Konrad Adenauer

Staatsmann mit Eifler Wurzeln in Flerzheim

Als Konrad Adenauer im September 1949 zum ersten Bundeskanzler der wenige Monate zuvor gegründeten Bundesrepublik Deutschland gewählt wurde, stand seine Regierung vor gigantischen Herausforderungen. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs mit seinen fürchterlichen menschlichen und materiellen Verwüstungen waren noch allgegenwärtig. Millionen Flüchtlinge und Vertriebene mussten schnell in die Gesellschaft eingegliedert werden, Städte und 167_adenauer_49_13Dörfer wiederaufgebaut, eine stabile Demokratie errichtet und eine funktionierende Wirtschaftsordnung geschaffen werden. Höchst schwierig war zudem die Schaffung des durch die NS-Herrschaft zerstörten internationalen Vertrauens. Als der mehrfach wiedergewählte Adenauer 1963 als Kanzler zurücktrat, hatten sich diese Bedingungen radikal geändert und verbessert. Eigentlich war es ein konservativer alter Mann gewesen, unter dessen dynamischer Führung sich diese Veränderungen vollzogen.  Adenauer war bei seiner Erstkanzlerschaft bereits 73; als er 1964 erneut zum CDU-Bundesvorsitzenden gewählt wurde, stand er kurz vor seinem 90. Lebensjahr. Obwohl er sich als Bundeskanzler in die Geschichte einschrieb, hatte er schon seit der Kaiserzeit erfolgreich Politik gemacht. Bereits 1906 war der Zentrumspolitiker Adenauer Beigeordneter der Stadt Köln geworden, im Kriegsjahr 1917 sogar deren erster Oberbürgermeister. Als Präsident des Preußischen Staatsrats oder des Katholikentages in München 1922 festigte er seinen Ruf als einer der politischen Führungsfiguren des rheinischen Katholizismus. Im Dezember 1929 wurde Adenauer als Oberbürgermeister wiedergewählt. Keine zwei Monate nach Hitlers Regierungsübernahme 1933 setzten die Nationalsozialisten den ihnen verhassten Zentrumsmann ab. Adenauer überstand die NS-Zeit zurückgezogen überwiegend in Rhöndorf, stets unter der bedrohlichen Ungewissheit, was die Machthaber noch mit ihm vorhatten. Im August 1944 tauchte die Gestapo in Rhöndorf auf, durchsuchte sein Haus und verhaftete den 68-Jährigen. Er konnte zunächst fliehen, aber seine Frau Auguste wurde derart massiv schikaniert, dass sie das Versteck ihres geflohenen Mannes verriet, der daraufhin erneut gefasst und inhaftiert wurde. Die seelisch gebrochene Auguste Adenauer unternahm einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen sie im März 1948 starb. So erlebte sie nur noch ansatzweise den Erfolg ihres Mannes in den Nachkriegsjahren, der mit der neuen Partei CDU immer stärker den politischen Neuanfang in den besetzten Westzonen beeinflussen konnte.

Geht man der Herkunft des Ausnahmepolitikers Adenauer nach, so stößt man bald allenthalben  auf Eifler Wurzeln. In der väterlichen Linie lässt sich die Reihe der Vorfahren bis ins 16. Jahrhundert zum Stammvater Heinrich Adenaw/Adenauer zurückführen. Er lebte im heute zu Rheinbach gehörenden Flerzheim, wohin er vermutlich aus Adenau gezogen war. Flerzheim,  in der fruchtbaren Landschaft vor Köln und Bonn gelegen, wurde für dreihundert Jahre die Heimat dieser bäuerlichen Adenauer-Familie. Der erste nicht mehr in Flerzheim geborene Adenauer war der Großvater des Kanzlers: der Bonner Bäcker Franz Adenauer, der wie seine eifelstämmige Frau bereits vor dem 40. Lebensjahr starb. Conrad (1833–1906), ihr früh verwaister Sohn, ging zum preußischen Militär. Aus dem Krieg gegen Österreich kehrte er zwar dekoriert, aber als „Ganzinvalide“ zurück, der für einige Jahre von einer kargen Pension sowie einigen Talern „Verstümmelungszulage“ leben musste. Nach Reaktivierung für den deutsch-französischen Krieg heiratete er 1871 die Kölnerin Helena Scharfenberg (1849–1919) und wurde 1873 Beamter am Kölner Landgericht. 1876 wurde dieser Beamtenfamilie der später so berühmte Sohn Konrad geboren. Köln wurde Adenauers Stadt, wie man zeitlebens auch seiner Sprache deutlich anhörte: In Köln ging er zur Schule, dort machte er sein Abitur (1894), dorthin kehrte er nach seinem Jurastudium zurück. Im Tennisclub „Pudelnass“ lernte der Rechtsassessor seine Frau, die Lehrerin Emma (geb. Weyer) kennen, die er 1904 heiratete; aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach dem frühen Tod (1916) von Emma Adenauer heiratete der Witwer 1919 die 23-jährige Professorentochter Auguste („Gussie“) Zinsser; dem Paar wurden fünf Kinder geboren.

Zu den großen Erfolgen Adenauers gehörte das Erringen der absoluten Mehrheit bei der Bundestagswahl 1957. Dieser Triumph hing mit der sehr populären Rentenreform zusammen, spiegelte aber auch die Zufriedenheit mit der phänomenalen Aufwärtsentwicklung. Dabei war die Politik des kantigen Antikommunisten Adenauer keineswegs unumstritten: Gründung der Bundeswehr, Mitgliedschaft in der NATO und weitere grundlegende Weichenstellungen erfolgten gegen heftigsten Widerstand. Der „Alte“ ließ sich davon nicht wirklich beeindrucken. Bis in sein letztes Lebensjahr blieb er aktiver Politiker mit Leib und Seele, noch als 90-Jähriger besuchte er 1966 erstmals Israel. Als er 1967 starb, bestand nicht nur für den französischen Präsidenten de Gaulle an Adenauers Rang als einer der größten  europäischen Staatsmänner kein Zweifel.
Verfasser: Gregor Brand

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