Staus auf der Mosel?

Trier/Bernkastel/Zeltingen. (ak) Großprojekte werden auch im frisch gestarteten Jahr für Zündstoff sorgen. Der Hochmoselübergang oder der geplante Bitburg-Airport sind nicht die einzigen umstrittenen Baustellen der Region, auch der Ausbau der zehn Moselstaustufen auf jeweils zwei Schleusenkammern wird kontrovers diskutiert.

Im Winter heißt es zumeist volle Fahrt voraus für die Frachtschiffe auf der Mosel, falls kein Hochwasser herrscht. Die Fahrgastschiffe der Weißen Flotte, die von April bis Oktober ihren Fahrplan einhalten müssen und daher Vorfahrt haben, sind vom Fluss verschwunden, die Kähne haben freie Bahn.

Die Mosel ist – ganz unromantisch – eine ausgewiesene europäische Wasserstraße. Deren Funktionalität soll durch den Ausbau der zehn auf deutschem Staatsgebiet befindlichen Schleusen gewährleistet bleiben, jede dieser Staustufen soll mit einer zweiten Schleusenkammer ausgestattet werden. Ein Kraftakt, der nach offiziellen Schätzungen mit 45 Millionen Euro je Schleuse zu Buche schlägt und etwa bei Zeltingen bereits seit 2010 realisiert ist.

„Während der jahrelangen Bauzeit gab es von unseren Gästen viele Reklamationen“, erinnert sich Hermann Saxler ungern an die Belastung. Er betreibt am Zeltinger Moselufer das Hotelrestaurant St. Stephanus und lockt normalerweise eine anspruchsvolle und naturliebende Klientel an. „Die Arbeiten am gegenüberliegenden Ufer verursachten viel Staub und Lärm, das war schon heftig spürbar.“ Spürbar auch in deutlichen Umsatzrückgängen, nicht nur auf der bewirtschafteten Terrasse, die mittlerweile wieder ungetrübte Outdoor-Genüsse verspricht. Auch die Buchungen schwächelten während der Bauphase.

Schaden oder Nutzen für den Tourismus?

Ganz anders sieht Volker Klassen, stellvertretender Hafenmeister in Trier, die Auswirkungen des Schleusenausbaus auf den Tourismus. Er verweist auf die stark gestiegene Anzahl von Hotelschiffen, die es früher nicht in dem Ausmaß gegeben habe und die mit ein Grund seien, warum er die geplanten Strukturmaßnahmen für notwendig erachtet. „Da die Personenschifffahrt Vorfahrt hat, ergeben sich Staus an den Schleusen. Doch die Frachten müssen auf den Tag genau geliefert werden, da verursachen so lange Wartezeiten zusätzliche Kosten.“

Klassen stellt die Güterumschlagszahlen am Trierer Hafen zur Verfügung: Waren es im Jahr 2000 knapp 700 000 Tonnen, stieg das Volumen bis auf 1 164 000 Tonnen im Jahr 2008. Krisenbedingt erfolgte ein Rückgang auf 107 000 Tonnen im Folgejahr, in 2010 stieg das Frachtaufkommen erneut auf 124 000 Tonnen. Im abgelaufenen Jahr 2011 kam erneut ein Rückgang auf 110 000 Tonnen. „Das hat mit den Heizölkosten zu tun, denn wegen der hohen Ölpreise sank der Umschlag in unserem Großtanklager.“ Werde Heizöl wieder billiger, steige auch das Frachtvolumen.

Mammutprojekte für den Güterverkehr

Auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) bezeichnet die Kapazitäten der zehn Schleusenanlagen zwischen Trier und Koblenz als weit überschritten: „Die Güterschifffahrt muss derzeit hohe Wartezeiten an den Schleusen in Kauf nehmen, mit der Folge, dass die Wirtschaftlichkeit des Gütertransportes über die Wasserstraße Mosel stark beeinträchtigt wird. Mit dem Bau der zweiten Schleusen an der Mosel kann dieser Engpass langfristig behoben werden.“ Die WSV schildert den Bau der neuen Schleusen als gewaltige Massenbewegung von 300 000 bis 600 000 Kubikmetern je nach Standort, mit einem Verbau von 70 000 Kubikmetern Beton, 8 000 Tonnen Bewehrungsstahl, 5000 Kubikmetern Spundwände und 500 Tonnen Stahlwasserbaukonstruktion.

Kritik der Anwohner regt sich

Die Notwendigkeit der Schleusenausbauten allerdings bleibt mittlerweile nicht unhinterfragt. Zum einen wegen der Baukosten, die nach Informationen der Kritiker erfahrungsgemäß mindestens doppelt bis dreifach so hoch wie kalkuliert sind. Auch die Belastungen durch Lärm und Staub während der Bauzeit – in Zeltingen etwa von 2002 bis 2010 – wird als Negativpunkt in die Waagschale geworfen. Die größten Zweifel werden jedoch an der Rentabilität selbst genährt. Der bisherige Ausbauzustand der Schleusen entspreche durchaus dem Frachtvolumen, ein wesentlicher Anstieg der Tonnage sei nicht feststellbar.

Ein namentlich bislang nicht genannt werden wollender Kritiker weist auch die Staugefahr zurück: „An der Schleuse Koblenz wurden in 2008 insgesamt 10 934 Schiffe geschleust, 5 468 zu Berg und 5 466 zu Tal. Das bedeutet statistisch pro Tag 30 Schiffe, pro Stunde 1,25 Schiffe. Angeblich hat ein Frachtschiff eine Wartezeit an Schleusen von rund 15 Stunden. Das kann angesichts dieser Zahlen nicht so sein.“ Auch gibt er zu bedenken, dass 90 Prozent des Frachtverkehrs auf der Mosel Transitverkehr sei und nur 10 Prozent in deutschen Moselhäfen umgeschlagen werden, 85 Prozent der Schiffe fahren unter ausländischer Flagge. „Warum dafür deutsche Steuergelder ausgeben?“ Auch handele es sich beim Gros der Fracht um australische Importkohle für lothringische Stahlwerke – eine Industrie, deren Fortbestand fraglich sei und die keinerlei Wertschöpfung in Deutschland belasse.  
 

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