Neuer Skandal um den Flughafen Hahn

Lautzenhausen/Mainz. Die Bruchlandung im Juni 2016 beim geplatzten Flughafen Hahn Verkauf an chinesische Hochstapler und Betrüger, hat inzwischen europaweit für Aufsehen gesorgt. Für die Landesregierung unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und ihren, für das Desaster verantwortlichen Innenminister Roger Lewentz (SPD), war der dilettantische Flughafen-Verkaufsversuch eine der größten politischen Blamagen, die Rheinland-Pfalz je erlebt hat. hahn_35_16Jetzt muss der Flughafen „Frankfurt-Hahn“ ganz aktuell um sein  Überleben kämpfen.

Spätestens Ende dieser Woche muss Frau Dreyer neue, ernsthafte Angebote von möglichen Käufern vorlegen, die auch bezahlen können, ansonsten droht dem Flughafen Hahn, ähnlich wie dem Nürburgring, spätestens im September 2016 die Pleite.

Dreyer und Lewentz täuschen die Öffentlichkeit

Unter dem Vorwand, es gäbe neue Informationen über den Flughafen-Verkauf, hatte Innenminister Lewentz am 22.07.2016 um die Mittagszeit für den Nachmittag sehr kurzfristig einige ausgesuchte Journalisten zusammengetrommelt. Damals ging es Lewentz (SPD) um die Beraterfirma KPMG. Sie wollte in der Diskussion um den Flughafen-Verkauf am Hahn von der Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden. Lewentz hatte diese Bitte mit dem Hinweis auf das neu angelaufene Bieterverfahren abgewiesen.

Inzwischen stellte sich heraus, dass Lewentz ganz andere Hintergründe für diesen „KPMG-Maulkorb“ hatte. Einem Medienbericht der Allgemeinen Zeitung Mainz zufolge, soll es ein KPMG-Schreiben, unterzeichnet von den Vorständen geben, das wie es in dem Artikel wörtlich heißt „vernichtend für die Landesregierung“ sei. Dieses Schreiben liegt der Zeitung vor.

In dem Schreiben wird die Position von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Falle des gescheiterten Flughafen-Verkauf an die chinesische Firma SYT (Shanghai Yiqian Trading) ganz anders dargestellt, als bisher bekannt war. Malu Dreyer soll es demnach gewesen sein, die den Verkauf mit allen Mittel so schnell wie möglich haben wollte. Dass am Hahn bereits im September die Pleite droht, war Frau Dreyer genauso bekannt wie ihrem Innenminister Lewentz. Wie es in dem Bericht weiter heißt, hätte laut KPMG bis Ende Juni 2016 weder das Innenministerium, noch die Staatskanzlei den Inhalt der vorliegenden drei Angebote zur Kenntnis genommen. Seit
19. Mai 2016 soll bekannt gewesen sein, dass die Chinesenfirma inzwischen andere Gesellschafterstrukturen habe und von Seiten KPMG empfohlen worden sei, die Verhandlungen auszusetzen. Diese neue Situation war auch Lewentz’s Staatssekretär Randolf Stich (SPD) vom Innenministerium bekannt. Dreyer soll trotzdem weiter Druck gemacht haben. Die Verhandlungen sind also weitergelaufen, obwohl man nichts über die neuen Gesellschafter wusste und vor allen Dingen, ob der Kaufpreis überhaupt bezahlt werden kann.

Auf Anweisung der Staatskanzlei hatte das Innenministerium sogar schon einen notariellen Beurkundungstermin auf den
31. Mai festgelegt, wohlwissend dass noch kein Rechtsgutachten, kein Integritätsbericht und kein Liquiditätsnachweis vorliegt. Bewusst wurde sogar auf eine Bankbürgschaft verzichtet, die den Kaufpreis abgesichert hätte.      

Am 29. Juni musste das SPD-Gespann Dreyer/Lewentz dann die Notbremse ziehen.Ein Reifenhändler, ein Bauunternehmer, gefälschter Bankbeleg – die vermeintlichen Hahn-Käufer entpuppten sich als Hochstapler. Warum laut Malu Dreyer die Chinesen Anfang Juni noch als seriös beschrieben worden sind, ist nicht zu verstehen. Dreyer hatte sich jedenfalls mehrmals öffentlich dahingehend geäußert. Nach dem Motto „Augen zu und durch“ hatte Lewentz den Parlamentariern in Mainz am 23. Juni den Entwurf für ein neues Hahn-Verkaufsgesetz erstmals präsentiert. Über die neue Gesellschafterstruktur und die Tatsache, dass die Chinesen seit einigen Tagen eine Zahlungsfrist nicht eingehalten haben, schwieg das SPD-Gespann Dreyer/Lewentz. Am 29. Juni hatte Lewentz dann die Notbremse gezogen.

In dem Medienbericht heißt es weiter, dass KPMG in diesem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sämtliche Entscheidungen ausschließlich von der Landesregierung getroffen worden sind. Dabei ging es um die Frage, an wen zu welchem Preis und ob es sich um einen geeigneten Käufer handelt. Bisher wurde in Regierungskreisen immer die Beraterfirma KPMG so dargestellt, als seien sie es, die zeitlichen Druck auf die Landesregierung machen.

Airlines abgezockt?

Einem Medienbericht der BamS zufolge sorgte ein weiterer neuer Vorwurf für reichlich Wirbel. Der Bild am Sonntag liegt eine – wie es heißt – interne Vorlage an den Aufsichtsrat des Flughafens vor, deren Inhalt daraufhin hindeuten soll, dass am Hahn der wichtigste Kunde Ryanair und andere Airlines mit überteuerten Kerosinpreisen regelrecht abgezockt worden sind. Wie die BamS schreibt, soll am Hahn jahrelang Hand in Hand gearbeitet worden sein. Ja, der Kerosinverkauf ist ein lukratives Geschäft. Da verdienen alle beteiligten Firmen mit – die Transporteure des Flugzeugsprits zum Flughafen, die Betreiber des Tanklagers und beim Betanken der Flugzeuge auf dem Rollfeld. Das Ganze ging scheinbar solange gut, bis der Ölkonzern Total in das Kerosingeschäft am Hahn einsteigen wollte, aber vom Flughafen blockiert wurde. Daraufhin soll dann Total geklagt und sich den Zugang gerichtlich erzwungen haben. Ganz plötzlich seinen dann die Spritreise um mehr als 26 Prozent gesunken, laut dem internen Vermerk. Zwischen 2005 und 2007 könnte den Fluggesellschaften ein Gesamtschaden von bis zu 5,5 Millionen Euro entstanden sein.

Kerosin-Affäre vertuscht?

Die großen Kerosinpreisschwankungen soll der damalige Flughafen-Geschäftsführer Heinz Rethage aufgedeckt haben. Bei seinem Aufsichtsratschef Salvatore Barbaro (SPD), der damals Staatssekretär im Innenministerium unter Roger Lewentz (SPD) war, sei Rethage aber abgeblitzt, laut BamS-Artikel. Heute ist Salvatore Barbaro Staatssekretär im Wissenschaftsministerium von Rheinland-Pfalz. Wie es weiter heißt, soll Rethage im kleinen Kreis Barbaro vorgeworfen haben, die Kerosin-Affäre zu vertuschen.

Zukunftskonzept in der Schublade

Mit dem heutigen Wirtschaftsminister und Vorsitzenden der FDP Rheinland-Pfalz, Dr. Volker Wissing, hatte Heinz Rethage (SPD) Anfang 2015 ein Zukunftskonzept für den Flughafen Hahn vorgestellt. Beide hatten es damals für möglich gehalten, die Probleme vor Ort zu lösen und damit die Arbeitsplätze und den Betrieb am Hahn langfristig zu sichern. „Der Flughafen Hahn muss dringend entpolitisiert und professionalisiert werden“, so Rethage damals. Die unprofessionellen Strukturen am und um den Flughafen Hahn seien eines der größten Zukunftsrisiken für den Standort. Wissing sagte damals: „Wir wollen den rheinland-pfälzischen Dreiklang durchbrechen, der da heißt ‚Politisch organisiert – subventioniert – ruiniert‘.“ Der Hahn könne fliegen, wenn man ihn lasse. SPD-Mann Rethage musste Anfang Mai 2014 sofort gehen und seinen Geschäftsführerposten räumen. Dr. Wissing (FDP) ist heute Wirtschaftsminister und künftig auch für den Hahn zuständig. Wo ist sein Zukunftskonzept?

Mit der BamS wollte Rethage dieser Tage nicht reden. Und Barbaros Sprecher soll erklärt haben, dass Wirtschaftsprüfer keine Unregelmäßigkeiten festgestellt hätten. Allerdings würde Barbaro dieser Prüfbericht im Moment nicht vorliegen.

Warum hat das Land Ende Mai 2016, kurz vor dem gescheiterten Flughafen-Verkauf den Tanklager-Betrieb am Hahn übernommen?

Wäre dem Flughafen Hahn im wahrsten Sinne des Wortes bald der Sprit ausgegangen und somit ein regelmäßiger Flugbetrieb unmöglich geworden? Ende Mai wurde bekannt, dass der Flughafen Hahn die Tanklager-Organisation an seinem Standort restrukturiert hat. Der Flughafen Hahn, also das Land, hat eine Tochterfirma gegründet, die den Betrieb des Tanklagers übernimmt. Mit dem neuen Unternehmen „Jet Fuel Hahn“ sollten durch Synergien mit der Muttergesellschaft Kosten gespart und die Effizienz gesteigert werden, hieß es in der Presseerklärung Ende Mai 2016. Der Flughafen Hahn habe sich dafür entschieden, den Betrieb des Tanklagers in die eigenen Hände zu nehmen. Warum das so ist, wurde nicht gesagt. Die nun gegründete Tochtergesellschaft „Jet Fuel Hahn“ wird künftig für die Logistik des Kerosinlagers verantwortlich sein, hieß es weiter.

„Wir haben uns dafür entschieden, die Geschäfte von dem bisherigen Betreiber Shell/BP zu übernehmen“, wurde Roger Scheifele, neuer Geschäftsführer des neuen Unternehmens „Jet Fuel Hahn“ in der Pressmeldung zitiert. Der Abteilungsleiter Vertrieb am Flughafen Hahn hatte die Leitung der Tochterfirma im Nebenamt übernommen. Ob es sich um eine freie unternehmerische Entscheidung gehandelt hat, bestehen ernsthafte Zweifel. Die Fakten deuten eher darauf hin, dass sich die ehemaligen Betreiber Shell und BP bereits 2015 entschieden haben, das Tanklager am Hahn ab 2016 nicht weiter unterhalten zu wollen. Die öffentliche Ausschreibung datiert auf den 02.09.2015. Mit dieser Ausschreibung wurde ein neuer Betreiber gesucht, der das Tanklager ab dem 01.01.2016 übernehmen sollte. Offensichtlich war genau diese Ausschreibung erfolglos. Ein geeigneter Nachfolgebetreiber für Shell und BP hat sich nicht finden lassen. Damit der laufende Betrieb am Flughafen Hahn sichergestellt ist, musste das Land sozusagen gezwungenermaßen, eine eigene Betankungsgesellschaft gründen.

Auch an der Tatsächlichkeit der Aussage: „In unserer Funktion als Umschlagplatz für das Kerosin können wir mit der neu gegründeten Tochterfirma in Zusammenarbeit mit dem Flughafen Synergien nutzen und die Kosten langfristig senken“ von Scheifele sind Zweifel angebracht. Fakt ist, Airlines wie z. B. Ryanair haben in der Regel Verträge mit einem Ölunternehmen für verschiedene Standorte und können entsprechend günstig ihr Kerosin beziehen. Für Flughäfen sei es deshalb wichtig, mehrere Treibstoffunternehmen vor Ort zu haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es für Fluggesellschaften die künftig am Hahn mit ihren Maschinen tanken müssen, teurer und der Standort unattraktiver wird.

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Erst am 22.07.2016 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen frühere Verantwortliche des Flughafens Hahn und beteiligte Firmen ermittelt. Demnach wurden gegen einen ehemaligen Geschäftsführer, einen früheren Prokuristen der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH, eine ihm nahestehende Person und den Eigentümer einer Dienstleistungsgesellschaft Anklage erhoben. Der ehemalige Geschäftsführer sowie der frühere Prokurist sollen im April 2009 einen zwischen der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH sowie einem Dienstleistungsunternehmen bis zum 31.12.2011 bestehenden Passagierabfertigungsvertrag vorzeitig und unter Verletzung einer für den Verlängerungszeitraum bestehenden europaweiten Ausschreibungspflicht bis zum 31.12.2015 verlängert haben, um so einen Wettbewerb zu verhindern.

Im Gegenzug soll der angeklagte Eigentümer der Dienstleistungsgesellschaft den früheren Verantwortlichen der Gesellschaft finanzielle Zuwendungen versprochen und auch an sie und eine dem früheren Prokuristen nahestehende und ebenfalls angeklagte Person geleistet haben. Dem früheren Geschäftsführer sollen auf der Grundlage eines zur Verschleierung abgeschlossenen Beratervertrages 75.000 € zugeflossen sein. Der dem früheren Prokuristen nahestehenden Person sollen auf der Grundlage eines zum Schein abgeschlossenen Arbeitsvertrages 3.600 € sowie als Sonderzahlung 50.000 Euro zugeflossen sein. Außerdem sollen auf Veranlassung des angeklagten Eigentümers der Dienstleistungsgesellschaft eine dem ehemaligen Geschäftsführer nahestehende Person sowie eine dem ehemaligen Prokuristen nahestehende Person jeweils ein Kraftfahrzeug deutlich unter Marktwert veräußert worden sein. Die Gesamtsumme der Zuwendungen beläuft sich auf insgesamt 153.850 €.

Die Staatsanwaltschaft bewertet das Verhalten der früheren Verantwortlichen der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH als Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in Tateinheit mit Untreue, das Verhalten des angeklagten Eigentümers der Dienstleistungsgesellschaft als Bestechung im geschäftlichen Verkehr und das Verhalten der angeklagten, dem früheren Prokuristen nahestehenden Person als Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Alle Angeschuldigten bestreiten natürlich die Tatvorwürfe.

Bis zum heutigen Tag ist noch kein Prozesstermin bekannt. Es ist zu befürchten, dass uns das Thema Flughafen Hahn noch lange beschäftigen wird.

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