Leserbrief von Herrn Dr. Petry in der Eifelzeitung folgender Kommentar: Verehrter Kollege Dr. Petry,

es ist doch schon wirklich bemerkenswert, wie schnell Sie ihre Meinung jeweils dem gerade herrschenden Zeitgeist, oder sollte ich sagen „Investitionsgeist“, anpassen. In Ihrem Artikel behaupten sie, dass die Stadtentwicklungspolitik der Stadt Wittlich sich in einer Sackgasse befinde und nur durch den Bau von St. Paul in die Zukunft geführt werden kann. Welch fatale Aussage.

Waren sie eigentlich in den vergangenen Jahren nicht Mitglied des Wittlicher Stadtrates, der in mühevoller Kleinarbeit und intensiver Beratung einen Flächennutzungsplan auf den Weg gebracht hat, der uns gerade in Sachen Stadtentwicklung in eine nachhaltige und geplante Zukunft führen sollte. Haben sie nicht ebenso wie Ihre Kollegen im Rat  dafür gestimmt, zukünftig bei Bebauungsvorhaben darauf zu achten, dass der Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung ein zentrales Anliegen unserer Stadtentwicklung sein soll? Und genau hierum geht es in der aktuellen Auseinandersetzung um die Fortentwicklung des zweiten Bauabschnittes St. Paul.

Hier soll auf der „Grünen Wiese“ ein sogenanntes Mehrgenerationendorf entstehen, mit vielen Versorgungseinrichtungen, Gesundheitsvorsorge,  sozialer Infrastruktur, kulturellem Lebens und Selbstversorgung. Der Idee des Investors folgend entsteht hier ein neuer Stadtteil, der in vielen Bereichen unsere bisherige Stadtentwicklungspolitik verändern würde. Hierüber zu sprechen und die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen ist weder ideologisch blind noch zukunftsfeindlich.

Vielmehr folgt diese Haltung den Anforderungen an eine vorausschauende und nachhaltige Stadtentwicklungspolitik. Die Fachgremien der Stadt Wittlich haben  alle Argumente und Themen abzuwägen, die mit der geplanten Investition im Zusammenhang stehen. Das kann man von den Ratsmitgliedern in Wittlich doch wohl noch erwarten ohne sich dem Vorwurf der Blockade auszusetzen! Als Fraktionssprecher der Grünen erhebe ich den Anspruch auf umfassende Information und Abwägung in der Sache und eine umfassende Information der Menschen in unserer Stadt. 

Geht es doch um nicht weniger als die grundsätzliche Frage, welche Form von Stadtentwicklung wir in den kommenden Jahren verfolgen wollen angesichts der sich verändernden Altersstruktur in unseren Stadtteilen und der Kernstadt selbst. Hierauf müssen wir  in besonderem Maße achten, wollen wir eine Entleerung unserer Stadtteile verhindern. Mehrgenerationenwohnen ist gerade dort gefragt und muss dort unterstützt werden.  Die entsprechenden Szenarien der Altersentwicklung sind ja auch Ihnen als langjährigem Ratsmitglied nicht verborgen geblieben.

Im Übrigen sind alle mir bekannten Projekte des Mehrgenerationenwohnens gekoppelt an vorhandene und gewachsene Strukturen in Stadtteilen oder gar ganzen Gemeinden. Ich empfinde es als nicht sachbezogen, die aufgeworfenen Fragen der Landwirtschaft einfach so abzutun. Es muss uns doch ein Anliegen sein dafür Sorge zu tragen, dass es auch in der nächsten Generation noch Landwirtschaft in unserer Region gibt. Dass diese aus wirtschaftlichen Erfordernissen nicht nur auf eine Karte setzen kann, sollte Ihnen doch nicht unbedingt ein Fremdwort sein. Fläche ist nun mal auch in Wittlich nicht  beliebig vermehrbar.

Sie verweisen in Ihrem Artikel auch noch auf den Umstand, dass sich Wittlich  immer auf der Grünen Wiese entwickelt habe in der Vergangenheit und stellen dies als moderne und zukunftsweisende Stadtentwicklung dar. Ich frage mich dann, warum haben Sie als FWG Mitglied  dem Flächennutzungsplan der Stadt Wittlich zugestimmt, in dem der Innenentwicklung aus guten Gründen die oberste Priorität eingeräumt worden ist. Sie ist erwachsen aus der Erkenntnis, dass Flächen nicht beliebig vermehrbar sind und wir auch nachfolgenden Generationen Raum lassen müssen, sich weiter zu entwickeln.

Im Übrigen  ist es ja auch nicht so, dass sich Wittlich bevölkerungsmäßig nicht weiterentwickeln würde. Wir haben ja in Wittlich entgegen dem Trend in der Region Bevölkerungszuwachs. Nur halt nicht mehr linear und stetig, wie es frühere Prognosen vorhersagten. Dieses behutsame Wachstum und die sich hieraus ergebende Nachfrage nach Flächen, können wir mit unseren Festlegungen im Flächennutzungsplan und auf den noch nicht entwickelten Innenflächen durchaus bedienen.

Aus Sicht unserer Fraktion, Bündnis90/Die Grünen, sollten wir uns um die derzeitigen Aufgaben bei der Weiterentwicklung der Kernstadt konzentrieren und nach Antworten auf den demographischen Wandel in unseren Stadtteilen suchen. Ein neuer Stadtteil in St. Paul ist da eher kontraproduktiv und steht auch  im Gegensatz zu der von Ihnen geschilderten Kreisstrategie, die gezielt auf das zuhause Alt werden setzt. Diese Strategie gilt es  aus unserer Sicht zu unterstützen. Denn sie ist nachhaltig und ermöglicht den Zusammenhalt der Generationen in den gewachsenen Strukturen!

Fazit: Es ist weder fortschrittsfeindlich, wenn man eine differenzierte Auffassung zu Stadtentwicklungsfragen hat. Vielmehr ist es die Pflicht eines jeden Stadtrates alle Argumente gegeneinander abzuwägen, wenn denn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Es ist kein Knüppel zwischen die Beine werfen, wenn man die Menschen der Stadt um ihre Meinung in der Sache fragt und sie umfassend informieren möchte. Und letztlich ist es auch nicht ideologisch verblendet, wenn man sich den Aufgaben in den gewachsenen Stadtteilen und der Kernstadt als Ratsmitglied verpflichtet fühlt. Dies tun wir als Stadtratsfraktion Bündnis90/Die Grünen.

St. Paul ist in allen Ratsfraktionen Gegenstand einer intensiven Auseinandersetzung um den richtigen Weg und  die zukünftige Ausrichtung unserer Stadt. Hierzu braucht es Zeit und Sachverstand und keinen „vorauseilenden  Gehorsam“, der vielleicht schon morgen falsch sein kann!  Das wäre ein falsches Signal an die Zukunft und künftige Generationen!! 
 
Michael Wagner

Fraktionssprecher
Bündnis90/Die Grünen
im Stadtrat Wittlich

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