„Mit Mausefallen auf händlerischen Wanderschaften“

Der Dichter Werner Bergengruen beschreibt, wie er vor 84 Jahren auf einer Fahrradtour die Eifel erlebte

Von Atze Schmidt

Zahlreich sind die Loblieder auf die Eifel, und von jenen, die sie angestimmt haben, hat der Dichter Werner Bergengruen (1892-1964) wohl mit am eindrucksvollsten seine Eifel-Gefühle niedergeschrieben. Im Sommer und Herbst 1933 unternahm er, damals 41 Jahre alt, eine Fahrradtour quer durch Deutschland. Er ließ sich Zeit, „denn mir liegt nichts an der Geschwindigkeit des Reisens, aber alles an seiner Intensität“, wie er einmal betonte. Den genauen Blick bewies der radfahrende Schriftsteller dann auch mit seinen Erinnerungen an die Eifel, die in dem 1934 erschienenen Buch „Deutsche Reise“ enthalten sind.

Er kam von Brandenburg, hatte die Altmark, Stendal, die Heide, das Teufelsmoor und schließlich ein Stück Rhein abgefahren und verließ nun Köln. „Die Gegend ist flach, erst allmählich gelange ich in ein Hügelgebiet, das sich dem Eifelgebirge vorgelagert hat. Aus der feuchten, oft drückenden Wärme des Rheintals komme ich in die kühle und klare Luft der Eifel.“

Ob der aus dem lettischen Riga stammende und zum Zeitpunkt der Deutschlandreise in Berlin ansässige Dichter die Eifel schon vorher kennengelernt hatte? Er erwähnt nichts dergleichen, also wird es wohl sein erster Besuch gewesen sein. Er schreibt von einer „verschwenderischen Vielfalt der Gedächtnisbilder“, die er nur mit Mühe sortieren könne. „Da waren hochgelegene arme Dörfer mit kärglichen Äckern, schöngesättigte fruchtbare Ebenen, menschenreiche Kurorte, verlassene Waldsteige mit verwitterten Bildstöcken, lichte Wiesengründe und Wasserstürze, die wie ungestüme Kinder tobten. Dann wieder reglos liegende Kraterseen – schwermütige Widerspiegler der Einsamkeit. Und da war dürres Heidegestrüpp, Tannendickicht und Ginstergebüsch…“

Bergengruen radelte schmale Flußtäler entlang, blickte auf kahle Bergkuppen, Dolomitfelsen, Basaltsäulen und Lavawälle; er durchquerte weite Hochflächen, „deren öden Ernst auch der lieblichste Sommertag nicht abzumildern vermochte“. Rund 200 Ortschaften hat er auf seiner Radtour besucht, mit Vorliebe kleine Städte, worunter er die eifeltypischen „spitzgiebeligen Fachwerkstädtchen“, wie er sie nennt, besonders liebte. Und er konnte in die reiche Geschichte dieser Gegend eintauchen, wozu Reste von Römerniederlassungen und fränkischen Königsorten sowie Abteien und Klöster reichlich Anlass gaben.

Was der radelnde Dichter vom Leben in den Dörfern wahrnahm, schildert er so: „Ich erinnere mich an Flecht- und Holzarbeiten mancher Dörfer, die ein sicheres Formgefühl offenbarten, und an andere Ortschaften, in denen nichts gedeihen wollte als Mausefallen und ähnliches Drahtgerät, mit dem Männer und Weiber weithin auf händlerische Wanderschaften gehen.“ An kulinarischen Erfahrungen hatten sich ihm gute Fische und Krebse eingeprägt, ferner ein Räucherschinken mit kräftigem Wacholderaroma, „und ein Wacholderbranntwein, der mir als herberer Vetter des ostdeutschen Machandelschnapses erschien“. – Also diesbezüglich hat sich seither nicht allzu vieles geändert.

Das Eifel-Kapitel schließt mit dem Abschied von der liebgewordenen Gegend: „Mein Weg stürzt bergab, allein ich darf mich der Lust des mühelosen Abwärtsgleitens nicht völlig überlassen, denn es dunkelt schon und die Straße ist voller Schlaglöcher, Steine, Schotterhaufen und Kurven, und die Fahrradlampe hat Mühe den Nebel zu durchdringen. Tief unter mir schimmern in der Dämmerung die ersten Lichter des Ahrtales.“

Journalist und Buchautor Atze Schmidt hat Werner Bergengruen noch persönlich kennen gelernt. Dichter, der häufig historische Stoffe behandelte und dessen Werk eine ausgeprägte Fabulierfreude kennzeichnet, kam 1961 zu einer Lesung in die Oberpfalz, wo Schmidt bei der Zeitung „Der neue Tag“ seine ersten journalistischen Erfahrungen machte. Das inzwischen längst vergriffene Buch Bergengruens über seine Deutschlandtour per Fahrrad fand Atze Schmidt in einem Antiquariat in Aachen.

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