Sauberkeit ist der halbe Glaube

Ahmadi Muslime befreien die Wittlicher Innenstadt vom Silvestermüll

neujahrsputz_01_16Wittlich. Während die meisten Bürgerinnen und Bürger noch ihren Rausch ausschlafen, ist eine etwa zehn Mann starke Truppe auf dem Marktplatz zum Neujahrsputz angetreten. Es sind die Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Jamaat, die gemeinsam mit den Mitarbeitern der Stadtwerke, zusammenkehren, was von der Silvesternacht übrig geblieben ist. Der Neujahrsputz hat nunmehr eine lange Tradition, bundesweit beteiligen sich die Mitglieder der Jugendorganisation der Ahmadiyya Muslim Jamaat bereits seit 18 Jahren hieran. „Wir sind glücklich diese Säuberungsaktion nun auch zum vierten Mal in Wittlich abzuhalten. Sauberkeit und Ordnung sind ein Teil unserer Religion, so sagte bereits der Heilige Prophet Muhammad (saw), dass Sauberkeit der halbe Glaube sei“, so Noshad Ahmad, Leiter der Jugendorganisation der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Wittlich-Wengerohr.

Über 4.000 Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Gemeinde beteiligen sich am alljährlichen Neujahrsputz, der in fast allen der 270 Ortschaften in Deutschland durchgeführt wird. Jahr für Jahr setzen die Ahmadi-Muslime damit ein Zeichen für bürgerschaftliches Engagement, Hilfsbereitschaft, Fleiß und für die Liebe zur Heimat. Der Tag beginnt gemäß islamischer Tradition mit dem gemeinsamen Gebet, zu dem sich die Mitglieder der Gemeinde in den Gebetsräumen der Hamd-Moschee versammeln. Anschließend folgt noch ein gemeinsames Frühstück, bevor es dann gestärkt zum Neujahrsputz geht. Knapp zwei Stunden lang beseitigen sie, bewaffnet mit Kneifzangen und Müllsäcken, den Platz rund um das Alte Rathaus herum. Böllerfetzen, Plastikverpackungen, ausgebrannte Raketen und Glasscherben: Die Männer haben alle Hände voll zu tun, um die Hinterlassenschaften des Feierns aus der Silvesternacht zu beseitigen. „Wir wollen damit unsere Dankbarkeit gegenüber der deutschen Gesellschaft zum Ausdruck bringen, die uns aufgenommen hat. Wir sind dankbar, dass wir hier in Frieden leben und unseren Glauben praktizieren können“, sagt Noshad Ahmad.

Ein Großteil der Gemeindemitglieder der Ahmadiyya Muslim Jamaat stammt aus Pakistan. Hier werden sie unterdrückt, verfolgt und zur Flucht gezwungen. Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde ist eine islamische Reformgemeinde, die 1889 im indischen Ort Qadian gegründet wurde. Die Gemeinde steht für einen toleranten Islam, der für die Gleichwertigkeit der Geschlechter und für ein friedliches Miteinander unter den Religionen und Gesinnungen steht. „Unsere Gemeinde unterscheidet sich von anderen islamischen Strömungen insofern, dass wir glauben, dass der Messias, der in allen Weltreligionen vorausgesagt wurde, bereits erschienen ist, nämlich in der Person des Begründers unserer Gemeinde, Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad“, so Ahmad.

In Deutschland stellt die AMJ mit ihren etwa 35.000 Mitgliedern eine der größten Gemeinden unter den organisierten Muslimen dar. Sie unterhält deutschlandweit über 39 Moscheen mit Minarett und Kuppel und etwa 225 lokale Gemeinden sowie einen TV-Sender und einen Verlag. Die Ahmadiyya Muslim Jamaat ist seit 2013 die erste islamische Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit den großen Kirchen rechtlich gleichgestellt. Seit dem gleichen Jahr bietet sie als Partner des Landes Hessen den bekenntnisorientierten Islamunterricht an Grundschulen an. Weiterhin hat sie 2012 bundesweit das erste „Institut für islamische Theologie“ zum Zwecke der umfassenden Ausbildung von Imamen in Riedstadt, Hessen eröffnet. Seit 2014 nimmt die Ahmadiyya Muslim Jamaat an der vom Bundesinnenministerium einberufenen Deutschen Islam Konferenz teil.

Aufgrund ihrer zeitgemäßen Interpretation des Islam wird die Ahmadiyya Muslim Jamaat von vielen orthodoxen Muslimen als häretisch gebrandmarkt und in fast allen islamischen Ländern verfolgt. Die muslimischen Geistlichen sehen in ihr die größte Gefährdung ihrer bestehenden Machtstrukturen, so dass die Ahmadiyya Muslim Gemeinde heute die am meisten verfolgte islamische Gemeinde der Welt ist.

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