Alois Hotschnigs erstes Bild von Mainz ist eine Schaffnerin

Mainz (dpa/lrs) – Alois Hotschnigs («Der Silberfuchs meiner Mutter») erster Eindruck von Mainz ist «das Bild einer Schaffnerin». Auf der Zugfahrt von seinem Wohnort Innsbruck nach Mainz habe sie seine «Sucherei nach dem Ticket» hinter Kufstein mit der Frage überbrückt, wo es denn hingehe, berichtete der neue Stadtschreiber am Dienstag in Mainz. Seine Antwort habe sie mit dem Satz kommentiert: «Sie fahren in die schönste Stadt Deutschlands.» Und auf seine Frage, wer ihm das denn sage, habe sie geantwortet: «Ich bin ein Mainzer Mädchen.»

Der österreichische Schriftsteller, der mit seiner Frau die Stadtschreiberwohnung bereits bezogen hat, kündigte an: «Ich habe vor, mich einzulassen auf Begegnungen.» Von dem Literaturpreis habe er vorher – «obwohl die Liste so lang ist» – nichts gewusst, räumte der 38. Preisträger ein – «und wenn ich es gewusst hätte, wäre ich nie und nimmer auf die Idee gekommen, mich selber einmal vorzustellen an diesem Ort». «Umso größer ist die Freude, weil sie so unverhofft ist, und weil die Begegnungen im Vorfeld (…) so freundschaftlicher Art waren.»

Schon vor der Zuerkennung des Literaturpreises habe er aber anderswo Termine abgemacht, etwa in Innsbruck für die Produktion des Hörspiels seines 2021 erschienen Romans «Der «Silberfuchs meiner Mutter». «Deshalb bin ich jetzt hier und gleich wieder weg – wie «ein Gummiband», sagte Hotschnig. «Aber ich komme wirklich mit einem Wunschgummiband von dort zurück.»

«Ich sitze in den Anfängen eines Romans», berichtete der 63-Jährige, Einzelheiten nannte er aber noch nicht. «Ich komme nicht so fixiert her.» Er beschäftige sich zudem mit dem Film, der Teil des Literaturpreises ist. Gemeinsam mit dem ZDF wird der Autor eine Dokumentation nach freier Themenwahl produzieren. Er habe schon Ideen, es sei aber zu früh, diese zu nennen.

Er sei jemand, dem es schwerfalle, gleichzeitig an verschiedenen Projekten zu arbeiten. «Wenn sich eine Geschichte für mich einmal eingelassen hat, dann versuche ich auch so treu wie möglich zu sein beziehungsweise sie zieht sich jeweils – das habe ich gemerkt – sofort von mir zurück wie eine Katze, die man zu lange im Stich lässt.»

Der Mainzer Stadtschreiber Literaturpreis wird jährlich vom ZDF, der Stadt und 3sat vergeben. Die Preisträger bekommen außer dem Film ein Preisgeld in Höhe von 12 500 Euro und ein Jahr Wohnrecht im Stadtschreiberdomizil im Gutenberg-Museum. Am Freitag wird Hotschnig offiziell in sein Amt eingeführt.

In der Begründung der Jury heißt es unter anderem: «Alois Hotschnig erzählt in seinem vielfältigen Werk immer wieder von Schicksalen, wie sie Krieg und Diktatur hervorbringen – er bricht das Schweigen über die Geschichte heutiger Generationen in Europa und spiegelt dabei die Konflikte und Sehnsüchte auch unserer Zeit.» Dabei setze er in der deutschsprachigen Literatur einen eigenen empathischen Ton und wirkt mit entschiedener Beharrlichkeit dem Verschweigen, sowie Hassreden und Ausgrenzung entgegen.

Erste Preisträgerin war 1985 Gabriele Wohmann. Unter den anschließend Ausgezeichneten finden sich viele bekannte Schriftsteller wie Sten Nadolny, Monika Maron, Peter Stamm, Peter Härtling, Katja Lange-Müller und zuletzt Eugen Ruge und Dörte Hansen.

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen