Nikolaus Doeser

Kirchenrechtler aus Winringen

190_schoenecken_burg_23_14Im Jahr 2007 erschien in Rom die vierte – aber keineswegs letzte! – Doktorarbeit des vielseitig gelehrten früheren Bürgermeisters von Prüm (1965-1972) Karl Heinrich Theisen. Der gebürtige Polcher Theisen (Jahrgang 1934) untersucht darin akribisch den Lebensweg eines Landsmannes, der um 1400 in dem unweit von Prüm und Schönecken gelegenen Kleindorf Winringen zur Welt kam: Nikolaus Doeser, der auch Nikolaus von Prüm, Nikolaus von Winringen oder mit anderen Namensvarianten genannt wird. Mit seiner Geburt zu Beginn des 15. Jahrhunderts gehörte Doeser zur gleichen Generation juristisch höchst qualifizierter Eifler wie Nikolaus von Kues und Johannes Hofmann aus Lieser.  Urkundlich erstmals erwähnt wurde der Winringer, der vermutlich schon in seinen ersten Prümer Schuljahren durch besondere Begabung auffiel, im Jahr 1412, als er sich trotz seines jungen Alters an der Universität Erfurt einschrieb. Dort erwarb er im folgenden Jahr seinen ersten akademischen Grad, das Baccalariat, worauf er sich zum Weiterstudium an die  Universität Wien begab. Nach obligatorischen Zusatzprüfungen begann der junge Doeser 1413 das Spezialstudium des Kanonischen Rechts, das angesichts des mittelalterlichen Einflusses der Kirche auf nahezu alle Lebensbereiche einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert hatte als heute. Nach zwei Jahren Studium in Österreich wandte sich Doeser wieder der rheinischen Heimat zu. 1415 schrieb er sich an der Universität Köln ein und erhielt dort bereits 1417 die Lizenz, an allen christlichen Universitäten zu lehren. Als besoldeter „Regierender Professor“ besaß er sogar im Fakultätskonsilium Stimmrecht. Mitte der zwanziger Jahre erwarb Magister Nikolaus Doeser vermutlich in der lombardischen Stadt Pavia den Titel eines Doktors beider Rechte (Dr. iuris utriusque). Theisen nimmt an, dass die Promotion des Winringers in der traditionsreichen norditalienischen Universitätsstadt vor allem aus finanziellen Gründen erfolgte. Für die Graduierung in Köln waren mehr als 200 rheinische Gulden zu zahlen, wozu Doeser entweder nicht in der Lage oder nicht willens war.

Spätestens mit dem Erwerb des Doktorats hatte Nikolaus Doeser öffentlich seine exzellenten Rechtskenntnisse dokumentiert. An der hohen Qualifikation des jungen Kirchenrechtlers hatte auch der Stadtmagistrat der belgischen Stadt Löwen keine Zweifel, als um 1425  die Universität Löwen gegründet wurde. Der in Köln lehrende und wohnende Doeser wurde als erster Professor für Kanonisches Recht an die Universität Löwen berufen. Obwohl Doeser der jüngste Professor war, durfte er am 7. September 1426 in der Kirche St. Peter die Eröffnungsrede bei der festlichen Inauguration der Universität halten – zugleich die erste Vorlesung dieser in den folgenden Jahrhunderten durch brillante Gelehrte berühmt gewordenen Hochschule. Mit der ehrenvollen Berufung war für Doeser die anstrengende Verpflichtung verbunden, jeden Tag – sogar sonntags und feiertags – zu dozieren, wobei die ersten Vorlesungen in aller Herrgottsfrühe um 6.00 Uhr anfingen.  1429 und 1431 war Professor Doeser auch Rektor der neuen Universität, aber trotz solcher angesehenen Positionen verließ er einige Zeit später seinen belgischen Wirkungsort. Möglicherweise verärgerten ihn die noch keineswegs geklärten bürokratischen Streitigkeiten um den Rechtsstatus der Hochschule und die Besoldung der Professoren, vielleicht wollte er sich aber auch stärker auf anderen juristischen Tätigkeitsfeldern versuchen. Um 1435 wurde er Offizial des von einem Teil des Domkapitels gewählten Erzbischofs Ulrich von Manderscheid, mit dem er anscheinend schon aus Kölner Studientagen bekannt und befreundet war. Damit geriet Doeser kurzzeitig ins Zentrum des blutig ausgetragenen sogenannten Trierer Bischofsstreits, da die Bischofswahl Ulrich von Manderscheids höchst umstritten war. Eine größere Tätigkeit in diesem Amt konnte Doeser allerdings nicht entfalten, da der Manderscheider sich in Rom nicht durchsetzen konnte und zudem bald verstarb.

Im Jahr 1438 trat Kirchenrechtler Doeser auf dem Konzil in Basel auf, wo er als Doktor beider Rechte Stimmrecht besaß. Er wurde zum Rota-Richter bestellt und gehörte in dieser Eigenschaft zu den höchsten Richtern der katholischen Kirche. Da Nikolaus noch relativ jung war, kann man annehmen, dass diese hohe Stellung noch nicht das Ende seiner kirchlichen Karriere bedeutete. Aber allen weiteren Plänen und Überlegungen setzten, wie so oft im Mittelalter, Krankheit und früher Tod ein jähes Ende. Im Sommer des Jahres 1439, fast ein Jahrhundert nach der epochalen Großen Pest der Jahre 1348/49, breitete sich die grausige Seuche am Konzilsort Basel aus und raffte Fromme und Sünder gleichermaßen dahin. Von dem Spitzenjuristen aus der Westeifel gibt es danach keine weiteren Lebenszeugnisse mehr, so dass sein Biograph Theisen annimmt, dass auch Nikolaus Doeser Opfer der Epidemie in Basel wurde.

Verfasser: Gregor Brand

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