Heimat.

Viel mehr als nur ein Begriff

Auszüge aus einem Interview mit dem CDU-Landtagsabgeordneten Gordon Schnieder. Das gesamte Gespräch finden Sie im Internet unter:

Gordon Schnieder

www.eifelzeitung.de/redaktion/interviews/heimat-viel-mehr-als-nur-ein-begriff-169046/

EAZ: Haben die Volksparteien den Begriff „Heimat“ vernachlässigt?

Gordon Schnieder: So kann man das nicht sagen. Für die CDU gehörte Heimat immer zum Wertegerüst. Es wurde immer betont, wie wichtig es ist, dass die Menschen fest in ihrer Heimat verwurzelt sind. Wir haben auch mit Blick auf die Europäische Union stets herausgestellt, dass unter dem gemeinsamen europäischen Dach auch die Regionen mit ihren Besonderheiten gepflegt werden. Das Bekenntnis zur Heimat ist in Deutschland sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt das selbstbewusste „mia san mia“ der Bayern, aber auch Gebiete, in denen der Begriff nicht im Mittelpunkt steht oder lange Zeit nicht im Mittelpunkt stand. Dazu zählte auch lange Zeit die Eifel.

EAZ: Wodurch kam die Wende zum Besseren?

Gordon Schnieder: Der Wandel setzte in den 1960er Jahren ein. Die Bundeswehr errichtete zwei Standorte im Kreis Daun, und es siedelten sich bei uns mehrere größere Betriebe an, bei denen viele Arbeit fanden. Mit einer jungen Landesregierung kamen viele neue Impulse. Innerhalb weniger Jahre modernisierte Ministerpräsident Helmut Kohl Rheinland-Pfalz auf vielen Ebenen. In unserem Landkreis hatten wir das große Glück, dass Kommunalpolitiker mit großer Weitsicht an den Schaltstellen saßen. Es war eine Aufbruchsstimmung da: Insbesondere in der Wirtschaft, im Sozial- und Gesundheitswesen. Diese Erfolge sprachen sich rasch herum. Der wirtschaftliche Aufschwung bereitete den Boden, auf dem dann viele Projekte in unserem Kreis wachsen konnten, die das Bild der Eifel positiv veränderten.

EAZ: Trotz alledem wird aber über Mängel geklagt. Zu Recht?

Gordon Schnieder: Da muss man die Ebenen unterscheiden. Es gibt bei uns zahlreiche Initiativen von Unternehmern und es gibt Städte und Gemeinden, die in vielerlei Hinsicht an der Spitze stehen. Es gibt Zukunftsprojekte in unseren Orten, den fünf Verbandsgemeinden und in unserem Landkreis. Wie in den 1970er Jahren braucht es aber auch darüberliegende Ebenen, um unserem Kreis die Beschleunigung zu geben, die er angesichts der Herausforderungen der Zukunft dringend benötigt.

EAZ: Also Digitalisierung und Verkehrsinfrastruktur?

Gordon Schnieder: Ganz genau. Das sind die beiden Bereiche, die für unsere Zukunft von zentraler Bedeutung sind. Ein Hochleistungsinternet ist die Technologie, an der sich die Zukunft entscheidet. Sie setzt in allen Bereichen an. Große Datenmengen in kürzester Zeit sicher zu transportieren, ist eine Grundvoraussetzung. Zudem müssen wir so nah wie möglich an die großen Zentren heranrücken. Unsere Heimat ist geprägt durch viele Pendler. Der Lückenschluss der A 1
wäre für unseren Kreis und unser Bundesland ein gewaltiger Sprung nach vorn. Wenn diese 25 Kilometer Autobahn gebaut sind, dann liegen wir ganz genau in der Mitte zwischen Trier, Koblenz und Köln. Vieles ist in Bewegung gekommen. Ich bin sicher, dass noch bestehende Hemmnisse zeitnah abgearbeitet werden und die Chancen genutzt werden, die mit dem Bau dieses Autobahnstückes verbunden sind.

EAZ: Manche Kritiker sagen, auch wenn diese Rahmenbedingungen vorhanden wären, würden uns die jungen Leute immer noch davonlaufen.

Gordon Schnieder: Das sehe ich anders. Die jungen Menschen verlassen ihre Heimat, wenn sie dort keine Zukunft sehen. Sie bleiben, wenn sie wissen, dass sie hier besser leben können als anderswo.

EAZ: Ist das denn möglich?

Gordon Schnieder: Man muss nicht drum rumreden: Das ist eine große Herausforderung, denn zu diesem besseren Leben in unserer Heimat gehört sehr viel. Da spielt von der Geburt an Geborgenheit und Wärme eine große Rolle, die sich dann in der Zeit im Kindergarten und in der Schule fortsetzt. Es gibt ein richtungsweisendes Projekt des Natur- und UNESCO Global Geoparks Vulkaneifel, in dem schon den Kleinsten – zum Beispiel in der Kita in Strohn – unsere Heimat nähergebracht wird. Sie lernen da die Geologie, die Tier- und Pflanzenwelt und auch die regionale Geschichte kennen. Das ist Heimatkunde im besten Sinne des Wortes. Intakte Sozialbeziehungen fördern das Hier-bleiben-wollen. Eine große Rolle spielen dabei Vereine. Hier ist auch die Mitgliedschaft in einer Feuerwehr zu nennen, von der wir wissen, dass sie eine große Bindekraft entwickelt. Ebenso die Musik- und Sportvereine.

Entscheidend für das Bleibenwollen in einer Region ist auch ihr positives Image. Wenn die Region, aus der ich stamme, allgemein positiv besetzt ist, dann stärkt dies den Wunsch, in dieser attraktiven Heimat zu bleiben. Der Verleger und Fotograf Sven Nieder hat das in einem Interview während der Frankfurter Buchmesse sehr schön ausgedrückt. Die Vulkaneifel mache der besondere Geruch ihrer Wälder so attraktiv. Das sei für ihn Heimat, die er liebt. Es sind diese Bauchgefühle, diese Emotionen, die es zu erzeugen und zu stärken gilt. Und das ist dann zu verbinden mit attraktiven Arbeitsplätzen und attraktivem Wohnen, das bei uns vergleichsweise preisgünstig ist. Wichtig ist bei all dem, dass unsere Dörfer und Städte ihren individuellen Charakter bewahren. Es ist die Unterschiedlichkeit, die unsere Heimat attraktiv macht.

Neue Wege müssen wir aber auch in anderen Bereichen gehen. Für junge Familien und für ältere Menschen ist es gleichermaßen bedeutsam, dass die ärztliche Versorgung sichergestellt ist. Neue Modelle bei der hausärztlichen Versorgung scheinen mir da richtungsweisend, aber auch die moderne Ausstattung eines wohnortnahen Krankenhauses. Schließlich gehört zu einem guten Leben in der Heimat auch eine bestmögliche und individuelle Pflege im Alter.

Kurzum: Damit unsere Heimat auch in der Zukunft blüht, ist sehr viel Tatkraft notwendig. Wir brauchen viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, die mit Mut und Zuversicht für unsere Heimat werben. Wir werden auch in Projekte investieren müssen, die für uns Neuland sind. Es darf da keine Selbstbeschränkungen geben. Die Politik allein kann das nicht richten, sie muss aber die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Gestaltung der Zukunft in unserer Heimat gelingen kann.

EAZ: Herr Schnieder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Gordon Schnieder: Sehr gerne. 

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