eines Tages in den Vorstand einer Bank (im Kanton Rheinland-Pfalz, genauer gesagt in der bezaubernden Mittelgebirgslandschaft Eifel) berufen zu werden. Um aus dem Blickwinkel einer Maus zu sprechen, standen ihm damit nicht nur die Türen zu ärmlichen Vorratskammern offen, sondern vor allem zu wohlgefüllten Speichern. Es ist nur zu verständlich, dass unter solchen Voraussetzungen auch eine Maus Speck ansetzt und ihr Appetit nicht nachlässt.

Nun fallen bekanntlich Ernten nicht immer üppig und erwartungsgemäß aus. Es gibt vielmehr auch ausgesprochene Missernten und Perioden des Mangels und des Darbens. Diese Erfahrung musste auch Herr Graumaus machen. Aber was sollte er dagegen tun? Er war halt nur eine dicke fette Maus. Als solche hatte er keine Gewalt, sondern lediglich eine Ahnung oder bestenfalls etwas Einblick. Letzteres bedeutete, dass er wusste, es gibt noch mehr Speicher, welche ihm bislang noch nicht offen standen. Zu diesen wollte er vordringen. Für eine Maus war dies sicherlich ein großer Vorsatz.

Dieser Vorsatz konnte sich nur mit einer List umsetzen lassen. Sie bestand darin, dass Herr Graumaus sich wieder unauffällig gab und – statt seiner – ihm ergebene Helfer oder Schergen vorschickte, welche das Gebahren eines tobenden Drachen annahmen. Dies kam für die Besitzer und Hüter der Speicher so überraschend, dass sie den Spuk über sich ergehen ließen, weil sie sich in diesem Augenblick hilflos einem Ungeheuer ausgeliefert sahen. So sitzt denn heute Herr Graumaus noch tiefer in fremden Speichern und kann sich kaum satt fressen, während Diejenigen, welche solche Vorräte unter großen Mühen und Entbehrungen für Notzeiten angelegt haben, entsetzt miterleben müssen, wie Dritte damit ungestraft aasen können.

Dass so keine gute Geschichte enden kann und darf, weiß bereits jedes Kind, das schon einmal einer Geschichte zugehört hat. Hier fehlt nämlich noch der gute Geist aus der Flasche, der in solch kritischen Situationen Gestalt annimmt und schändlichem Treiben Einhalt gebietet. Die Geschichte von einer wohlgenährten Maus, welche den Drachen spielt, um anderen noch mehr abspenstig machen zu können, darf nicht zur Nachahmung anregen, sie muss einfach abschrecken. Da es eine solche Geschichte tatsächlich gibt und sie auch noch nicht abgeschlossen ist, mag jeder für sich einen befriedigenden Schluss suchen:

a) die Entwicklung so weiter laufen lassen, was mit anderen Worten hieße: Bürger sei fleißig und säe, aber lass andere in den Genuss deiner Ernte kommen;

b) der Maus eine Falle stellen oder etwas anders ausgedrückt: Denk daran, dass die meisten Tiere gesellig leben, und gib der Maus einen Spielgefährten, möglichst einen hungrigen Kater;

c) dem Drachen huldigen und ihm einen eigenen Festtag widmen oder etwas präzisier formuliert: Wollt ihr jetzt schon die „Bank of China“, als deren heimlicher Wegbereiter allem Anschein nach Herr Graumaus tätig ist?

Wie dem Verfasser nämlich zugespielt wurde, soll an entsprechenden Übernahmeplänen ein gewisser Mister Lü (voller Name: Lü Ge) arbeiten. Lü Ge bedeutet in der Sprache des Mandarin soviel wie „Graumaus“. Diese Erkenntnis sollte den letzten Vulkaneifler aus seinem Tiefschlaf reißen und aus ihm einen feuerspeienden Vulkan machen; denn nur so lassen sich Drachen beeindrucken und letztlich verjagen.

Felix van Dorp
Uscherberg 11
54552 Schalkenmehren

Anmerkung des Verfassers:

Die Geschichte des Mister Lü Ge ist leider allzu ernst, als dass sie nur mit einem Schmunzeln quittiert werden sollte. Es ist nämlich die Geschichte eines Seitenwechsels oder Verrates. Es ist die Geschichte von der Zerstörung alter Allianzen, bei der diejenigen, welche überhaupt erst die Grundlagen für solche Allianzen geschaffen und damit den Beteiligten Gewinnchancen eröffnet haben, auf der Strecke bleiben. Grund und Boden, Immobilien schlechthin, galten jahrhunderte lang als krisensichere Kapitalanlage, wurden hoch bewertet und entsprechend beliehen. Daran haben Kreditinstitute trefflich verdient.

Dass sie in ihrer Geldgier nicht immer die nötige Vorsicht haben walten lassen, ist auch bekannt. Dass in Zeiten einer Rezession auch Immobilienbesitzern ein schärferer Wind um die Nase weht und sie mit Kürzungen klar kommen müssen, scheint manche Kreditinstitute heutzutage nur wenig oder auch gar nicht zu kümmern. Herr Graumaus ist ein typisches Beispiel dafür.

Vergessen sind offenbar die Jahre oder Jahrzehnte, in denen man trefflich an Krediten verdient hat und sich Fettpolster anlegen konnte. Auf einmal sind ehemals große Vermögen nichts weiter als Risikoträger. Ihr Wert wird in Frage gestellt, und rigoros werden weitere Sicherheiten gefordert. Damit wird nicht etwa einer kritischen Entwicklung entgegengewirkt, sondern eine neue Problemlage verschärft, manchmal auch erst geschaffen. So etwas ist verantwortungslos und perfide. Es wird bedenkenlos eine Abwärtsspirale betätigt, bei der sich Profiteure ahnungslos und nicht selten als Opfer geben, in Wirklichkeit aber abgebrühte Täter sind, welche sich für nichts verantwortlich fühlen, sondern nur noch nach mehr Masse gieren.
Hier stehlen sich frühere Biedermänner aus ihrer Rolle als verantwortliche Vertragspartner, welche dazu aufgerufen sind, sich solidarisch zu zeigen, auch in Krisenzeiten nach Lösungen zu suchen und diese mitzutragen. Früher wollten sie unbedingt als Partner öffentlich zur Kenntnis genommen und belobigt werden. Heute geben sie sich als Fremde und machen sich heimlich zu Feinden ihrer Partner. Damit entziehen sie sich selbst jegliche Legitimation. Nicht Deutschland schafft sich ab, hier schaffen sich die kommunalen Kreditinstitute ab. Sie sind nur noch Steigbügelhalter für anonyme Großbanken, denen sie über kurz oder lang weichen müssen.

Sie verpassen völlig ihre Chance, basierend auf früheren Erfolgen, neue Allianzen für die Zukunft mit bodenständigen Partnern zu schließen. Statt dessen machen sie ihrer alten Klientel klar, dass diese erfolglos gewirtschaftet hat, nichts kann und nichts von Wert besitzt, rufen auswärtige Glücksritter auf den Plan und machen das Land übernahmereif für fremde Mächte. Sind es heute Holländer oder Belgier, welche für eine kurze Interimszeit als neue Landbesitzer auftreten, so werden es in spätestens 10-15 Jahren Asiaten sein, wobei sich nur noch in verblichenen Schriftzügen mitteilen wird, dass es einmal eine Kreissparkasse Daun oder Vulkaneifel gegeben hat. Dieses dürfte so sicher sein, wie das Amen in der Kirche, und genau an diesem Ergebnis arbeiten bereits einige Schwachköpfe mit Feuereifer.

Es hat ganze Nationen gegeben, welche bereits volkswirtschaftlich pleite waren. Vor diesem Schicksal haben den Einzelnen nur die zahllosen kleinen Netzwerke bewahren können, welche es in jedem Land oder in jeder Nation gibt, nämlich zwischen all denjenigen, die in alltäglichen Dingen miteinander verbunden und aufeinander angewiesen sind. Diese unzähligen namenlosen aber wirksamen
Netzwerke haben alle drohenden Katastrophen abgefedert und bewältigbar gemacht. Auch ein kommunales Kreditinstitut zählt von Hause aus zu solchen Netzwerken. Wenn es sich aber daraus lösen und davonstehlen will, dann ist es nicht mehr wert, als Partner ernst genommen und berücksichtigt zu werden.

Wenn ich mich nicht sehr täusche, dann gibt es in Rheinland-Pfalz kaum einen Landkreis, in dem die Immobilienpreise so stark, ja drastisch in den letzten fünf Jahren gefallen sind, wie im Landkreis Vulkaneifel. Vielleicht zählt noch der Cochemer Raum mit dazu. Solches dürfte nicht zuletzt das Ergebnis der katastrophalen Einschätzungen der Kreditinstitute sein. Diese sind die wahren Vermögensvernichter, weil sie kein Verantwortungsbewusstsein mehr zeigen, sondern nur noch Gier nach mehr Masse, welche sich nur mit einer Abwertung der Objekte befriedigen lässt. Dies ist ein Trend, dem die Politik, die regionale Wirtschaft, aber auch die Rechtsprechung energisch entgegenwirken sollten, sonst gibt es bald eine schmerzhafte volkswirtschaftliche Quittung für dieses offensichtliche Fehlverhalten.

Die Eifel war einmal eine arme Grenzregion und kaum bekannt. Der Fleiß und die Findigkeit ihrer Bewohner haben sie im letzten Jahrzehnt aufblühen lassen, so dass heute ein boomender Tourismus anzutreffen ist. Eine solche Entwicklung findet auf der ganzen Welt ihren Niederschlag darin, dass die Preise für Immobilien nicht nur stabil bleiben, sondern in aller Regel anziehen. Dass vor allem in der Vulkaneifel das Gegenteil zu beobachten ist, macht nicht nur stutzig, sondern zeigt, wie folgenschwer das hier gebrandmarkte Fehlverhalten tatsächlich ist. Hier müssen schnellstens die Verantwortlichen und Mitverantwortlichen in die Pflicht genommen werden. (FvD)
 

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