William und Joseph Bettendorf

Ob ein Eifler das Rad erfunden hat, wissen wir nicht. Fest steht aber, dass es mit William („Bill“) Bettendorf ein Kind der Eifel war, dem durch die Entwicklung des Metallrades ein eindrucksvoller technischer Fortschritt gelang – beileibe nicht seine einzige Meisterleistung. Zusammen mit seinem Bruder Joseph („Joe“) gehört er zu den großen US-Industriepionieren.

Es war wohl Ausdruck liebenswerter Eifler Bauernschläue, dass die Familie des Nohner Ackerers Nikolaus Betteldorf 1854 ihre Auswanderung dazu nutzte, den Familiennamen leicht zu modifizieren: Aus Betteldorf machten sie – um allen Spötteleien von  Deutschamerikanern den Boden zu entziehen – Bettendorf. Dabei hätten sie sich ihres alten Namens nicht schämen müssen. Die Betteldorfs lebten seit Generationen als respektable Bauern in Nohn; ihr auf den Eifelort Betteldorf verweisender Nachname bezeugt ebenso ihre Alteifler Verwurzelung wie der Familienname von Anna Maria Mannebach, der Ehefrau von Nikolaus. Michael (1836–1917), der älteste Sohn dieses Paares Betteldorf-Mannebach, war bei der Ankunft in den USA noch Teenager. Neunzehnjährig heiratete er die gebürtige Bonnerin Catherine Reck. Michael Bettendorf verdiente sein Brot zunächst als Lehrer, dann als Ladenbesitzer, schließlich als Staatsangestellter. Zwei Jahre nach der Hochzeit kam der Erstgeborene William in Illinois zur Welt, sieben Jahre später Joseph in Kansas.

Grundlage des sozialen Bettendorf-Aufstiegs waren der Innovationsgenius und die Unternehmermentalität der beiden Söhne Bill und Joe. Bill begann sein Berufsleben als dreizehnjähriger Laufbursche, zwei Jahre später wurde er Ladengehilfe, dann mit 17 Lehrling in der Pflugfabrik „Peru Plow Company“. Schon drei Jahre später gelang ihm eine bahnbrechende Neuerung: die Erfindung des ersten Radpflugs mit Kraftheber. Diese Konstruktion ermöglichte es dem Farmer, von seinem Sitz aus den Pflug zu heben und zu wenden, während er vorher am Ende jeder Furche hatte absteigen müssen. Mit diesem einträglichen Patent trat der junge Eifelspross in erfolgreiche Konkurrenz zum nicht minder brillanten Meistertechniker Gilpin Moore der Firma „John Deere“ in Moline (Illinois). In diesem Zentrum der US-Agrartechnik arbeitete Bill Bettendorf eine Zeitlang für die „Moline Plow Company“, die lange ein Hauptkonkurrent von „John Deere“ blieb. 1882 kehrte Bettendorf zu der „Peru Plow Company“ zurück, wo er einst als Lehrling gearbeitet hatte – inzwischen war er anerkannter Meister seines Fachs. Sofort glänzte er mit einem neuen Beweis seiner technischen Kreativität: Er erfand das eingangs erwähnte Bettendorf Metallrad mit eiserner Radnabe und stählernen Speichen. Dieses Rad war ungleich belastbarer war als die Vorgängermodelle und „revolutionierte die Agrartechnik“ (Pam Rees). Um dieses Produkt komplett nach ihren Vorstellungen produzieren zu können, gründete William 1889 zusammen mit seinem ökonomisch versierten Bruder Joseph in Davenport die „Bettendorf Metal Wheel Company“, einige Jahre später die „Bettendorf Axle Company“. Als 1902  Feuer die Fabrik zerstörte, stellte die nahegelegene Stadt Gilbert den Brüdern umfangreiches Gelände für den Neuaufbau zur Verfügung. Diese errichteten daraufhin in Gilbert, dessen dankbare Bürger ihre Stadt 1903 in Bettendorf umbenannten, ein neues Werk. Riesige Produktionsanlagen entstanden, monumental waren aber auch die herrschaftlichen Bettendorf-Privatbauten; sie gehören heute zu den Baudenkmälern Iowas.

Die Zahl der Beschäftigten wuchs bis 1910 auf 800, ein Jahrzehnt später war das Bettendorf-Werk mit 3000 Beschäftigten die größte Eisenbahnwaggonfabrik westlich des Mississippi. Hauptgrundlage dieser Expansion war eine weitere großartige Konstruktion Bill Bettendorfs: ein aus einem einzigen Stahlstück geschmiedetes Eisenbahnfahrwerk, das den Eisenbahntransport signifikant effektiver und sicherer machte. Als Präsident Bill Bettendorf, auf dessen erfindungsreichen Kopf rund 75 Patente zurückgehen, 1910 starb, übernahm Joe die Führung des Unternehmens. Joseph Bettendorf sah die „Bettendorf Axle Company“ als eine große Familie an. Partys, Picknicks und Sportevents festigten den Corporate Spirit und bildeten einen willkommenen Ausgleich zum seinerzeit üblichen Zehnstundentag. So erfolgreich die Bettendorf-Brüder auch waren: Ein Jahr vor Josephs Tod im Jahr 1933 musste die Fabrik ihre Tore schließen – traurige Folge der Weltwirtschaftskrise. Heute sind die zahlreichen amerikanischen Bettendorf-Abkömmlinge in vielen gesellschaftlichen Bereichen aktiv.

Verfasser: Gregor Brand

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