Lewentz: Gewalt in engen sozialen Beziehungen ist keine Privatangelegenheit

Mainz. Seit Jahren erfasst die Polizei ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik mehr als 9.000 Straftaten als Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Zum wiederholten Male mussten ein Anstieg der Fallzahlen festgestellt werden. Dabei wird die Polizei für 2012 wohl erstmals mehr als 10.000 Opfer von häuslicher Gewalt registrieren. Die Entwicklung zeigt, dass die Polizei und andere Institutionen sich keinesfalls auf dem Erreichtem ausruhen können. Gewalt in engen sozialen Beziehungen ist nach wie vor ein aktuelles Phänomen und wird es wohl leider auch bleiben.

„Die Täterarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Interventionskette bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen und ein nicht mehr wegzudenkender Baustein in der Polizei- und Präventionsarbeit, wenn es darum geht, Gewaltopfer zu schützen. Häufig sind bei häuslicher Gewalt auch die im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder direkt oder indirekt mit betroffen und erleiden gravierende psychische Beeinträchtigungen. Sie sind den oft wiederkehrenden Gewaltsituationen ausgeliefert und auf die Hilfe von außen angewiesen. Hier ist besonderes Hinschauen und sofortiges Handeln von höchster Bedeutung“, sagte Innenminister Roger Lewentz bei der Fachtagung der Täterarbeitseinrichtungen „Contra Häusliche Gewalt“ in Mainz. Täterarbeit stelle immer auch Arbeit für den Opferschutz dar.

Das Innenministerium und die Opfer- und Täterhilfe Rheinhessen e.V. starteten 2004 in Mainz ein Pilotprojekt zur Täterarbeit bei Gewalttaten in engen sozialen Beziehungen. Das Land folgte damit der Empfehlung des „Rheinland-Pfälzischen Interventionsprojektes gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen“ (RIGG) und förderte das bis einschließlich 2006 befristete Modellprojekt, um erste Erfahrungen mit Täterarbeit zu sammeln. Der Fokus beim Thema Opferschutz wird zwar primär, aber nicht nur auf den betroffenen Menschen gerichtet, sondern auch auf die Täter. Es geht darum, der Ursache familiärer Gewalt auf den Grund zu gehen und eine Verhaltensänderung bei den Tätern zu initiieren. Ziel ist es, das Umfeld der Familie des Täters künftig vor Gewalt zu schützen.

Aufgrund der positiven Erfahrungen hat der rheinland-pfälzische Landtag 2006 fraktionenübergreifend beschlossen, das „Rheinland-Pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen“ auf Landesebene auszubauen. Dies galt sowohl für die Interventionsstellen, die für die Beratung und Unterstützung der weit überwiegend weiblichen Opfer zuständig sind, als auch für die Täterarbeitsangebote. Zentrale Aspekte waren die Vernetzung aller Beteiligten und die Stärkung der Hilfeangebote im Interesse der Opfer. Mit Hilfe der finanziellen Förderung des Innenministeriums und anderer Ressorts von über 330.000 Euro pro Haushaltsjahr und mit Unterstützung der freien Träger sind in den acht rheinland-pfälzischen Landgerichtsbezirken Beratungsstellen „Contra Häusliche Gewalt“ eingerichtet worden.

Sie sind Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft „Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V.“ und arbeiten nach deren Standards und Empfehlungen. „Wir haben in der Täterarbeit viel erreicht. Die Arbeit mit Gewalttätern ist in keinem Fall einfach. Für die Verursacher von Gewalt kann das Angebot eine Hilfestellung und Begleitung in einer kritischen Lebenssituation sein. Durch sozialpädagogische und sozialpsychologische Betreuungs- und Beratungsangebote soll eine Verhaltensänderung bewirkt, die Sozialkompetenz erhöht und im besten Falle weitere Gewalt verhindert werden. Dabei ermöglicht die Zusammenarbeit aller Stellen den Weg aus einer scheinbar ausweglosen und von Gewalt geprägten Beziehungskonstellation“, betonte Lewentz.

Die Koalition habe sich das Ziel gegeben, das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen flächendeckend fortzuführen und weiterzuentwickeln – trotz großer Anstrengungen vor dem Hintergrund der Schuldenbremse. „Hier sind wir weiterhin auf einem bundesweit vorbildlichen Weg“, so der Minister. Der Grundsatz „Gewalt in engen sozialen Beziehungen ist keine Privatangelegenheit, sie geht uns alle an“ sei eben keine Worthülse, sondern in Rheinland-Pfalz seit Jahren alltägliche Praxis: „Diesen Grundsatz zu leben hilft erneute Opferwerdung zu verhindern, schützt betroffene Frauen und Kinder, gibt Tätern eine andere Orientierung und dokumentiert die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit und Ächtung von Gewalt“, sagte Lewentz.
 

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