Allianz gegen Grau

Daun. (ak) Viele Bürger und Unternehmer hatten sich in den letzten drei Wochen für den Verbleib von Dieter Grau in der Position des Direktors der Kreissparkasse (KSK) Vulkaneifel engagiert. Vergebens: Der Kreistag votierte gegen den Beschlussvorschlag des Landrats, dem KSK-Verwaltungsrat zu empfehlen, seine Entscheidung gegen eine Vertragsverlängerung zu überdenken.

Erneut eine nicht öffentliche Sitzung, deren Ergebnisse die Öffentlichkeit mit umso größerem Interesse verfolgt: Wie würde der eigens einberufene Kreistag über das Schicksal von Dieter Grau befinden? Würde er sich dafür aussprechen, dass der Verwaltungsrat seine heftig umstrittene Entscheidung revidieren möge, den Vertrag des als erfolgreich geltenden Sparkassenchefs nicht zu verlängern? Die Kreistagsmitglieder jedenfalls standen vor einer rechtlich unklaren Situation, da der Sparkassenverband nicht wie angekündigt eine hieb- und stichfeste juristische Einschätzung vorgelegt hatte. Die Klärung der komplexen und in den gesetzlichen Regelungen offenbar widersprüchlich gelösten Frage, ob der Kreistag oder ausschließlich der Verwaltungsrat über eine Vertragsverlängerung befinden darf, brauchte wohl mehr als die zur Verfügung stehenden zwei Wochen Zeit. 

CDU und BUV: Kreistag ist nicht zuständig

Das Ergebnis der denkwürdigen Kreistags-Sondersitzung in der äußerst sensiblen Personalie liegt jedoch vor: Der Beschlussvorschlag von Onnertz wurde abgelehnt. Der sah vor, dass der Kreistag den KSK-Verwaltungsrat auffordert, sich erneut mit der Vertragsverlängerung zu befassen. Nicht abgestimmt jedoch wurde nach allem, was aus der nicht öffentlichen Sitzung nach außen drang, über eine Vertrauensfrage für Grau oder darüber, dass der Kreistag dem Verwaltungsrat eine Vertragsverlängerung „aufoktroyieren“ sollte – was rechtlich fragwürdig gewesen wäre. Nicht dementiert wurden bislang Medienberichte, nach denen die Ablehnung mit einer hauchdünnen Mehrheit von 19 zu 18 Stimmen und ohne Enthaltungen erfolgte.

Es scheint, als habe es ungewöhnliche Allianzen gegeben. Dass die CDU, der als wesentliches Motiv Rachegelüste für die vor fast vier Jahren gescheiterte Fusion mit der Kreissparkasse Bitburg-Prüm nachgesagt werden, gegen Grau stimmte, steht als Mutmaßung im Raum… ganz gleich, ob diese Motivation der Realität entspricht oder nicht. CDU-Fraktionsvorsitzender Herbert Schneiders jedenfalls wertet die jetzige Kreistagsabstimmung klar als „Bestätigung der Entscheidung des Verwaltungsrats“. Die Mehrheit habe dem Sparkassengesetz Rechnung getragen und die ausschließliche Zuständigkeit des Verwaltungsrates in der Vertragsangelegenheit des Vorstandes anerkannt, argumentiert er. Demzufolge weist er das von mehreren Seiten geäußerte Befremden über die Art und Weise des Vorgehens zurück: „Bei allem Verständnis für die Neugier des ein oder anderen Kreistagsmitgliedes und der Öffentlichkeit muss die Kritik im Hinblick auf die Transparenz ins Leere gehen.“

Peter Lepper, Vorsitzender der BürgerUnion Vulkaneifel (BUV) e. V., äußert sich ebenfalls nicht über den Verlauf der Sitzung. Auf Anfrage der Eifel-Zeitung sagte Lepper: „Die BUV BürgerUnion hält sich aus Personalangelegenheiten heraus. Unabhängig davon hat die BürgerUnion die rechtliche Situation geprüft und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass der Verwaltungsrat der Kreissparkasse befugt war, einen entsprechenden Entschluss zu fassen. Der Kreistag ist dagegen nicht zuständig.“ Die BUV verweist auf die Paragrafen 8, 12 und 13 des Sparkassengesetzes und bezieht somit Stellung zu jener Problematik, deren offizielle Klärung seitens des Sparkassenverbandes und/oder der Sparkassenaufsicht bis zur Sitzung nicht vorlag. „Ob es einem passt oder nicht, muss der Verwaltungsrats-Beschluss akzeptiert werden. In einer Demokratie kann man nicht so lange abstimmen lassen, bis einem das Ergebnis gefällt.“

Rechtslage unklar?

Nicht für alle Abgeordneten stellt sich indes die Rechtslage als gesichert dar, wer auf welcher Basis für welche Entscheidung überhaupt zuständig ist. „Für mich ist das bislang unklar, ich habe keine Kenntnis von einer juristisch fundierten Stellungnahme des Sparkassenverbandes“, sagt Alfred Lorenz, Fraktionsvorsitzender der Freien Wählergemeinschaft (FWG). Er betont, er werde die nun gefällten Entscheidungen als Demokrat akzeptieren. Aber er appelliert an den Verwaltungsrat der KSK, der nun verantwortlich sei, seine Entscheidung zu überdenken. „Ob er das tut oder nicht, liegt bei ihm. Wichtig ist: Wir müssen als Bürger jede Chance nutzen, um Schaden von der Kasse und dem Kreis abzuwenden und deren Selbstständigkeit zu bewahren. Ich bin nicht sicher, dass alle Faktoren bei der Entscheidung, Graus Vertrag nicht zu verlängern, gebührend berücksichtigt wurden.“ Er nennt auch die finanziellen Mehrbelastungen, die sich aus einem Aus für Grau ergeben, als Beispiele für derart unbedachte Dinge.

Entscheidung ohne Sachdiskussion

Kreistagsmitglied Ulli Meyer von der Partei „Die Linke“ bekennt frank und frei: „Ich konnte Dieter Grau nicht das Vertrauen aussprechen. Denn bislang gibt es gar keine sachliche Aufarbeitung der Dinge, die für oder gegen den Sparkassendirektor sprechen. Es war eine höchst emotionale Diskussion, aber auf dieser Basis kann ich kein fachlich fundiertes Votum abgeben.“ Meyer sagt zwar, die Sparkasse stehe und falle mit Grau, aber: „Offenbar gibt es Führungsprobleme. Es haben die Antennen für die Verhältnisse gefehlt; anders kann ich es mir nicht erklären, warum Mitarbeiter der Kasse im Verwaltungsrat gegen ihren eigenen Chef gestimmt haben.“ Er selbst war von 1994 bis 1999 Mitglied des Verwaltungsrats.

In der Kritik an fehlender sachlicher Auseinandersetzung ist er sich zumindest einig mit Wolfgang Jenssen, Fraktionsvorsitzender der SPD, der über das Abstimmungsverhalten Einzelner nichts sagen will, aber schreibt: „Bis heute wurden von den CDU-Mitglieder im Kreistag keine Gründe genannt, warum sie gegen eine Vertragsverlängerung von Dieter Grau gestimmt haben. Wir von der SPD haben unmissverständlich erklärt, warum wir für eine Vertragsverlängerung des erfolgreichen Vorstands sind. Die Gegner hingegen verweigern jegliche Aussage und verstecken sich hinter der geheimen Abstimmung. Diese Verhalten ist unehrlich und nicht gradlinig.“ Eine offene Diskussion über die Hintergründe und die „erheblichen Schäden für die Kreissparkasse und den Landkreis“ solle verhindert werden. Dagegen werde sich die SPD stemmen, indem deren KSK-Verwaltungsratsmitglieder beantragen, die Personalangelegenheit in der nächsten Verwaltungsratssitzung erneut zu beraten und namentlich abzustimmen.

Als „sehr bedauerlich“ bezeichnet Alfred Cornesse, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, das Resultat der Kreistagssondersitzung. „Bis heute wurden uns keine handfesten Gründe dafür kommuniziert, warum der Vertrag von Dieter Grau nicht verlängert werden soll. So kann man nur aus dem Bauchgefühl heraus entscheiden“, bemängelt er die Rolle der gewählten Vertreter der Bevölkerung des Landkreises bei diesem Verfahren.

Der Kampf fängt jetzt erst an

Ähnlich äußert sich Karl-Wilhelm Koch von „Bündnis 90/Grüne“ im Kreistag: „Ich werte das Ergebnis als Teil zwei des Versuchs einer Sparkassenfusion, diesmal durch die Hintertür. Bis heute ist nämlich unerklärt und ansonsten unerklärlich, warum Dieter Grau nach fast 20 Jahren gehen soll. Der Anstand gebietet, endlich die Gründe auf den Tisch zu legen!“ Er erwarte dies von den Befürwortern der Verwaltungsratsentscheidung und werde weiter darauf pochen. „Ich bin sicher: Die Auseinandersetzung fängt gerade erst an, sie ist beileibe nicht zu Ende!“
Der parteilose Landrat Heinz Onnertz äußert sich enttäuscht und besorgt angesichts der Kreistagsentscheidung kontra Grau: „Ich bedauere das alles sehr. Denn nicht nur ist es ein deutschlandweit einzigartiger Vorgang, einen erfolgreichen Sparkassenchef ohne Diskussion aus dem Amt zu lassen. Fakt ist darüber hinaus auch, dass nun rund eine Million Euro in die Bilanz eingestellt werden muss, um die Pensionsansprüche von Dieter Grau zu erfüllen, für die es dann aber keine Gegenleistung gibt. Dadurch wird das Kapital der Kreissparkasse maßgeblich geschmälert – ausgerechnet zu einer Zeit, in der auch noch der Neubau der Hauptgeschäftsstelle ansteht. Das wird eng.“

… und was macht Dieter Grau?

Dieter Grau, um den es geht, erweist sich angesichts der Turbulenzen noch immer als nervenstark. „Ich werde meinen Vertrag, der bis zum 31. Dezember 2012 läuft, bis zuletzt in allen Positionen erfüllen, daran gibt es kein Vertun“, stellt er klar. „Bis dahin kann sich noch immer etwas ändern. Ich bleibe am Ball.“ Wer ihm den begründeten Verdacht auf Verfehlungen während seiner Amtszeit entgegenbringe, erhalte jederzeit Rede und Antwort: „Meine Tür steht offen, ich bin bereit zu jedem Gespräch, das dazu erwünscht wird.“ Eine solche Transparenz allerdings sei ihm selbst im Vorfeld der fraglichen Verwaltungsratssitzung nicht widerfahren. Vier Tage zuvor habe er mit dem CDU-Mann Herbert Schneiders gesprochen und zwei Tage zuvor mit den Mitarbeitervertretern im Verwaltungsrat, um die Sitzung vorzubereiten. „Von niemandem kam da ein Signal in Bezug auf das, was dann beschlossen wurde. Dabei haben wir bei den Vorbereitungen auch über das Vertragsthema gesprochen.“ 
So oder so: Das Thema bleibt spannend. Zu Redaktionsschluss war die zuständige Sparkassenaufsicht beim rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium noch in vermutlich weihnachtlicher und daher friedlicher Ferienstimmung, mithin nicht erreichbar. Der Sparkassenverband verlautbart derweil nur, dass es Gespräche zwischen ihm und der Sparkassenaufsicht über die Sache gegeben habe. Der „Ball“ liege nach dem Kreistagsentscheid nun zwischen Verwaltungsrat und Sparkassenaufsicht, sagt Christiane Becker, Pressesprecherin des rheinland-pfälzischen Sparkassenverbandes. 

Kommentar der Redaktion

„Die Öffentlichkeit ist brennend daran interessiert, was aus der ‚Personalangelegenheit’ Dieter Grau wird. Doch Personalangelegenheiten werden in nicht öffentlichen Sitzungen verhandelt. Eigentlich, um den Menschen zu schützen, der da zur ‚Angelegenheit’ mutiert – nicht um die Motive derjenigen zu schützen, die im Auftrag der Allgemeinheit über sein Wohl und Wehe entscheiden. Faktisch wird daraus nun eine unselige Dramaturgie: Jeder fragt die Kreistagsabgeordneten, wie das für viele bestürzende Ergebnis zu Stande kam. Und keiner der Volksvertreter darf dem fragenden Volk gegenüber Farbe bekennen. Während jener Mensch, der in personam die ‚Angelegenheit’ ist, am liebsten größtmögliche Transparenz hätte. Es ist höchste Zeit, ein Possenspiel zu beenden, das nur noch wie vergebliche Geheimniskrämerei wirkt… schließlich ist die Eifel bekanntermaßen zu dünn bevölkert, um Dinge unter der Decke halten zu können. Hier kennt jeder jeden und jeder redet mit jedem. Selbst mit Maulkorb wird die Artikulation nicht undeutlich. Im Gegenteil, je mehr man zu verschweigen sucht, desto lauter wird das Gerede. Das gilt auch für angebliche oder tatsächliche ‚Leichen im Keller’, die einige der Beteiligten nun anderen unterstellen und mit mehr oder weniger diskretem Charme an die Presse zu lancieren versuchen. Es wäre gut für die Vulkaneifel, wenn man zu fairem Disput mit offenem Visier übergehen würde. Denn ‚Leichengeruch’ führt zu einer Friedhofsruhe, die keiner wünschen kann.“

Angelika Koch
(a.koch@eifelzeitung.de)

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen