Reinhold und Julius Wirtz

Architekten und Dombaumeister aus Hellenthaler Familie

208_wirtz_42_14Seit über einem Jahrtausend prägen christliche Gotteshäuser das Erscheinungsbild der Dörfer und Städte des Rheinlandes. Auch wenn sich die Zahl der Kirchgänger in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verringert hat, besteht die besondere kulturelle Bedeutung der Kirchen weiter – sogar dort, wo sie nicht durch Aufnahme in die Liste schützenswerter Denkmäler oder auf andere Weise offiziell anerkannt ist. Wegen der tiefen historischen und gesellschaftlichen Verankerung der meisten dieser Sakralbauten wird leicht übersehen, dass ihre Errichtung auf die Kreativität und die Anstrengungen individueller Persönlichkeiten zurückgeht. Allzu oft sind die Namen der Handwerker und Baumeister unbekannt oder vergessen – unverdientermaßen. So ist es gewiss nicht verkehrt, hier an das Werk zweier Baumeister zu erinnern, nach deren Vorstellungen im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Kirchenbauten im Bistum Trier errichtet wurden.

Reinhold Wirtz kam 1842 in Hellenthal zur Welt. Über seine Familie mit dem im Rheinland so verbreiteten Familiennamen ist bisher nur wenig bekannt; möglicherweise geht sie auf den 1826 in Hellenthal verstorbenen herzoglichen Oberförster Johann Peter Wirtz zurück. Reinhold Wirtz erhielt seine Ausbildung an der Dombauhütte in Köln und wurde dadurch intensiver Augenzeuge der Arbeiten zur Vollendung des Kölner Doms. Beeindruckt registrierte er das gewaltige öffentliche Echo, das dieses Projekt damals hervorrief. Beim Dombau in Köln ging es nicht nur um die Errichtung eines technisch und künstlerisch Aufsehen erregenden Gebäudes, sondern damit verband sich die Idealisierung des katholischen Mittelalters ebenso wie die Beschwörung altmeisterlicher deutscher Schöpferkraft.

Für die im 19. Jahrhundert so starke Rückbesinnung auf mittelalterliche historische Vorbilder war das architektonische Geschehen in Köln von außerordentlicher Bedeutung. Wirtz wurde von diesem Geist sichtlich geprägt, seine Bauten werden kunstgeschichtlich der Stilrichtung Neugotik zugerechnet. Hauptlehrmeister des Nordeiflers war der Kölner Architekt und führende Neugotiker Vincenz Statz (1819–1898), in dessen Baubüro Wirtz von 1861 bis 1868 arbeitete. Statz übertrug dem fähigen Jungarchitekten aus Hellenthal die Verantwortung für seine Steinmetzhütte und überließ ihm die Leitung einiger Kirchenbauten am Rhein. Die 1868 erfolgte Verlagerung der wirtzschen Tätigkeit in den Trierer Raum ging auf den Wunsch von Statz zurück, Wirtz mit der Leitung der Restaurierungsarbeiten an der Trierer Liebfrauenkirche zu betrauen. Dieser neue berufliche Trierer Lebensabschnitt fand eine Parallele im Privaten: 1869 vermählte sich Reinhold Wirtz mit Theresia Hubertine Paffendorf. Kirchenbauten des Architekten Reinhold Wirtz im Bistum Trier finden sich unter anderem in Welschbillig, Konz, Meckel, Bremm, Trierweiler oder Trier-Euren.

Das bekannteste Eifeler Bauwerk von Wirtz ist vermutlich die 1896 eingeweihte Pfarrkirche Sankt Philippus und Sankt Jakobus in Speicher. Diese auch als „Eifeldom“ bekannte dreischiffige Hallenkirche aus rotem Sandstein zeigt den für Wirtz kennzeichnenden neugotischen Stil ähnlich klar wie auch die auf ihn zurückgehende evangelische Pfarrkirche im saarländischen Güchenbach (Riegelsberg). Wichtige Impulse setzte Reinhold Wirtz bei der Restaurierung des Trierer Doms; für seine Verdienste erhielt er 1888 die ehrenvolle Ernennung zum Dombaumeister.

Die Restaurierungsarbeiten am Dom nahmen Wirtz bis an sein Lebensende in Anspruch. Als er zuletzt krankheitsbedingt aufhören musste, beauftragte das Domkapitel den Architekten Wilhelm Schmitz (1864–1944) mit der kommissarischen Wahrnehmung seiner Arbeit am Dom. Einen Monat nach dem Tod von Reinhold Wirtz im Mai 1898 wurde Schmitz sein Nachfolger im Dombaumeisteramt. Schmitz – seit 1906 zusätzlich Dombaumeister in Metz – half Julius Wirtz, dem 1875 in Trier geborenen Sohn Reinholds, zunächst in der schwierigen Phase nach dem Tod des Vaters als wertvoller Kompagnon bei der Fortführung des florierenden wirtzschen Architekturbüros; auf diese Zusammenarbeit gehen manche Eifler Kirchenbauten aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurück. Seit 1912 war Julius Wirtz auch als Dombaumeister tätig.

In der Tradition seines Vaters standen bei Julius Wirtz anfangs Kirchen- und Kapellenbauten im Vordergrund, später kamen Profanbauten wie das Trierer RWE-Verwaltungsgebäude, das damalige Bischöfliche Priesterseminar Rudolphinum in Trier oder die 1921 für lungenkranke Kinder und Jugendliche gegründete eindrucksvolle Wittlicher Kinderheilstätte „Maria Grünewald“ hinzu. Gerade die letztgenannten Bauten zeigen, dass sich Julius Wirtz – wie die Architektur überhaupt – vom neugotischen Stil entfernt hatte, der in seinen ersten Lebensjahrzehnten so wichtig gewesen war. Auf eigenartige Weise verknüpfte allerdings das Schicksal sein Lebensende mit der Epoche seines Vaters: Julius Wirtz starb in Trier am 15. Oktober 1952 – auf den Tag genau 72 Jahre nach dem Fest zum offiziellen Abschluss des Kölner Dombaus. Verfasser: Gregor Brand

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