Vom Kampf ums Überleben zur modernen institutionalisierten Betreuung Vortrag von René Richtscheid im Alten Rathaus

Da die Ausstellung „Dilldopp, Klicker, Lebertran – Kindheit in den 50er Jahren in Wittlich“, die noch bis zum kommenden Sonntag (12.2.17) in der Städtischen Galerie im Alten Rathaus in Wittlich gezeigt wird, die Epoche von 1950 bis 1959 in Einzelsequenzen, Momentaufnahmen auf den ca 100 Fotografien und einigen Saaltexten abbildet, war es geboten, eine Zusammenfassung der Entwicklung der Stadt Wittlich und der damit verbundenen Bedingungen für das Leben der Kinder im Rahmenprogramm der Ausstellung anzubieten.

Der Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts, Herr René Richtscheid M.A., Historiker von Beruf und mit der Fortführung der „Geschichte der Stadt Wittlich“, des mehrbändigen Werkes, das der verstorbene Dr. Klaus Petry für den Zeitraum bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verfasste, beauftragt, übernahm diese Aufgabe und schilderte vor gut 40 Zuhörerinnen und Zuhörern die Entwicklung des Lebens in Wittlich und die Konsequenzen für die Kinder von Beginn bis zum Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Waren es zuerst noch Lebensmittelkarten über 1.250 bis 1.500 (je nach Alter) Kalorien pro Tag, die den Kindern zustanden, und bis 1952 die Schulspeisung, also ein Eintopf oder eine Suppe, die den Schülerinnen und Schülern in der Schule in den mitgebrachten Blechnapf gefüllt wurde, so hungerte in Wittlich wie in den meisten ländlichen Gebieten bald niemand mehr. Die Fotos in der Ausstellung, die die Kinder während der Kirmes bei Attraktionen darstellen, wo der Preis Lebensmittel sind, wie etwa das „Würstchenschnappen“ oder das „Buttercremeschnittchenwettessen“ zeigen jedoch, welchen Stellenwert ausreichendes Essen und besondere Speisen wie Würstchen oder Kuchen für die Kinder noch hatten.

Auch die Quadratmeter Wohnfläche, die aufgrund der durch die Bombenangriffe von 1944/45 reduzierten Wohnfläche Familien zur Verfügung stand, wirken heute unvorstellbar winzig. Ehepaaren mit bis zu zwei Kindern standen 22 qm zur Verfügung; ab drei Kindern kamen 12 qm zusätzlich hinzu. Die Größe der Schulklassen hingegen war mit 70 Kindern zu Beginn der 1950er Jahre immens, reduzierte sich bis Ende der Dekade auf ca 30 Kinder.

Zur Markusschule, der einzigen Volksschule in Wittlich mit jährlich 40 katholischen Jungen, 40 katholischen Mädchen und 10 evangelischen Kindern kam 1957 die Bernhardschule, die heutige Georg-Meistermann-Schule, in der bereits koedukativ unterrichtet wurde, und Anfang der 60er Jahr bekam sogar die evangelische Schule ein eigenes Gebäude im Bereich, wo sich heute das Altenheim St. Wendelini befindet.

Engagiert diskutierten die Besucherinnen und Besucher über die Idee der französischen Besatzungsmacht, konfessionsübergreifende staatliche Schulen einzuführen, was aufgrund der Erfahrungen während des Nationalsozialismus von der Bevölkerung abgelehnt und erst 1968 umgesetzt wurde. Auch an die aktive Jugendarbeit der Wittlicher Sportvereine erinnerten sich Gäste und konnten somit dem Referenten noch etliche Informationen für sein Buch, die Fortsetzung der „Geschichte der Stadt Wittlich“ ab 1945, liefern.

Die Ausstellung „Dilldopp, Klicker, Lebertran – Kindheit in den 50er Jahren in Wittlich“ ist noch bis zum 12. Februar 2017 zu besichtigen und wird danach dem Kreisarchiv Bernkastel-Wittlich übereignet werden. Vielleicht möchte man sich in 50 Jahren noch einmal an die Kindheit in den 1950er Jahren in Wittlich erinnern und wird mit noch viel größerem Staunen auf diese uns heute noch nahe Zeit zurückblicken.

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