Philipp Adam Storck

Musikfreunde in aller Welt kennen Franz Schuberts eindringliches Kunstlied mit den Anfangsworten „Ave Maria“ (Deutsch-Verzeichnis 839, Op. 52 Nr. 6). Was aber nur wenige wissen: Der deutsche Text, zu dem der geniale  Wiener diese Musik komponierte, stammt von einem Kind der Eifel: dem 1778 in Traben geborenen Philipp Adam Storck. Der Sohn des evangelischen Pfarrers Carl Andreas Storck und dessen Ehefrau Maria Charlotta Allmacher hatte mit seinem „Ave Maria! Jungfrau mild …“ ein Gedicht des illustren schottischen Schriftstellers („Ivanhoe“) Walter Scott (1771–1832) übersetzt; Storck galt für lange Zeit als der bedeutendste deutsche Übersetzer berühmter Gedichte Scotts. 1823 war Storcks Übertragung von Scotts „The Lady of the Lake“ unter dem Titel „Das Fräulein vom See“ erschienen, aber schon vorher hatte er Scotts Meisterwerke „The Lay of the Last Minstrel“ und „Rokeby“ im Versmaß des Originals ins Deutsche übertragen. So ist es kein Wunder, dass bis heute der Name Adam Storcks eng mit dem Sir Walter Scotts verbunden ist. Wer beispielsweise im Internet nach einem Portrait Storcks sucht, wird häufig ein Bild Scotts finden; eine bildliche Darstellung des Moselaners selbst gibt es anscheinend nicht.

Die Scott-Übertragungen waren nicht die ersten wichtigen Übersetzungsleistungen Storcks. Schon 1818 hatte er das berühmteste Moselgedicht überhaupt, die „Mosella“ des Römers Ausonius, in metrischer Bearbeitung aus dem lateinischen Original in seine deutsche Muttersprache übertragen. Damit gehörte Storck, wie Heimathistoriker H.-G. Böse zu Recht hervorhob, zu den frühesten Übersetzern dieses geschichtsträchtigen Textes. Literarische Pionierarbeit leistete Storck damals auch mit den „Darstellungen aus dem preußischen Rhein- und Mosellande“, die den Anfang der moselländischen Reiseliteratur im 19. Jahrhundert markieren. Storck wohnte damals schon lange nicht mehr an der Mosel, kannte seine Heimat aber durch die dort verlebte Jugend und Reisen sehr gut.  

An das schicksalsschwerste Jahr seiner Kindheit konnte sich Adam Storck aber sicherlich nicht mehr erinnern. 1780 hatte er zunächst seine Mutter und dann an Weihnachten auch seinen Vater verloren, als diesen beim Gottesdienst der Schlag traf. Der zweijährige Adam war damit zusammen mit seinen sieben Geschwistern Vollwaise geworden. Zwei Onkel, die ebenfalls Pfarrer waren, nahmen sich ihres Neffen an und ermöglichten ihm eine gymnasiale Ausbildung in Trarbach, die er bereits 1792 erfolgreich abschloss. Über Adam Storcks weitere Erziehung in den nachfolgenden Revolutionsjahren ist nur sehr wenig bekannt. Fest steht immerhin, dass er in Gießen und Jena Geschichte und Sprachen studierte; möglicherweise begegnete er in Jena Geistesheroen wie Schiller, Fichte oder den Brüdern Schlegel sogar persönlich. Nach der Promotion zum Dr. phil. machte Storck 1809 erstmals als Reiseschriftsteller auf sich aufmerksam. Detailliert berichtete er über eine Reise in die rheinische Heimat und nach Paris. Von der soliden beruflichen Basis eines Lehrers (ab 1810 sogar Direktors) der Handelsschule in Hagen/Westfalen aus veröffentlichte der Eifelmoselaner bis zum Jahr 1817 in der von ihm mitherausgegebenen westfälischen Zeitung  „Hermann“ Abhandlungen und Gedichte.  Seit 1814 war Dr. Storck nach dem Tod seiner ersten Frau Anna Bödeker in zweiter Ehe mit der Bremerin Catharina Elisabeth von Kapff aus angesehener Kaufmannsfamilie verheiratet. Gern nahm er daher 1817 ein Angebot des Bremer Senats an, als Professor und Rektor an der neu gegründeten Bremer Handelsschule zu unterrichten. Neben Geschichte, Englisch und Spanisch hielt Professor Storck auch Vorlesungen in Handelswissenschaft. Seine ökonomischen Auffassungen wurden auch über  Bremen hinaus aufmerksam registriert und heftig diskutiert. 1819 hatte Storck sich in einem Vortrag entschieden für Freihandel ausgesprochen und dabei dessen Vorteile in einer bis heute inhaltlich aktuellen Weise ausgebreitet. Den hanseatischen Kaufleuten gefielen die  liberalen ökonomischen Ansichten des Professors, der sich selbst stets als „Fremdling“ in Bremen betrachtete. Noch größere Popularität erwarb sich der Moselaner an der Weser durch sein  „mit 16 Kupfern“ illustriertes Buch „Ansichten der Freien Hansestadt Bremen und ihrer Umgebung“, das 1822 erstmals veröffentlicht wurde. Adam Storck erlebte dessen Erfolg nicht mehr, denn er war kurz vorher im April 1822 nach langer Krankheit 43-jährig an „Luftröhrenschwindsucht“ gestorben. Da auch seine junge Witwe bereits 1823 einer Krankheit erlag, wurden die drei minderjährigen Kinder früh zu Vollwaisen – wie einst ihr Vater. Zu den Nachkommen Adam Storcks gehörte der Bremer Landschaftsmaler Adolf Eduard Storck, dessen Fähigkeit zur künstlerischen Gestaltung von Reiseeindrücken an seinen Großvater erinnerte.

Verfasser: Gregor Brand

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