Robert Frederick Loeb

US-Mediziner von Weltruf Sohn eines Auswanderers aus Mayen

Bereits um 1900 erschienen die USA nicht nur Millionen Menschen aus einfachen und bedrückenden Verhältnissen als das Gelobte Land, sondern zogen auch hochqualifizierte Fachkräfte an. Ein besonders bemerkenswertes Eifler Beispiel für die Abwanderung  wissenschaftlicher Spitzenintelligenz findet sich in der Mayener jüdischen Familie Loeb. Die beiden in Mayen geborenen Söhne Jacques und Leo Loeb machten sich nach ihrer Emigration in die USA einen Namen als Vordenker der Medizin und Biologie des 20. Jahrhunderts. Eine Generation weiter betrieben auch die beiden Söhne von Jacques Loeb Wissenschaft auf Top-Niveau: Während der erstgeborene Leonard Loeb (1891-1978) Physikprofessor wurde, führte der 1895 – auf den Tag genau 16 Jahre nach Einstein – geborene Robert die medizinische Tradition von Vater und Onkel fort. Mit außerordentlichem Erfolg: Der Mediziner und Genetiker A. G. Bearn bezeichnete Robert Loeb als einen der größten und einflussreichsten amerikanischen Ärzte überhaupt. Zu diesem Ruf, der ihn sogar als Nobelpreiskandidaten ins Gespräch brachte, verhalfen Robert Loeb mehrere Umstände. Zum einen leistete er entscheidende Beiträge zur Behandlung von Morbus Addison, einer Schwäche der Nebennierenrinden, die bis dahin oft tödlich verlief. Dabei kam ihm seine Spezialisierung auf das Verhalten von Elektrolyten und Hormonen im Körper zugute, deren Einflüsse er besonders im Zusammenhang mit den Nierenfunktionen und Diabetes-Erkrankungen untersuchte. Zu seiner internationalen Bekanntheit als Diabetes-Kapazität trug nicht zuletzt sein Diabetes-Artikel in dem Medizin-Lehrbuch „A Textbook of Medicine“ bei. Dieser Klassiker, weltweit bekannt als „Cecil and Loeb“, wurde seit 1947 von ihm mitherausgegeben und machte neben seinen sonstigen Tätigkeiten Loebs Namen zu einem Begriff. Zu diesen „sonstigen Tätigkeiten“ zählte in erster Linie sein praktisches ärztliches Wirken. Jahrzehntelang war er hoch angesehener Arzt am Presbyterian Hospital in New York, zugleich auch Medizinprofessor an der renommierten Columbia University. Hinzu kam schließlich eine ausgedehnte Tätigkeit in zahlreichen wissenschaftlich-medizinischen Gesellschaften; unter anderem war Robert Loeb Präsident der amerikanischen Ärztevereinigung sowie Berater und Mitglied einflussreicher Kommissionen. Sein internationales Ansehen dokumentierten nicht zuletzt über zehn Ehrendoktortitel, darunter solche der Universitäten von Paris, New York, Harvard oder Oxford.
Biographische Schilderungen Loebs heben neben seinem brillanten Intellekt vor allem seine extremen Ansprüche an sich selbst, aber auch an seine Mitarbeiter und Studenten, hervor – Eigenschaften, die den Umgang mit ihm öfters zu einem komplizierten Erlebnis zwischen Verehrung und Furcht machten. Ausgestattet mit phänomenaler Gedächtnisstärke, konnte sich Loeb noch Jahrzehnte später präzise an Namen und Einzelheiten all seiner Patienten erinnern. Obwohl er ein sehr hilfsbereiter, zugänglicher und schüchterner Mensch war, dem Auftritte vor größerem Publikum äußerst unangenehm waren, schüchterte Loebs dominierende Persönlichkeit Mitarbeiter und Studenten nicht selten ein. Bereits knappe kritische Bemerkungen bei seinen Rundgängen empfanden manche als öffentliche Demütigung. Bei allem Respekt vor seinem  Können und seiner Menschlichkeit gab es Klagen darüber, wie unglaublich schwer es gewesen sei, in der Stufenleiter seiner Wertschätzung höhere Sprossen zu erklimmen. Man kann darüber spekulieren, ob in Robert Loebs Arbeitsethos nicht auch sein puritanisches Erbe sichtbar wurde. Während sein Vater dem Eifler Landjudentum entstammte, gehörte seine Mutter Anne Leonard zur stark puritanisch geprägten Neuengland-Elite. Als erste Frau überhaupt hatte sie in Zürich promoviert und in dieser Stadt auch ihren zukünftigen Mann Jacques Loeb kennengelernt. In den USA lebte das Paar in Chicago, Kalifornien und New York. In diesem neuamerikanischen Intellektuellenhaushalt, der von Geistesgrößen wie den Nobelpreisträgern Wilhelm Ostwald oder Ernest Rutherford besucht wurde, entwickelte Robert Loeb vielseitige Interessen. Noch als Medizinstudent schwankte der Vulkaneifelspross, ob er nicht lieber Geologie studieren oder sich sogar primär seinen künstlerischen Neigungen widmen sollte. Er entschied sich, wie geschildert, für die Medizin, worin ihm sein Sohn John N. Loeb folgte, der als Medizinprofessor – wie einst sein Vater – an der Columbia University forschte und lehrte.
Robert Loeb selbst war auch nach der 1960 erfolgten Emeritierung weiter als gefragter Berater und Arzt tätig. Das letzte Lebensjahrzehnt des passionierten Pfeifenrauchers war vom Lungenkrebs überschattet. Eine erfolgreiche Operation erlaubte es ihm, noch einige Jahre zusammen mit seiner Frau die Welt zu bereisen und sich mit ungebrochenem Interesse in deren Geschichte und Kultur zu vertiefen. Schließlich holte ihn die Erkrankung jedoch wieder ein. Im Herbst 1973 verstarb der Mayener Kaufmannsenkel Robert F. Loeb 78-jährig in New York. Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen