Thomas Esser

Buchdrucker, Politiker und Schriftsteller aus Schwerfen

212_esser_46_14
Thomas Esser

Zwischen 1900 und 1950 zählte Thomas Esser (oft auch: Eßer) zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Nordeifel. Über Jahrzehnte hinweg verging kaum eine Woche, in der man zumindest im Euskirchener Raum nicht etwas von dem 1870 in Schwerfen (heute Teil Zülpichs) geborenen Politiker, Verbandsfunktionär, Verleger, Zeitungsherausgeber, Publizisten und populären Heimatschriftsteller lesen oder hören konnte. Essers berufliche Biografie begann als Handwerker. Nach seiner Volksschulzeit in Euskirchen, wohin die Familie umgezogen war, absolvierte er von 1884-1888 eine Buchdruckerlehre bei der Euskirchener Zeitung, danach arbeitete er acht Jahre lang als Druckgehilfe. 25-jährig heiratete er Maria Kreuder und machte sich mit einem Manufakturgeschäft in Euskirchen selbständig. Bald zeigte sich sein hoch ausgeprägtes Talent für soziale Führungsaufgaben. Esser gründete den lokalen Verein selbständiger Handwerker und Gewerbetreibende ebenso wie die Euskirchener Spar- und Kreditgenossenschaft oder die Euskirchener Volkszeitung, in der er als verantwortlicher Redakteur und Herausgeber den Kurs bestimmte. Eine vollzählige Aufzählung seiner Aktivitäten in Vereinen und Verbänden würde den Rahmen dieses Beitrags bei weitem überfordern.

Zu dieser intensiven Verbandstätigkeit trat die Politik hinzu, in der Esser zu einem wichtigen Akteur des politischen Katholizismus wurde. Der Aufstieg von der Kommunalpolitik – 1906 Stadtrat in Euskirchen, dann Kreistagsmitglied – in die Reichspolitik erfolgte rasant. Bereits 1912 gehörte Esser dem Reichsvorstand der Zentrumspartei an. Zu Beginn des Weltkriegs unternahm er mit anderen Honoratioren eine sogenannte „Liebesgabenfahrt“ an die Westfront, um die Soldaten mit Hilfsgütern sowohl materiell als auch symbolisch zu unterstützen. Obwohl Esser keineswegs Pazifist war und die deutsche Sache für gerecht hielt, machte er sich über die „männermordende“ Furchtbarkeit des Krieges keine Illusionen und empfand „Kriegsekel“. Nach dem Weltkrieg wurde der Euskirchener Mitglied des Preußischen Landtags und vertrat von 1921 bis 1933 den Wahlkreis 20 (Köln-Aachen) als Reichstagsabgeordneter.

Während seiner Reichstagszeit galt Esser als kompetenter Sozialpolitiker; 1923 wurde er Vorsitzender des sozialpolitischen Ausschusses. 1926 wählte ihn der Reichstag erstmals zum Vizepräsidenten, bis 1933 wurde er mehrfach wiedergewählt. Bei der konstituierenden Sitzung des Reichstags am 30. August 1932 unterstützten die Abgeordneten der NSDAP – damals die stärkste Fraktion – aus taktischen Gründen seine Wahl. Fotos aus jener Zeit zeigen den überaus bürgerlich-seriös wirkenden Zentrumspolitiker Esser neben dem Reichstagspräsidenten Göring, was die Frage nach Essers Verhältnis zur Hitler-Partei aufkommen ließ. Dass von wechselseitiger Sympathie keine Rede sein konnte, wurde 1933 wenige Monate nach der NS-Machtergreifung deutlich. Auf Betreiben der Nazis wurde Esser die Euskirchener Ehrenbürgerschaft aberkannt, wochenlang saß er im Kölner Gefängnis Klingelpütz in „Schutzhaft“. In den folgenden Jahren wurde er von der NS-Staatsanwalt und Justiz immer wieder behelligt und mit Schreib- und Redeverboten schikaniert. Eine erneute wochenlange Inhaftierung erfolgte nach dem Hitler-Attentat 1944. Nach dem Untergang der NS-Diktatur gehörte der inzwischen 75-jährige Esser 1945 zu den Mitgründern der CDU in seiner Nordeifler Heimat. Er erhielt die Ehrenbürgerwürde zurück und wurde kurzzeitig Bürgermeister von Euskirchen.

Gegenüber Essers politisch-sozialer Tätigkeit ist sein umfangreiches literarisches Werk unverdientermaßen in den Hintergrund geraten. Eine lobenswerte Ausnahme bildet das Lexikon „Die Eifel in der Literatur“ (1994), in dem der Prümer Literaturkenner Zierden sieben Werke Essers vorstellt – wobei auch dies nur ein kleiner Ausschnitt aus dem dichterischen Gesamtwerk des gelernten Buchdruckers ist. Die Stoffe der esserschen Romane und Erzählungen kreisen meist um Themen seiner Nordeifler Heimat – kein Wunder, dass Esser fast nur als Heimatschriftsteller wahrgenommen wird.

Er selbst sah das nicht als Makel, sondern hob diesen Heimatbezug oft stolz im Untertitel eines Werks hervor. Essers Spezialinteresse galt dabei dem Heimatgeschichtlichen. Er kannte sich in der Historie seiner Heimat exzellent aus und verstand es, sie den Lesern spannend zu präsentieren. Zu Essers Romanen zählen Bücher wie „Der Hüttenmeister Stejnmans“, „Um Goldschmieds Töchterlein. Ein Roman aus Lechenichs schwerster Notzeit“ oder „Joseph. Der Küfer von Euskirchen“. Bei vielen dieser Romane verwendete Esser Pseudonyme – nicht zuletzt, um das NS-Schreibverbot zu unterlaufen. Manchmal gab er sich allerdings nur wenig Mühe, die eigene Urheberschaft zu verschleiern: Bei einem Pseudonym wie „T. v. Schwerfen“ konnte es kaum Zweifel an der Autorschaft Essers geben. Thomas Esser starb 1948 in Euskirchen. Die Trauerrede an seinem Grab hielt Konrad Adenauer, der ein Jahr später erster Regierungschef eines neuen deutschen Staates wurde. Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen