Joseph Görres

Publizist und Gelehrter aus Müdener Familie

Der 1776 in Koblenz geborene Joseph Görres zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Als politischer Publizist und katholischer Theoretiker prägte er die deutsche intellektuelle Landschaft zwischen 1800 und 1850 maßgeblich mit.

Joseph Görres war das erstgeborene Kind des Kaufmanns Moritz Görres und dessen Ehefrau Helena, einer Tochter des aus dem Tessin zugezogenen Kaufmanns Josef Anton Mazza und der einheimischen Helena Theresia Fachbach. Väterlicherseits hatte Görres eifel-moselanische Vorfahren. Sein Großvater, der Bäcker, Gastwirt und Kaufmann Matthias Görres – ein Sohn des Schultheißen Josef Anton Görres – war gebürtig aus Müden. In diesem Untermosel-Weinort lebten Görres-Ahnen generationenlang als Hofleute des Dauner Hofes. Durch die Heirat von Matthias Görres mit einer Koblenzerin kam die Familie nach Koblenz, wo dann Moritz Görres als „schlichter, ehrlicher, rheinischer Bürgersmann von dem guten alten fränkischen Schlage“ (so sein Enkel Guido) erfolgreicher Holzhändler wurde. Joseph Görres selbst verstärkte durch seine Heirat (1801) mit Catharina von Lassaulx (1779–1855), Tochter des Buchdruckers und Hofrats Adam von Laussaulx, sein verwandtschaftliches Netzwerk im gehobenen Koblenzer Bürgertum. Aus der Ehe gingen der Schriftsteller Guido Görres (1805–1852) sowie die Töchter Sophie (1802–1854) und Marie (1808–1871) hervor; die folgenden Generationen weisen etliche namhafte Persönlichkeiten auf.

Die formale Ausbildung von Joseph Görres schloss mit dem Besuch der höheren Schule seiner Geburtsstadt ab. Hohe Bildung und Gelehrsamkeit erwarb er sich als Autodidakt. In seinen Jugendjahren war Görres überschwänglicher Anhänger der französischen Revolution; am liebsten wäre ihm kurzzeitig eine vollständige Eingliederung der linksrheinischen deutschen Gebiete nach Frankreich gewesen. Seine politischen Ideale propagierte Görres bereits als Jungrevolutionär in journalistischen Arbeiten, ehe ihn um 1800 nach einer Paris-Reise große politische Ernüchterung erfasste. Aus dem von Aufklärung und Revolution Begeisterten wurde ein vom Geist der deutschen Romantik erfasster katholischer Intellektueller. Während einer zweijährigen Dozententätigkeit an der Universität Heidelberg (1806-1808) wurde Görres zum wichtigen Gesprächspartner von Dichtern und Denkern wie Achim von Arnim und Clemens Brentano und stand mit anderen Geistesgrößen jener kulturellen Blütezeit in vertrautem Kontakt. 1808 kehrte Görres nach Koblenz zurück, wo er mit Aufsehen erregenden Publikationen Partei gegen das ihm nunmehr verhasste napoleonische Frankreich ergriff. Die von ihm ab 1814 herausgegebene Tageszeitung „Rheinischer Merkur“ fand größte Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt durch sie gilt Görres als „der erste deutsche Journalist großen Stiles“ (Franz Schnabel). Seine kritische Grundhaltung missfiel aber nicht nur den Franzosen, sondern wegen ihrer auf deutsche Einheit drängenden Tendenz auch der neuen preußischen Obrigkeit. Zeitungsartikel und Bücher zwangen Görres zu Fluchtbewegungen in die Schweiz und ins Elsass, ehe er sein weit ausstrahlendes Wirken in Koblenz fortsetzen konnte.

Die letzte Lebensphase begann für den inzwischen 51-Jährigen, als er 1827 vom bayerischen König Ludwig I. als Professor nach München berufen wurde. Dort entfaltete sich das oft hervorgehobene Charisma des weiterhin sehr produktiven Autors im persönlichen Kontakt mit Intellektuellen seiner Zeit. Er wurde zum Mittelpunkt eines „Görres-Kreises“, von dem aus spürbare geistig-politische Impulse ausgingen. Sein Hauptanliegen bestand immer deutlicher darin, die katholische Sache sowohl in der weltanschaulichen Auseinandersetzung als auch in der Politik zu stärken. Nicht zu Unrecht sah der Görres-Kreis die Lage des Katholizismus als bedroht an, weil ihm Bewegungen wie Liberalismus und Materialismus mächtig zusetzten. Für Abwehr und Angriff zugleich 1828 rief Görres die Zeitschrift „Eos“ ins Leben. Zehn Jahre später gründete er mit Gleichgesinnten die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“, die zum Hauptforum des politischen Katholizismus wurden. Görres, der damals vielleicht bekannteste deutsche katholische Autor, erregte mit seinem Buch „Athanasius“ (1838) erneut beträchtliche Aufmerksamkeit. Mit dieser polarisierenden Schrift griff Görres in einen heftigen Streit zwischen preußischer Regierung und Kölner Erzbischof ein. Görres ging es nicht nur um Tagespolitik, sondern um grundsätzliche Positionen des politischen Katholizismus. Seine Überlegungen wurden für den Gang der Parteiengeschichte von der Zentrumspartei bis zu den christdemokratischen Parteien des 20. Jahrhunderts bedeutsam. Auch in München war Görres keineswegs „nur“ politischer Publizist. Mit seinem vierbändigen Werk „Die christliche Mystik“ (1836–42) bekannte er sich zu einem mystisch geprägten Blick auf Geschichte und Welt, der selbst manchen Katholiken seiner Zeit als zu irrational erschien. Die Ablehnung auf protestantischer Seite war weniger überraschend; dort hatte der konservative Katholik Görres schon lange erbitterte Gegner. Der in Bayern geadelte Joseph (von) Görres starb im Januar des Revolutionsjahres 1848 in München.
Verfasser: Gregor Brand

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