Mathias Thesen

Politiker und Widerstandskämpfer aus Ehrang

Mathias Thesen
Mathias Thesen

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 durfte das deutsche Volk nur noch einmal in einer Mehrparteienwahl den Reichstag wählen. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erreichte die KPD trotz massiver staatlicher Behinderung ihrer Aktivitäten im Wahlkampf fast fünf Millionen Stimmen. Die 81 gewählten kommunistischen Abgeordneten konnten ihre parlamentarischen Rechte jedoch nicht wahrnehmen, denn nur wenige Tage später wurden ihre Mandate für ungültig erklärt. Zu diesen Reichstagsabgeordneten der KPD gehörten mindestens drei Eifler: neben Maria Reese und Nikolaus Thielen zählte dazu auch der 1891 in Ehrang geborene Mathias Thesen. Von diesen Drei überlebte nur Maria Reese die Naziherrschaft, wohingegen Thesen und Thielen in KZs ermordet wurden. Mathias Thesen kam aus der Arbeiterschaft. Zwar betrieben seine Eltern Nikolaus Thesen und Klara (geb. Reis) in Ehrang ein kleines Kolonialwarengeschäft, aber Vater Thesen hatte ursprünglich als Sandgießer in den Quinter Steinbrüchen gearbeitet und war erst durch einen Arbeitsunfall gezwungen worden, den Lebensunterhalt für seine schließlich auf zehn Kinder angewachsene Familie als Kaufmann zu verdienen. Mathias, der älteste Sohn, konnte trotz hervorragender Schulnoten aus finanziellen Gründen keine höhere Schule besuchen. Nach der Volksschule begann er eine Lehre als Dreher in der Trierer Maschinenfabrik Eduard Laeis; nach der Gesellenprüfung blieb er in Trier und arbeitete als Eisendreher in der Maschinenfabrik August Feuerstein. Mit 19 Jahren trat der politisch wache Eisenarbeiter dem Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) und der SPD bei. Obwohl die damals stark marxistisch geprägte SPD durch das preußische Dreiklassenwahlrecht und andere Repressionen in vielen Bereichen noch diskriminiert wurde, war die Sozialdemokratie zu einer gesellschaftlichen Macht herangewachsen, die sich durch zahlreiche Abgeordnete, 76 Tageszeitungen und gewerkschaftliche Aktivitäten Gehör zu verschaffen wusste. Das Leben Thesens, der sich – soweit bekannt – in diesen Vorkriegsjahren politisch noch im Hintergrund hielt, wurde bald für etliche Jahre von Krieg und Militär bestimmt. Die Ableistung seiner Wehrpflicht in Lothringen ging 1914 fast nahtlos in den Kriegsdienst an der Westfront über. 1916 überlebte der Obergefreite Thesen zunächst die Hölle von Verdun, wurde dann aber bei einem Giftgasangriff in der Somme-Schlacht schwer verwundet und 1917 als nicht mehr „garnisonstauglich“ ausgemustert. Als Zivilist schloss er sich zuerst der USPD, dann 1920 der KPD an. Der radikale Kriegsgegner Thesen nahm der SPD ihre Haltung im Weltkrieg ebenso übel wie den seiner Ansicht nach zu laschen Einsatz für Arbeiterrechte in der Weimarer Republik. Thesen, der in einer Kriegshochzeit 1916 die Ehranger Nachbarstochter Katharina Hartmann (1893–1972) geheiratet hatte, lebte und arbeitete nach dem Krieg in den Schwerindustriezentren Sterkrade und Hamborn, wo auch die drei Töchter der Familie aufwuchsen. Die „Thyssenstadt“ Hamborn wurde, wie Manfred Tietz in seiner einfühlsamen Thesen-Biographie berichtet, völlig von den tristen Bedingungen der Zechen- und Industrieanlagen beherrscht. In Verbindung mit der Knochenarbeit und den bedrückenden und ungesunden Wohnverhältnissen führte diese düstere Lebenswelt dazu, dass viele Arbeiter sich aufs Stärkste ausgebeutet fühlten: „Der Thyssen-Sklave“ hieß dementsprechend auch eine von Thesen herausgegebene konspirative Werkszeitung. „Thesen gegen Thyssen“ (M. Tietz) lautete jahrelang die Kampffront in Hamborn, wobei der Marxist Thesen dem durch Thyssen repräsentierten Großkapital auch die Hauptschuld am Weltkrieg gab. Auf der Basis seiner politischen Aktivitäten an Rhein und Ruhr wurde Thesen 1928 erstmals in den Reichstag gewählt, Schwerpunkt seiner Tätigkeit in der hitzigen Endphase der Weimarer Republik blieben jedoch zahlreiche außerparlamentarische Einsätze. Im Sommer 1932 betraute ihn der KPD-Vorsitzende Thälmann mit führenden Parteiaufgaben in Hamburg und Norddeutschland. Dabei ging es nicht zuletzt darum, sich auf die befürchtete Machtübernahme durch die Nazis vorzubereiten. Wie nötig dies war, zeigte sich im Frühjahr 1933. Der Reichstagsabgeordnete Thesen wurde steckbrieflich gesucht. Im Herbst 1933 gelang es der Gestapo, die hemmungslos Folterungen einsetzte und von Denunziationen profitierte, Thesen in Hamburg zu verhaften. Damit begann für Thesen ein nahezu ununterbrochener Leidensweg durch die Foltergefängnisse und Lager des NS-Staats. Am 11. Oktober 1944 wurde der bis zuletzt nicht gebrochene Mathias Thesen im KZ Sachsenhausen ermordet. Aus den Schilderungen von Menschen, die ihm auf seinem Lebensweg begegneten, ergibt sich übereinstimmend das Bild einer durch ihre Menschlichkeit beeindruckenden Persönlichkeit, die unabhängig von der Beurteilung der politischen Einstellung das ehrenvolle Gedenken, das man ihm auch in seiner Trierer Heimat bewahrt, verdient hat.

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